BAYSIDE

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Zeit für die richtig große Beförderung

Mittlerweile zu einer der Emo-Rock-Institutionen aufgestiegen, haben BAYSIDE aus Long Island mit „Interrobang“ (die englische Bezeichnung für ein sogenanntes Fragerufzeichen) mal wieder ein Album für die Ewigkeit veröffentlicht. Das Erstaunliche daran ist, dass es die Männer um Anthony Raneri und Jack O’Shea regelmäßig schaffen, Platten zu schreiben, die absolutes Lieblingsalbumspotenzial haben. Wieso das nicht allein an Anthonys Stimme liegt, welche Stärken und Schwächen „Interrobang“ in sich trägt und wie wichtig manchmal auch der erste Eindruck ist, erklärt Gitarrist Jack im folgenden Gespräch.

Jack, wäre „Interrobang“ zum Bewerbungsgespräch eingeladen, für welchen Job würde sich das Album überhaupt bewerben?


Ich würde sagen, dass der Job eines Geschäftsführers sehr gut zum Album passen würde. In der Vergangenheit sind wir viel zu bescheiden mit unseren Fähigkeiten umgegangen und jetzt wird es Zeit für die richtig große Beförderung.

Was qualifiziert „Interrobang“ für diesen Job? Wie würde sich das Album selbst beschreiben?

Es ist auf jeden Fall fokussiert und dennoch chaotisch, intensiv und gleichzeitig hektisch, ohne jedoch den Zweck hinter allen Dingen aus den Augen zu verlieren. Alles, was auf „Interrobang“ zu hören ist, alle die Ecken und Kanten sind sorgfältig geplant worden.

Was kannst du, „Interrobang“, über deine Geschichte erzählen und welchen Einfluss hat deine Vergangenheit auf deinen Entwicklungsprozess gehabt?

Um ehrlich zu sein, bin ich das Produkt aus dem, worauf BAYSIDE seit zwanzig hingearbeitet haben. Hinter mir liegen fast zwei Dekaden Selbstreflexion und Arbeit mit dem Ziel, die beste Version meiner selbst zu sein. Anthony und ich sind dieses Mal mit der Intention, sowohl die Grenzen unserer Fähigkeiten auszureizen als auch uns als Songwriter noch weiter zu entwickeln, an die Produktion herangegangen. Ich denke, dabei ist ein sehr spannendes und abwechslungsreiches Album entstanden.

In einem Bewerbungsgespräch dürfen natürlich die Standardfragen nicht fehlen. Starten wir mit den Stärken von „Interrobang“.

„Interrobang“ ist ein Album ohne große Spielereien und vor allem ohne irgendwelchen unnötigen Bullshit. Es ist das Produkt aus einer Vision beziehungsweise einer vorgegebenen Richtung und harter Arbeit. Ich würde sogar sagen, dass diese Platte selbst ihre größte Stärke ist.

Wo Stärken sind, gibt es auch Schwächen. Welche davon würdest du „Interrobang“ eingestehen?

Spontan würde ich sagen, dass wir wahrscheinlich eine größere Reichweite hätten, würden wir Make-up tragen oder wären wir jünger. Ob das jedoch Schwächen sind, würde ich mal so im Raum stehen lassen.

Wenn man sich das Artwork zu „Interrobang“ anschaut, entsteht der Eindruck, dass es eine sehr vielseitige Platte sein müsste. Welche Bedeutung hat der erste Eindruck für dich, wenn es um Musik geht?

Manche Dinge wirken sofort. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass gerade die Sachen, die mehr Aufmerksamkeit oder eine genaue Betrachtung erfordern, auch länger hängenbleiben. Nicht umsonst gibt es ja die Bezeichnung „No brainer“. Wenn wir das Ganze auf „Interrobang“ beziehen, denke ich, dass hier mehr Substanz drinsteckt und dass die Platte hoffentlich auch einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Kannst du dich noch an das letzte Mal erinnern, als du nachhaltig begeistert warst? Gibt es im Moment irgendein Kunstwerk, das du nicht mehr aus dem Kopf bekommst?

Mich beeindruckt jede Form von Kunst im Grunde jeden Tag. Es gibt scheinbar eine nie versiegende Quelle an talentierten Künstlern, die etwas Bedeutendes kreieren. Dazu kommt noch, dass wir durch die moderne Technologie unbegrenzte Möglichkeiten haben, uns selbst zu verwirklichen. So kann eigentlich jeder Bilder malen, Filme drehen, Fotos, Musik oder Literatur erschaffen. Jeden Tag erscheint so viel neuer Content, auch wenn es nur ein Foto, ein Ausschnitt eines Songs oder ein Meme ist. Bei der ganzen Masse sticht immer etwas heraus, das unsere Aufmerksamkeit weckt und uns zu einer Antwort verleitet.

Machen wir einen Sprung in die Vergangenheit und betrachten wir von dort aus die Gegenwart: Würdest du sagen, dass du auch mit der Veröffentlichung von „Interrobang“ deine selbstgesteckten Ziele und Träume realisiert hast?

Wenn ich darüber nachdenke, würde ich schon sagen, dass ich erstaunlicherweise all das geschafft habe, was ich mir als Teenager mal vorgenommen habe. Mit meinem jetzigen Wissen und den Erfahrungen, die ich gemacht habe, ist es wichtig, sich ständig neue Ziele zu setzen. Und wenn es nur meine Gitarrenarbeit ist, die ich verbessern möchte. Stillstand ist keine Option und auf die Dauer ja auch sehr frustrierend. Ich bin der Meinung, dass sowohl Scheitern als auch das Wiederaufstehen zum Weg gehört, der uns ans Ziel bringt.

Viele Bands feiern im Moment ihre 20-, 25- oder 30-jährigen Jubiläen und zelebrieren dies mit Konzerten, in denen ihre prägendsten Alben am Stück gespielt werden. Wo siehst du „Interrobang“ in fünf oder zehn Jahren?

Hoffentlich erinnern sich die Leute an „Interrobang“ als das beste BAYSIDE-Album – zumindest bis das nächste veröffentlicht wird. Natürlich hat jede Band Alben, die bei vielen besonders hängengeblieben sind. Ob diese zehn Songs dazugehören, müssen andere für uns sowie die Zeit entscheiden. Schließlich sind wir noch lange nicht fertig.

Wenn du für einen Tag in den Körper einer anderen Person schlüpfen könntest, auf wen würde deine Wahl fallen?

Ich würde Judge Reinhold nehmen, den viele wahrscheinlich aus den „Beverly Hills Cop“-Filmen an der Seite von Eddie Murphy kennen.

Kommen wir zu letzten Frage zur Perspektive von „Interrobang“: Denkst du, dass es das Album sein wird, das zuerst genannt wird, wenn es um eure Band geht?

Ich bin definitiv überwältigt von der positiven Resonanz, die wir seit der Veröffentlichung bekommen haben. Unsere Fans sind extrem loyal und unterstützen uns unheimlich. Ich kann jedoch nur sagen, dass dieses Album die beste Repräsentation von BAYSIDE ist, bis wir noch mal eins draufsetzen. Ich hoffe sehr, dass „Interrobang“ den Leuten beweist, dass diese Band jederzeit dazu bereit ist, ihr Bestes zu geben – zu jedem Zeitpunkt unserer Karriere.