30 Jahre später: ROLLINS BAND

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The End Of Silence (LP, Imago/BMG, 1992)

Ich war immer gegen sinnlose Gewalt, deshalb hatten mich BLACK FLAG niemals interessiert. 1992 kamen dagegen die RED HOT CHILI PEPPERS auf Europatour, um ihr neues Album „Blood Sugar Sex Magik“, das ihnen zum absoluten Durchbruch im Mainstream verhelfen sollte, zu promoten. Ich ging zum Konzert in der Theaterfabrik in München, als Vorband sollte eine ROLLINS BAND spielen. Dass das der Sänger von BLACK FLAG war, wusste ich nicht. Was ich da allerdings sah, machte mich sprachlos. Ein muskelbepackter Bulle mit Stiernacken, der nur schwarze Shorts anhatte, permanent auf den Boden spuckte und barfuß darin herumhüpfte – und durch sein Geschrei eine wahnsinnige Energie in die Menge feuerte. Henry Rollins. Ich legte mir dann sofort die LP mit dem Titel „The End Of Silence“ zu. Das Covermotiv war dasselbe, das Rollins auf seinen Rücken tätowiert hatte, und das von Tattoo-Artist Rick Spellman stammte, der auch Glenn Danzig verziert hatte. Es zeigte eine zu Rollins passende Interpretation der Sonne, die ein todernstes und markantes Gesicht darstellt. Die Band bestand damals neben Sänger Henry Rollins und drei guten Musikern, darunter ein famoser Chris Hackett an der Gitarre, aus fünf Personen – der Live-Tontechniker Theo Van Rock wurde als vollwertiges Bandmitglied gesehen. „The End Of Silence“ war das vierte Studioalbum der Band. Auf der Doppel-LP befinden sich zehn ziemlich lange Songs, die Singles „Low self opinion“ und „Tearing“ sind mit um die fünf Minuten mit die kürzesten. Zwei Lieder sind sogar um die zwölf Minuten lang. Im Gegensatz zum Hardcore-Sound von BLACK FLAG ging es auf „The End Of Silence“ langsamer, schleppender, aber auch viel grooviger zu. Rollins’ Sound war trotz seiner Aggressivität auch viel melodischer geworden. Als ich damals dann die Texte las, hat es mich tatsächlich getroffen. Da war ein Typ, der mich verstand. Der von all den negativen Dingen erzählte, die ich damals auch oft so empfand. Ein großer Unterschied war jedoch vorhanden – er gab mir mit den Texten immer wieder einen Arschtritt und schrie mich an aufzustehen und nicht sinnlos in Selbstmitleid zu verfallen. Und damit ging es nicht nur mir so. Ein weiterer Unterschied war noch dieser mir wenig vertraute Lifestyle, den Henry Rollins in den Interviews, die er zunehmend geben musste, darstellte. Da habe ich zum ersten Mal gesehen, dass hier jemand quasi „Straight Edge Plus“ lebte und zum Beispiel im Gym Gewichte stemmte und sich gesund ernährte – so gesund, dass er auch seine „eigene Pisse trinken“ könnte, wie er zu dieser Zeit einmal behauptete. Der Band gelang mit „The End Of Silence“ jedenfalls der Durchbruch im „Alternative“-Bereich. Wobei man davon ausgehen muss, dass viele gar nicht verstanden haben, um was es da eigentlich ging.