DIE ARBEIT

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Eine Intuitionsgeburt

Eine Band, die sich DIE ARBEIT nennt, mit einem Cover, das einen Ziegelstein zeigt, da denkt man schnell an verkopften Diskursrock. Doch die Dresdener Band erweist sich im Interview als einerseits durchaus konzeptionell orientiert, aber auch als erfreulich geerdet und zugänglich. DIE ARBEIT, das sind Maik Wieden (voc, gt), Uwe Hauptvogel (gt), Benjamin Rottluff (bs) und Marius Jurtz (dr).

Sowohl euer Name als auch der Albumtitel und das Artwork – ein Ziegelstein vor neutralem Hintergrund – wirken recht konzeptionell. Absicht, Zufall ... Konzept?

Maik:
Konzept könnte man denken auf den ersten Blick. Auch auf den zweiten. Aber da kam irgendwie eins zum anderen. Erst der Name, dann der Albumtitel, dann das Artwork. Neue Songs nennen wir oft Arbeitstitel 1, 2, 3... etc. So kamen wir irgendwann zum Bandnamen. „Material“ war dann eine Intuitionsgeburt. Ich habe das Wort beim Produzieren in eine Songpassage gebrüllt, weil es genau dahin passte. In so einem Projekt mit so einem Namen wird man zwangsläufig auch zum Arbeiter und beginnt innerhalb dieser Begrifflichkeiten zu denken und zu handeln. Musikalisch und grafisch. Wobei wir inhaltlich weit entfernt sind von einem Konzeptalbum. Die Songs bauen weder in irgend einer Weise auf einander auf, noch führen sie dramaturgisch zu einem bestimmten Ziel.

Ihr kommt aus Dresden. Wie ist eure Verwurzelung dort, in welchem Szenekontext bewegt ihr euch, und wie gut oder schlecht ist es da für eine Band wie eure?

Marius:
Ich nehme die Musikszene in Dresden als sehr heterogen wahr. Es gibt kleine Peergroups, die hier und da Schnittmengen haben, sich aber auch gern untereinander abgrenzen. Ich habe uns nie als Teil einer Szene gesehen, vielleicht da ich selbst auch kein Bedürfnis verspüre, mich einer größeren Einheit unterzuordnen. Wir erreichen mit unserer Musik den Straßenpunk, den Goth, aber auch den alternativen Papa, der vor 20 Jahren oft in Clubs unterwegs war. Zudem kann sich quasi jedes verkopfte Individuum wundervoll in unserer Musik verirren. Alles Menschen, mit denen wir was anfangen können. Es besteht also überhaupt kein Bedarf, da jemanden auszuschließen.

Promotionseitig lockt man per Namedropping mit Namen wie MESSER, DIE NERVEN, ISOLATION BERLIN und JOY DIVISION sowie DAF und FEHLFARBEN. Sind das eure hiermit geouteten Favoriten oder unautorisierte Vergleiche ohne realen Hintergrund?

Maik:
Ich weiß nicht, ob ich das „locken“ nennen möchte. Diese Bands machen großartige Musik und atmosphärisch passen einige unserer Songs gut dazu. Wenn es um Atmosphäre geht, lässt sich die Liste noch erweitern. Ich denke, hier geht’s viel mehr um Zuordnung. Ein von außen sehr geschätztes Instrument, um zu wissen, woran man ist. Das in einem gewissen Kontext zu erwähnen, kann manchmal ganz hilfreich sein. Aber grundsätzlich empfinde ich unsere Musik unvergleichlich verschieden.

Marius: Der Mensch sucht nach Mustern und Ähnlichkeiten. In der Flut von Informationen ist es hilfreich, dem Suchenden Anhaltspunkte zu geben. Wir denken, dass Hörer dieser Bands uns mögen könnten und möchten es ihnen und der Presse erleichtern Zusammenhänge herzustellen. Wenn man uns als Einzelpersonen nach unseren Favoriten fragen würde, würden vermutlich nur teilweise diese Bands genannt werden. Aktuell prägen Messer, Die Nerven und Isolation Berlin einen deutschsprachigen Stil, den wir sehr spannend finden. Ich denke aber nicht, dass wir ihnen musikalisch sehr ähnlich sind, wir ergänzen deren Angebot an Menschen, denen Radio-Pop zu langweilig und typischer Punk zu roh ist.

Ihr werdet an der gleichen Stelle beschrieben mit „Gefertigt wie in einer Werkstatt, installiert das Quartett seine eigene Gesellschaftskritik inmitten eines kapitalistischen Trümmerhaufens. Ein oszillierendes Erweckungserlebnis zwischen Aufbauen und Abreißen.“ sowie „Prügel für die manipulative Megamasse. Gerichtet wird mit zärtlicher Gewalt. Heute werden Ideen gemacht.“ DIE ARBEIT – eine Band mit politischem Anspruch, der Soundtrack zu Extinction Rebellion und Fridays for Future ... und wie wird das textlich und praktisch eingelöst?

Maik:
Wir sind nicht da um irgendetwas einzulösen. In einer Werkstatt fertigen die meisten Menschen etwas mit Plan oder nach Anleitung. Bei uns ist das anders. Wir schmeißen die Geräte an und lassen uns selbst überraschen, ob etwas Brauchbares dabei rauskommt. Ich bin ein großer Freund des zivilen Ungehorsams und mag es, unkonventionell zu arbeiten. Was dadurch entsteht ist weniger konstruiert und wird zu einem Zufall, der im besten Fall genügend Ästhetik besitzt, um uns zu fesseln. Wir alle haben einen anderen Background und der fließt beim Musikmachen mit ein in den Sound, in den Text. Politische Motive ebenso wie ganz intime Gefühle. Dabei ist es wichtig, dass es schiebt. Mit rein intellektuellen Konstrukten können wir nichts anfangen.

Marius: Jeder Mensch ficht in seinem Inneren Kämpfe aus, um herauszufinden, wie er sich zu bestimmten Dingen positionieren soll. Emotionen, rationale Argumente und Erfahrungen prügeln sich um die Deutungshoheit und je nach Wesensart setzt sich das eine oder andere häufiger durch. Genauso ist es mit der Band. Vier Menschen, vier Perspektiven, wir reden viel, halten dann die Klappe und machen Musik. Wenn am Ende der Eindruck entsteht, wir würden einen Soundtrack liefern wollen, ist das so. Es ist aber nie das Ziel, nie der Antrieb für unsere Kunst. Jeder in unserer Band hat Augen und Ohren für die unterschiedlichsten politischen oder gesellschaftlichen Themen. Es ist daher unvermeidbar, dass man uns das als Band anmerkt.

Ihr habt mit einer Tanzgruppe bei Performances zusammengearbeitet, Material von euch wurde für eine Filminstallation verwendet – woher kommt diese Schnittstelle zur Kunst? Viele Bands sind ja eher eindimensional in klassischen Rockmusikstrukturen unterwegs.

Maik:
Genau genommen gehört Musik zur Kunst wie Kotze auf den Bordstein. Unsere Existenz ist eine permanente Schnittstelle und als Musiker bist du, zumindest hier in Dresden, auf dem Kunstradar anderer Künstler. Die Möglichkeiten von Kunst sind unendlich. Mit anderen Künstlern zusammen zu arbeiten gibt mir die Möglichkeit, andere künstlerische Perspektiven kennen zu lernen und die eigene Arbeitsweise zu verändern. Eindimensionalität passt nicht zu meiner Lebenswelt und ist schon rein physikalisch ein ziemlich begrenzter Holzweg. Marius, Uwe und ich waren 2013 für eine Woche im Bauhaus Dessau. Wir hatten da zusammen mit Tänzerinnen, Autoren und Schauspielern ein Theaterstück für das ZDF inszeniert und aufgeführt. Abgesehen von der Anziehungskraft des Hauses haben wir erlebt, wie fruchtbar es sein kann, wenn Künste sich ergänzen.

Marius: Ich bin in meiner Kindheit oft in Theatern und Proberäumen unterwegs gewesen. In meiner Familie gibt es Musiker, Maler und einen Regisseur. Für mich hat es einen besonderen Reiz, sich an einem sonnigen Tag in einen fensterlosen Raum zu begeben, um mit Menschen unterschiedlichen Backgrounds intensiv an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten.

Ihr lasst euch, wie jedes Jahr ein paar Dutzend andere Bands auch, von der Initiative Musik fördern. Warum habt ihr euch dafür entschieden, was müsst ihr dafür tun, was erhofft ihr euch davon?

Maik:
Weil wir uns das Album sonst gar nicht leisten könnten, und die meisten Leute, die für uns einen guten Job machen, auch entsprechend dafür bezahlen möchten. Das fängt beim Mixen des Albums an und hört irgendwo bei einer Promoagentur auf. Was wir dafür tun müssen, ist relativ überschaubar. Vor allem müssen wir aufpassen, dass wir keine wichtigen Quittungen verlieren.

Letzte Frage: Wie steht ihr zum in Punkrock-Kreisen gern postulierten und einst von der APPD zum Wahlslogan erkorenen Statement „Arbeit ist Scheiße!“?

Maik:
20 Kilo Pfandflaschen wegbringen finde ich auch nicht prickelnd. Dagegen hat der Barmensch in der Punkrockkneipe einen richtig lustigen Abend. Ich sehe Arbeit nicht als Gegenentwurf zur Freizeit an, sondern als das Gleiche.

Marius: Wenn Arbeit bedeutet, 40 Stunden fernab von Freude etwas zu tun, was man nicht mag, nur um zu bezahlen, was man nicht braucht, hat die APPD sicher recht. Wenn Arbeit bedeutet, sich wochenlang mit geliebten Mitmenschen in einem Raum einzuschließen, um Musik aufzunehmen, dann kann ich nur vehement widersprechen.