ANCHORS & HEARTS

Foto© by Pasi Hansecore

Zwischen „Deathlist“ und Tour

Anfang März veröffentlichten ANCHORS & HEARTS ihr neues Album „Deathlist“ auf Redfield Records. Die Band aus Bremervörde begibt sich Ende März auch auf Tour. Mit Sänger Manuel Wintjen und Schlagzeuger Torben Tost plaudern wir über das frische Album, Streamingzahlen, den Spotify-Algorithmus und die wilden Seiten des Bandlebens.

Euer fünftes Studioalbum steht kurz vor der Veröffentlichung. Wenn wir die musikalische Entwicklung vom ersten Album bis zum aktuellen betrachten, gibt es da signifikante Unterschiede? Hat sich eure Herangehensweise an die Produktion im Laufe der Jahre verändert?

Manuel: Der Fortschritt vom ersten Album bis jetzt ist natürlich enorm. Das lässt sich kaum noch direkt miteinander vergleichen. Früher waren wir viel härter und schneller, das kann ich so sagen. Mit der Zeit und vielleicht auch bedingt durch das Alter sind wir von Mal zu Mal etwas davon abgerückt.

Euer neues Album trägt den interessanten Titel „Deathlist“. Habt ihr eine Art metaphorische „Todesliste“ von Menschen, die euch zu Beginn eurer Karriere nicht wohlgesinnt waren?
Manuel: Tatsächlich stammt der Albumtitel von dem gleichnamigen Song. Zunächst haben wir überlegt, ob es einen roten Faden im Album gibt? Doch letztendlich gibt es den nicht. Der Titelsong hat sich als besonders kraftvoll erwiesen und wir hatten keine Lust, uns einen anderen Albumnamen zu überlegen. Wir fanden, dass der Name gut zum Album passt, also haben wir ihn als Titel übernommen.

Könnt ihr uns etwas über die Hintergründe des titelgebenden Songs „Deathlist“ erzählen?
Manuel: „Deathlist“ ist eine Hymne für die Unterdrückten und Vernachlässigten, könnte man wohl sagen. Es gibt diese Aneck-Punkte, die überall auftauchen. Zum Beispiel wenn du Tätowierungen hast, ist es in verschiedenen Berufszweigen so, dass Probleme auftreten können. Es ist wie ein Stigma, das du mit dir herumträgst. Der Song ist einfach eine Hymne für diejenigen, die Nachteile haben und nicht so akzeptiert werden, wie sie sind.

Ist es nicht eher ungewöhnlich in der heutigen Zeit ein Album rauszubringen? Viele Musiker setzen ja heute auf die Veröffentlichung mehrerer Singles. Warum habt ihr euch jetzt für ein Album entschieden?
Manuel: Als unser Album „Guns Against Liberty“ rauskamt, haben wir darüber nachgedacht, ob es vielleicht sinnvoller wäre, ab jetzt ausschließlich Singles herauszubringen und kein komplettes Album mehr zu veröffentlichen. Doch irgendwie sind wir Oldschool und möchten etwas in der Hand haben. Wir brauchen etwas Haptisches. Wir möchten es gerne gebündelt veröffentlichen und nicht einfach alle paar Monate eine Single. Ich weiß, dass das momentan mega angesagt ist. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich das gut finde. Es gibt genug Bands, bei denen ich denke: Wow, guter Song, guter Song, guter Song, aber am Ende fehlt mir das Gesamtpaket.
Torben: Diese Entwicklung mit den Singles kam vor allem durch Plattformen wie Spotify zustande. Denn der Spotify-Algorithmus belohnt es mehr, wenn Bands in relativ kurzen Abständen Songs veröffentlichen. Dadurch bekommt man vielleicht mehr Hörer. Natürlich muss man sich ein wenig anpassen, aber wir machen als Band nicht nur Musik für den Spotify-Algorithmus. Man weiß am Ende auch nicht genau, wie viele echte Hörerinnen und Hörer dahinterstecken. Auf der anderen Seite haben wir echte Fans, die sich wirklich mit uns beschäftigen und das schon über die Jahre. Für sie machen wir es auch, natürlich auch für neue Hörerinnen und Hörer, aber vor allem für unsere Fans. Diese Menschen sieht man dann eben auch auf Tour, wenn sie zu den Shows kommen. Und deswegen sollte man sich nicht von irgendeinem Algorithmus sein Bandleben diktieren lassen.

Wie seht ihr als Band die enorme Veränderung im Musikgeschäft über die Jahre durch soziale Netzwerke und Streaming-Plattformen? Empfindet ihr es eher als Fluch oder Segen?
Torben: Das ist definitiv beides, ein Fluch und ein Segen zugleich. Einerseits hätten wir ohne diese Plattformen nicht die Möglichkeit, so vielen Menschen unsere Musik zugänglich zu machen und anzubieten. Wie ich bereits sagte, wenn man jedoch beginnt, sich davon abhängig zu machen und nur noch auf monatliche Hörer- und Streamingzahlen schaut, wird man unglücklich. Es sollte eine Balance geben. Was bei Spotify passiert, dass nämlich kleinere Künstler benachteiligt werden, empfinde ich als ungerecht. Als so großes Unternehmen sollte Spotify sehen, dass es nur existiert, weil es so viele kreative Menschen auf der Welt gibt. Sie verdienen Geld, weil es so viel kreativen Input und Content gibt. Das ist die andere Seite, die kritisch hinterfragt werden sollte. Es ist jedoch als Band wichtig, diese Plattformen zu nutzen, um Feedback von den Fans zu erhalten. Es ist eben die Zeit, das gehört dazu. Aber man sollte sich nicht davon abhängig machen. Wenn man sich daran hält, kann man eine ausgewogene Balance erreichen.

Ist es also immer noch wichtig und angesagt, authentisch zu bleiben?
Torben: Auf jeden Fall, zumindest für uns.