ANNA ABSOLUT

Foto© by Harald Leitner

Bier und Politik

Vier Grazer Freunde besuchen ein Konzert von TERRORGRUPPE und denken sich, es wäre wieder einmal an der Zeit, eine Punkrock-Band zu gründen. ANNA ABSOLUT nennen Mo Linni (gt, voc), Felix Paschke (dr), Georg Popp (bs) und Joschi Dirnberger (gt, voc) diese, Indie-Punk-Rock die Musikrichtung. Auf der eher pop-punkig angelegten 2019 im Eigenvertrieb erschienenen ersten Platte „Zebra“ zumindest. Das nun auf 30 Kilo Fieber Records und Fuego erschienene zweite Album „2x3“ schlägt allerdings etwas rauhere Töne an. Mehr dazu von den Grazern selbst.

Für alle Nicht-Steirer:innen: Was ist eigentlich Panther?

Joschi: Na ja, wir trinken gerne Puntigamer-Bier. Vor Proben ist meist jemand von uns früher im Proberaum, checkt den Kühlschrank und fragt dann die anderen, ob jemand Bier mitbringen kann. Derjenige fährt dann schnell zur Tankstelle, wo es interessanter Weise von Puntigamer im Sixpack nur „Panther“ gibt, eine eigene Sorte, benannt nach dem steirischen Wappentier. So kommt es, dass der Panther – mittlerweile zum Song gewordener – fester Bestandteil unserer Proben ist, obwohl er uns gar nicht so gut schmeckt.

Und überhaupt: Wie wichtig ist Bier für euch?
Joschi: So wichtig, dass wir bandintern, wenn wir von einer mehrwöchigen Tour träumen, ewig diskutieren, ob wir eine solche Tour hinsichtlich exzessiven Bierkonsums überhaupt durchhalten würden.
Mo: Man sollte auf seinen Körper achten können, ohne dabei auf seine Laster verzichten zu müssen. Allerdings hat noch keiner von uns ein Konzert unter drei Krügerl gespielt. Von den Backstage- und Bandbus-Eskapaden ganz zu schweigen.

Und wie wichtig sind Lieder über Bier?
Joschi: Auf dem neuen Album sind zwei Songs, unter anderem eben „Panther“, die sich dem Thema widmen, und auf dem alten Album einer. Also liegt die Wichtigkeit bei 15%, wenn ich mich nicht verrechnet habe, haha.

Apropos Bier: Bei eurem Song „Tagrausch“ auf dem aktuellen Album unterstützt euch Marco Pogo von TURBOBIER.
Mo: Genau. Unser Produzent, Freund und guter Geist Tom Zwanzger, bei dem wir unser erstes Album „Zebra“ aufgenommen haben, und mit dem wir auch schon unser nächstes Album planen, arbeitet oft mit dem TURBOBIER-Frontmann zusammen. Bei einer Studiosession wurden wir einander vorgestellt. Als wir Marco „Tagrausch“ vorgespielt haben, hat der nicht lange gezögert und seine Punkrock-Röhre sprechen lassen. Damit, dass ihm diese Saufnummer gefallen würde, war ja irgendwie zu rechnen.

Er ist ja auch politisch tätig. Könntet ihr euch vorstellen, in Graz für seine Bierpartei anzutreten?
Mo: Eine Überlegung wäre das sicher wert, haha. Aber nein, das würde dann doch eher nicht zu uns passen. Was Marco Pogo da in Wien und darüber hinaus aufgezogen hat, ist absolut bewundernswert und lässig. Aber diese politische Schiene ist ganz klar sein Ding. Hier auf Grazer TURBOBIER zu machen, würde uns dann doch unpassend erscheinen. Auch wenn es uns immer ein Anliegen war, mit unserer Musik politisch zu sein, heißt das ja nicht automatisch, dass man auch in die Politik gehen muss.
Joschi: Ich als alter Sozi hätte es auch schwer in einer Satire-Partei, haha.

Apropos: Wie wichtig ist euch Politik?
Mo: Immens. Wir würden sogar sagen, dass es keinen Punkrock ohne Politik geben kann. Also, auf ANNA ABSOLUT trifft das in jedem Fall zu.

Und wie wichtig sind Lieder über Politik?
Mo: Unfassbar natürlich. Immerhin war bei unser Gründung 2018 die aktuelle politische Lage in Österreich einer der Hauptgründe, warum wir wieder zu den Punk-Gitarren griffen. Die Situation war damals mit einer dezidiert rechten Koalition, in der selbsternannte Bürgerliche versuchten, mit offenkundigen Deutschnationalen den Staat zu führen, ziemlich bedenklich. Die Kacke war am Dampfen und der aufkeimende Faschismus wieder salonfähig. Über die Musik wollten wir uns damals Luft verschaffen und diese Bedenken nicht nur thematisieren, sondern das auch kritisieren. Und auch wenn sich die politische Lage quer durch unser Land und Europa seither wieder etwas verändert hat, so gibt es weiterhin Entwicklungen, die zum Kotzen sind. Da wollen wir mit der Musik natürlich dranbleiben.
Joschi: Außerdem sorgen politische und gesellschaftspolitische Themen immer für Material. Man hört die Nachrichten, es rattert, man macht sich Gedanken, die ersten Zeilen geistern einem durch den Kopf und sobald die Gitarre griffbereit ist, wird ein Song gebastelt.

Ihr habt ja durchaus einige recht direkte Songs auf dem neuen Album.
Mo: Wir beschäftigen uns in und abseits unserer Proben stark mit der Frage, wie sehr man als Musiker etwas beitragen oder gar verändern kann – im politischen und gesellschaftlichen Sinne. Man muss sich da natürlich die Kritik gefallen lassen, man sei nicht in der Position, kapitalistische Strukturen anzuprangern, wenn man selbst irgendwie ein Teil dieses Systems ist. Und auch was das Aufkeimen der Rechten und damit einhergehend des Faschismus in Europa betrifft, sieht man sich natürlich hie und da damit konfrontiert, belächelt zu werden. So im Sinne: Was sollen denn eure paar Akkorde mit einer provokativen Message bewirken? Trotzdem darf man nicht vergessen, dass auch dabei gilt: Jeder Tropfen, der hier entgegenwirkt, bewirkt etwas und wenn es das ist, dass sich die Leute auf deinem Konzert verstanden und nicht alleine fühlen. Es ist jedenfalls schön, dass unsere gewollte Direktheit in den neuen Songs rüberkommt. Schließlich pflegen wir ja auch live eine druckvolle und aussagekräftige Bühnenpräsenz, die sich nicht zuletzt in klar politischen Statements äußert.
Joschi: Dennoch haben wir auch einige weniger direkt politische oder sozialkritische Songs. Über „Windows me“ wird in Reviews beispielsweise oft behauptet, dass es eine Art Hymne auf das schlechteste Betriebssystem aller Zeiten sei. Dabei strotzt der Song eigentlich nur so vor Politik und Sozialkritik.

Abgesehen von Bier und Politik, womit beschäftigen sich ANNA ABSOLUT sonst so in ihren Songs?
Mo: Inhaltlich gibt es bei uns eigentlich keine Grenzen. Nicht umsonst bewegt sich unsere Musik auf der einen Seite zwischen Indie und Punk, auf der anderen Seite zwischen Ironie und Schicksal hin und her. Was so viel heißt wie: In unseren Texten kann alles oder nichts stehen, manches hat eben einen kritischen oder melancholischen Anstrich, anderes eher einen humorvollen. Ob Lieder über Fernweh, die Liebe, den Hass oder eben ein Windows-Betriebssystem: Wichtig ist uns dabei weniger, dass es in eine thematische Schiene passt, sondern vielmehr, dass es textlich ansprechend aufbereitet wird.

Das neue Album ist im Gegensatz zum Pop-Punk-lastigen Debüt „Zebra“ eher rauh und straßenpunkig. Warum?
Mo: Zum einen, weil wir diesmal bei der Aufnahme auf das professionelle Studio unseres Produzenten Tom Zwanzger verzichtet haben. Alles wurde in Eigenregie in unserem Proberaum, zu Hause oder in einer Almhütte in den Kitzbüheler Alpen in Tirol während unseres Bandurlaubes aufgenommen. Mixdown und Mastering haben wir dann aber auch für diese Platte wieder Profis überlassen. Zum anderen wollten wir bewusst etwas weniger poppig und etwas dreckiger, ruppiger sein. Die Songs auf „2x3“ vertragen das.

Wo seht ihr eure Einflüsse? Pop- oder Deutschpunk? TOXOPLASMA oder TERRORGRUPPE?
Joschi: Auch wenn jeder von uns privat Unterschiedlichstes hört, sind ANNA ABSOLUT stark vom Deutschpunk beeinflusst. Seit ich mit 13 mit meinem Vater bei der „Unrockstar“-Tour von DIE ÄRZTE war, bin ich dem deutschsprachigen Punk verfallen. Zur damaligen Zeit musstest du dich in den Grazer Plattenläden mit dem zufrieden geben, was eben da war. Dort fand ich dann den legendären „Nazis raus!“-Sampler. Neben SLIME oder ... BUT ALIVE waren da natürlich auch TOXOPLASMA mit „Träumer“ oder TERRORGRUPPE mit „Lebenslauf“ vertreten. Beim nächsten Mal stand da plötzlich eine „Punkrock BRD“-Box und so wurde das Universum je Band um einen weiteren Song erweitert. Irgendwann kamen dann Mailorder in mein Leben und vom Taschengeld wurde das bestellt, was mich besonders faszinierte. Mo, Felix und ich waren ja auf der gleichen Schule, so haben wir uns die CDs untereinander geborgt. Später konntest du dann im Stream alles nachhören, wofür das Taschengeld früher nicht reichte. Kurz: Anna hat eine gehörige Portion Punk, vor allem Deutschpunk, abbekommen. Die Kombination mit den vielen anderen musikalischen Einflüssen und Werdegängen von uns vieren, macht dann am Ende ANNA ABSOLUT aus.