40 Jahre später: SLIME

Foto

s/t (LP, Raubbau/ Aggressive Rockproduktionen, 1981)

Im Februar 1980 veröffentlichte die im Jahr zuvor gegründete Hamburger Band in Eigenregie ihre erste EP „Wir wollen keine Bullenschweine“. Der aggressive, politische Punkrock von SLIME (damals noch zu viert) traf den Nerv der Zeit. Die 2.000er Auflage war schnell ausverkauft. Kurze Zeit später stieß Christian Mevs als weiterer Gitarrist zur Band. Zu fünft spielten sie nun im Raubbau Studio ihre erste LP ein, die sie Anfang 1981 selbst veröffentlichten. Dass das Album nicht nur Punk-Geschichte schreiben sollte, war da noch nicht abzusehen. Das selbstbetitelte Album enthält 14 Songs, davon sieben mit englischen Texten, die sich alle auf der ersten Seite finden. Der Opener „We don’t need the army“ ist klar vom COCKNEY REJECTS-Song „Oi! Oi! Oi!“ beeinflusst, der in der letzten Strophe auch zitiert wird. Es folgt mit „Artificial“ ein Reggae-Song, bevor mit „A.C.A.B.“ ein straighter Pogo-Smasher kommt. Überhaupt ist das erste Album die musikalisch abwechslungsreichste Platte von SLIME in ihrer Frühzeit – Reggae-Punk-Nummern wie „Deutschland“ stehen neben Punkrock wie bei „Karlsquell“ oder „Bullenschweine“ oder dem vom Blues inspirierten „1,7‰ Blues“, mit dem die Platte ausklingt. Textlich machen SLIME da weiter, wo sie mit ihrer EP aufgehört haben. Kämpferische und politische Songs, in denen sie wie bei dem neu eingespielten „Bullenschweine“ oder „A.C.A.B.“ Parolen aus dem Straßenkampf aufgriffen und gleichzeitig den Soundtrack für diesen lieferten. Im Refrain von „Deutschland“ wandelten sie den Spruch eines Hamburger „Kriegerehrenmals“ aus dem ersten Weltkrieg – „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen“ – in „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ um. Mit „Karlsquell“, der Hymne auf das Billigbier aus dem Aldi Nord, findet sich ein ganz besonderes Liebeslied auf der Platte. Aber in „D.I.S.C.O.“ wird auch Szenekritik geübt. Die Band verkaufte die Platte in Eigenregie knapp 25.000-mal, bevor Ende 1981 Aggressive Rockproduktionen das Album noch mal auflegte und 50.000 Exemplare presste. Doch schon bald wurde von einem besorgten Vater wegen der Texte Anzeige erstattet. Im Frühjahr 1982 wurde im Auftrag der Hamburger Staatsanwaltschaft deswegen der Plattenladen Rip Off durchsucht. Etwas später wurde der komplette Lagerbestand bei AGR sowie beim Vertrieb SPV beschlagnahmt. AGR veröffentlichte das Album kurze Zeit später wieder, wobei „Deutschland“ und „Bullenscheine“ mit Pieptönen zensiert waren. Diese waren bei den Neuauflagen ab 1989 nicht mehr vorhanden. Erst 2011 erfolgte die offizielle Indizierung von „Bullenschweine“, der Song „Deutschland“ dagegen wurde im Jahr 2000 vom Bundesverfassungsgericht zu Kunst im Sinne des Grundgesetzes erklärt.