Cover-Ikonen

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MISFITS - Horror Business (7“, Plan 9, 1979)

„Am 28. Februar 1979 begaben sich die MISFITS mit einem mobilen Aufnahmegerät in ein verlassenes Spukhaus im Norden von New Jersey. Sie machten ihre Aufnahmen und verließen den Ort wieder. Als sie die Tapes später in einem New Yorker Studio abmischten, waren seltsame Stimmen und Dröhnen im Hintergrund zu hören. Weder die Band noch die Aufnahmecrew konnten sich diese Geräusche erklären.“

Eine Selbstparodie? Gewiss auch. In erster Linie versuchten die MISFITS mit dieser, einigen Exemplaren ihrer dritten auf Glenn Danzigs Label Plan 9 aufgelegten Single beigefügten Erklärung aber eine Ausrede für die miese Aufnahmequalität der Platte zu finden. Gitarrist Bobby Steele erinnert sich rückblickend gleich an mehrere tatsächliche Auslöser.

Grund 1: Am ersten Aufnahmetag war Steele pünktlich im Studio, der Rest der Band kam mehrere Stunden zu spät, also bediente sich Steele an der Minibar und war während mancher Takes nicht ganz Herr seiner Sinne. Grund 2: Man nahm live auf, Retakes, Overdubs etc. waren streng verboten, außerdem standen die Amps von Bobby, ein lausiger Musicman, und Bassist Jerry Only, ein leistungsstarker Akustikverstärker, einander während der Aufnahmen ohne jegliche physische Trennung nahezu direkt gegenüber. Grund 3: Das Mischen fand unmittelbar nach dem Tod von Sid Vicious statt, für dessen Begleitung bei seinem anstehenden Soloprojekt die MISFITS hoch im Kurs standen, was die Band mit diversen berauschenden Substanzen zu vergessen versuchte. Ergebnis: „M.U.I. (Mixing Under the Influence)“ mit der Prämisse „so laut wie möglich“. Der basslastige, düstere Sound der Single – die ursprünglich fünf anstelle der veröffentlichten drei Tracks enthalten sollte – entstand demnach bis zu einem gewissen Grad aus einer Verkettung widriger Umstände.

In visueller Hinsicht hingegen wurde nichts dem Zufall überlassen. Auf dem Weg zu einer „glaubwürdigeren Version von KISS“ (Steele) gab das Aufgreifen des mit einem Totenkopf maskierten Oberschurken vom Plakat des Film-Serials „The Crimson Ghost“ von 1946, das Danzig und Only beim Stöbern in einem von NYCs vielen obskuren Kramläden entdeckt hatten, den Startschuss für den makabren bis grotesken Horrorpunk, den die MISFITS von nun an zelebrierten. Neben trashigen Schund-Elementen wie dem roten „Horror“-Schriftzug fanden auch Merkmale des klassischen Punkrock ihren Weg auf das Cover.

Auf dieser Basis entstanden nun in recht schneller Folge die optischen MISFITS-Markenzeichen Ghoul-Maske, Devilock und ein düsteres Äußeres. Sicherlich waren die MISFITS zu dieser Zeit nicht die Einzigen, die mit diesen Dingen experimentierten, auch die CRAMPS, FLESH EATERS, T.S.O.L. und viele andere spielten mit einem ähnlich horrorbeeinflussten Style. Keine der genannten Bands fand allerdings ein so einprägsames und nachhaltig stilbildendes Logo wie den Crimson Ghost, der inzwischen zwar auch seinen Weg in die H&M-Regale gefunden hat, aber nach wie vor auch aktuell noch für einen Fantasieanstoß sorgen kann – GHOST lassen grüßen. In logischer Konsequenz muss man für ein derartig kultig verehrtes Objekt tief in die Tasche greifen. Etwa 500 Euro ist für eines der 2.000 auf gelbes Vinyl gepressten Exemplare der 7“-Erstauflage einzukalkulieren, ein Vielfaches mehr für eine der etwa 20 Fehlpressungen mit doppelter A-Seite oder eins der 25 schwarzen Exemplare einer Promoversion, die im Juni 1979 auf einem THE DAMNED-Konzert an die Presse verteilt wurde.

Hier winkt die große Kohle, Bootlegs gibt es da natürlich reichlich. Und die seit 1979 aktiven Bandmitglieder haben sich in Sachen Nutzungsrechte des Crimson Ghost-Logos auch bereits mehrfach untereinander verklagt. Only hatte sich das Logo als „Fiend Skull“ entgegen anderweitiger vorheriger Abmachungen als Markenzeichen auf seinen Namen eintragen lassen und die kassierten Lizenzgebühren ausschließlich in die eigene Tasche gewirtschaftet. Paramount scheinen inzwischen auch zu wissen, auf welchem Schatz sie sitzen, und verlangen für die Nutzung des Filmposterbilds eine Summe in der Größenordnung einer Halbjahresmiete, wie James Greene Jr., Verfasser der MISFITS-Biografie „This Music Leaves Stains“, feststellen musste. Ein echter Fluch.