ACTION/ADVENTURE

Foto

Eine inklusive Szene

Pop-Punk ist ein Genre, das wie so vieles von weißen Männern dominiert wird. ACTION/ADVENTURE bilden da eine Ausnahme, wollen aber auch nicht die Alibi-Band sein. Wir sprechen mit Gitarrist Brompton über das neue Album der Band aus Chicago, das namensgebende Syndrom und wie wichtig Repräsentation in der Szene ist.

Euer neues Album heißt „Imposter Syndrome“. Wie sehr war dieses Gefühl, jederzeit als Hochstapler entlarvt zu werden, während des Schreibens der Platte präsent? Kannst du die Momente beschreiben, in denen du es gespürt hast?

Nun, ich kann dir definitiv sagen, dass wir die Platte nicht ohne Grund so genannt haben. Dieses Gefühl ist etwas, mit dem wir alle so ziemlich täglich zu tun haben. Das Album haben wir während der Quarantäne geschrieben und aufgenommen, leider war es uns nicht möglich, irgendwelche Shows zu spielen, seit wir bei unserem Label Pure Noise unterschrieben hatten. Das versetzte uns in eine wirklich seltsame Stimmung, weil plötzlich so viel mehr auf dem Spiel stand, aber es gab immer noch nichts, das spürbar anders war. An dieser Stelle setzt das Imposter-Syndrom ein. Es gibt einige Gesangsparts auf der Platte, bei denen wir eine gute Publikumsbeteiligung erwarten, wenn wir sie live spielen, aber es fühlte sich super seltsam an, diese Parts zu schreiben und aufzunehmen, weil wir uns einfach nicht hundertprozentig sicher konnten, wie sie tatsächlich ankommen, bis wir es ausprobiert haben.

Die Single „Barricades“ hat euch 2020 viel Auf­merksamkeit beschert. Habt ihr euch von diesem Erfolg überwältigt gefühlt? Und wie hat es das Schreiben der neuen Platte beeinflusst?
Wir sind alle unendlich dankbar für die Möglichkeiten, die „Barricades“ und „Pulling focus“ uns eröffnet haben. Trotzdem kann es manchmal ein bisschen überfordernd sein, Band und Privatleben unter einen Hut zu bringen. Das macht uns aber nicht wirklich etwas aus. Wir sind glücklich, wenn wir etwas tun können und dass wir die Chance haben, unseren Traum zu verwirklichen. Die neue Platte offenbart einen gewissen Zwiespalt bei uns. Der Widerspruch ist ziemlich krass. Auf der einen Seite ist es so, dass wir uns abrackern, um unsere Träume zu verfolgen, und auf ein großartiges Ziel hinarbeiten, und auf der anderen Seite können wir uns trotzdem nicht dem Gefühl entziehen, den Erfolg nicht verdient zu haben und wir einfach nicht auf diese großen Shows und Playlisten gehören. Die letzten drei Jahre waren eine ziemliche Achterbahnfahrt und die Platte bildet das wirklich gut ab.

Glaubt ihr nicht, dass ihr jetzt, wo eine Platte auf Pure Noise erschienen ist, das Impostersyndrom abschütteln könnt?
Man könnte meinen, dass wir das vielleicht können, aber es ist definitiv noch da. Wir tun einfach unser Bestes, um diese nervöse Energie so positiv wie möglich zu nutzen, und sie treibt uns immer wieder voran.

Pop-Punk ist ein sehr weißes Genre, auch wenn es immer mehr Bands gibt, die mit diesem Stereotyp brechen, etwa MAGNOLIA PARK oder MEET ME AT THE ALTAR. Habt ihr den Eindruck, dass durch Bands wie euch eine andere Perspektive und ein neues Publikum dafür gewonnen werden können?
Auf jeden Fall. Hundertprozentig. Diversität ist in unserer Szene schon seit langem ein Thema. Als ich mit Oren und Adrian aufgewachsen bin, hatte ich das Gefühl, dass wir das Glück hatten, uns gegenseitig auf den Shows zu haben, aber abgesehen von uns gab es meistens nur sehr wenige BIPOC-Besucher. Ich weiß, dass Blake das Gleiche über seine Konzerterfahrungen gesagt hat. Das liegt mit Sicherheit auch mit daran, dass es nicht wirklich viele BIPOC-Künstler gab, und ein großer Teil des Musikhörens und des Fanseins besteht ja darin, dass man sich mit einem Künstler und seinen Erfahrungen identifizieren kann. Wenn man bei einer Veranstaltung nicht so aussieht wie die anderen, ist es nicht immer einfach, das Ganze auf sich zu beziehen. Eines unserer liebsten Erlebnisse ist es, wenn auf einer Tournee Leute zu uns kommen und Dinge sagen wie: „Es ist so toll, endlich einen Asiaten oder Polynesier zu sehen, der die Musik macht, auf die ich seit Jahren abfahre“ oder „Wow, es ist so cool, einen Schwarzen zu sehen, der Punkrock spielt. Ich wünschte, ich hätte solche Bands wie euch schon in der Highschool gekannt.“

Ich habe manchmal das Gefühl, dass die genannten Bands gerne auf die Tatsache reduziert werden, dass sie BIPOC-Mitglieder haben. Wie können wir das normalisieren und verhindern, dass diese Bands nur als Alibi dienen?
Die einzige Möglichkeit, zu einer neuen Normalität zu kommen, ist, das Thema immer wieder anzusprechen. Mehr Inklusivität und Vielfalt können den Weg dafür ebnen, dass mehr BIPOC dazu inspiriert werden, selbst Musik zu machen und vielleicht sogar ihre eigenen Bands zu gründen. Wir haben alle in der Highschool angefangen, zusammen Musik zu machen, weil wir Freunde waren, die sich durch die Musik verbunden fühlten, und weil wir zufällig alle BIPOC sind. Es war nie geplant, und wir arbeiten hart daran, auf einem Niveau aufzutreten, das mit dem der Bands, mit denen wir in Verbindung gebracht werden wollen, mithalten kann. Wir wollten nie eine „BIPOC-Band“ sein. Wir sind einfach ein paar Jungs, die gerne schnelle Musik mit gelegentlichen Breakdowns spielen. Ich kann das mit vier meiner besten Freunde machen, und das ist alles, was zählt, und das sollte es auch sein. Wenn wir diese Perspektive beibehalten und tun, was wir können, um andere zu inspirieren, wird dies eines Tages zu einer bunteren und inklusiveren Szene führen.