FACING THE GALLOWS

Foto© by Michael Bell

My scene

So, jetzt überlegen alle mal, wieviele Südafrikanische Bands man so im Plattenschrank hat. Wenn bei euch da genauso gähnende Leere wie bei mir herrscht, bekommt ihr jetzt mit FACING THE ­GALLOWS die Chance, diese Lücke zu schließen. Wir sprechen mit Gitarrist Chase und Bassist Ray über die Probleme und Möglichkeiten, als Metalband in Südafrika zu existieren.

Ich habe mir mal alte Ausgaben des Fuze vorgenommen und versucht, darin Bands aus Süd­afrika zu finden. Ich fand keine. Und dann habe ich darüber nachgedacht, wie viele Bands aus Südafrika ich kenne, mir fiel aber nur DIE ANTWOORD ein. Da drängt sich die Frage auf: Wie groß und international ist die Punk-, Metal- und Hardcore-Szene in Südafrika?

Chase: Oh, das ist ja super, dass wir die Ersten sind! In den letzten Jahren hat sich Südafrika auf der internationalen Ebene wirklich gemacht. Wir haben ein paar solide Promoter, die einige sehr coole Acts herbringen, und wir haben Bands wie VULVODYNIA, die es letztes Jahr geschafft haben, auf allen Kontinenten zu touren, glaube ich zumindest. Es gibt also ein paar sehr engagierte Leute bei uns, wir haben einige großartige Festivals mit 3.000 bis 15.000 Besuchern, aber das sind fast immer Veranstaltungen mit Vertretern unterschiedlicher Genres.
Ray: Ich finde es lustig, dass der bekannteste Export von Südafrika DIE ANTWOORD sind – da es so viele großartige Bands gibt, die wir zu bieten haben. Die Szene hier ist in einem stetigen Tempo gewachsen, aber leider tendieren die meisten Bands dazu, sich mit lokalen Auftritten zu begnügen und nicht wirklich auf internationale Präsenz zu drängen, denn es ist für Bands grundsätzlich schwierig, den Äquator zu überwinden. In den letzten fünf Jahren oder so haben wir einen Zustrom internationaler Künstler auf Südafrikatour erlebt, und damit auch einen Anstieg der Beliebtheit von Live-Shows. Wir haben hier einige Killer-Festivals, die teilweise an abgefahrenen Locations stattfinden. Die kleineren Shows neigen dazu, mit den Trends abzuflauen. Wir haben regelmäßig damit zu tun, dass Veranstaltungsorte geschlossen und neue eröffnet werden, aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Insgesamt hat die alternative Musik eine ziemlich großartige Anhängerschaft und die wird in den kommenden Jahren weiter wachsen.

Ich glaube, Leute aus Europa oder den USA neigen dazu, Afrika generell zu ignorieren, wenn es um Metal und Hardcore geht, ist das auch eure Erfahrung? Existiert die Szene bei euch „unter dem Radar“ des internationalen Musikbetriebs?
Chase: Ja, ich denke, die südafrikanische Szene ist im Verhältnis zum Rest der Welt ziemlich unsichtbar, aber wir haben ein paar Bands an der Metal- und Hardcore-Front, die in die internationale Szene durchbrechen, etwa VULVODYNIA oder PEASANT.
Ray: Ich würde sagen, das ist wahr, vielleicht nicht ignoriert, aber übersehen, da viele Leute international nicht wissen, dass Afrika überhaupt eine Musikszene hat. Tourneen sind eine große Sache, bei der man sich massiv exponiert. Und da hilft es nicht, dass wir so weit weg von allem leben. Es ist nicht so, dass wir in einen Bus oder Van einsteigen und losfahren könnten. Wir müssen 17 Stunden lang fliegen, bevor wir überhaupt internationale Ufer erreichen. Du kannst nur so viel wie möglich online machen, bevor du die Chance hast, den Leuten persönlich zu zeigen, was deine Band wirklich zu bieten hat!

Glaubt ihr, dass ihr härter arbeiten müsst als eine Band aus den USA, Deutschland oder Australien, um nationale oder internationale Aufmerksamkeit zu erlangen?
Chase: Ich denke ja und nein, heutzutage sind die meisten Leute online. Wenn also deine Musik online ist und die Leute finden, dass sie gut ist, werden sie auf euch aufmerksam werden. Wir müssen insofern „härter“ arbeiten, als dass das Equipment für uns hier teurer ist, ebenso die Flüge von Südafrika in die USA und nach Europa, von den Wechselkursen ganz zu schweigen.
Ray: Auf jeden Fall haben die genannten Länder bereits eine gut entwickelte Szene und erprobte Tourrouten. Südafrika hat noch einen langen Weg vor sich, um dieses Niveau zu erreichen, auch hier ist der Reiseaspekt ein großes Handicap für uns. Der Wechselkurs ist brutal, vor allem im Hinblick darauf, dass er stark schwanken kann.

Ihr habt letztes Jahr auf dem Wacken gespielt. Wie kam es dazu und was hat sich dadurch für euch als Band verändert?
Chase: Wir hatten das Glück, ausgewählt zu werden, Südafrika beim Wacken Metal Battle zu vertreten. Das hat uns wirklich umgehauen! Zu sehen, wie ein Festival dieser Größe so reibungslos abläuft, auf der ursprünglichen Wacken-Bühne zu spielen und nach dem Festival noch JINJER für einige Shows zu begleiten, das hat uns die Welt bedeutet. Auf dem Weg nach Wacken trafen wir auch die Leute von Out Of Line Music, die jetzt unser Label sind. Wir als Band wurden durch diese Tournee zu einer viel stärkeren Einheit, und wir arbeiten daran, so bald wie möglich wiederzukommen!
Ray: Das Wichtigste war, dass wir die Chance hatten, uns mit Out Of Line zu treffen. Aber es war auch für uns persönlich wichtig, mal auf diesem Niveau zu spielen und zu sehen, wie das Publikum in Übersee auf uns und unsere Musik reagiert. Wir mussten wissen, dass wir als Band es tatsächlich schaffen können, und das Ganze hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wie würdet ihr die Erfahrung hier zusammenfassen? Ich glaube, es war das erste Mal, dass ihr im Ausland gespielt habt, oder?
Chase: Ja, es war das erste Mal, dass wir als Band in Übersee gespielt haben, und für einige von uns war es der erste Aufenthalt überhaupt in Europa. Wir haben jede Sekunde davon genossen! Wir haben im Vorfeld versucht, so viel wie möglich darüber zu erfahren, wie eine Tour dort abläuft, wie die Crews und die Ausrüstung funktionieren und so weiter. Deutschland ist ein erstaunliches Land, mit unglaublich freundlichen Menschen und tonnenweise gutem Bier!
Ray: Ja, das war das erste Mal, dass wir international spielten, das Weiteste bisher war Botswana. Eine der denkwürdigsten Erfahrungen in unserer Bandkarriere. Vom ersten Tag an war es ein Traum von uns, international eine Chance zu bekommen, und zu sehen, wie dieser Traum wahr wurde, war unglaublich. Es war eine einmalige Gelegenheit, der Welt zu zeigen, dass wir hier sind.

Ihr seid jetzt bei einem deutschen Label unter Vertrag: Welche Hoffnungen und Erwartungen sind damit verbunden? Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Chase: Das ist noch ein Traum, der wahr geworden ist, und etwas, worauf wir schon lange hingearbeitet haben! Wir haben ein Label gebraucht, das uns hilft, die Distanz zu überwinden, uns auf der anderen Seite der Welt zu vermarkten und etwas Aufmerksamkeit zu erregen. Es ist unglaublich, mit Out Of Line zusammenzuarbeiten und einige sehr erfahrene Mitarbeiter im Team zu haben, wir könnten also nicht glücklicher sein. Unsere Pläne für die Zukunft bestehen darin, das bestmögliche Album aufzunehmen, um dann wieder in Europa zu touren und hoffentlich auch einige Festivals zu besuchen.
Ray: Wie bereits erwähnt, ist es für südafrikanische Bands schwierig, international in irgendeiner Form bekannt zu werden. Die Unterzeichnung des Vertrags mit Out Of Line bringt uns der Überbrückung dieser Kluft einen Schritt näher und unsere Musik zu den richtigen Leuten in Ländern, die wir alleine nicht erreichen könnten. Die Pandemie hat uns leider davon abgehalten, auf Tournee zu gehen, und wir haben einige Gelegenheiten verpasst, zum Beispiel beim Summer Breeze Festival in Deutschland zu spielen, aber wir hoffen, dass die Dinge in naher Zukunft besser werden. Aber wir werden garantiert hart an den Online-Inhalten und Streams arbeiten, um das Feuer aufrechtzuerhalten, bis wir wieder eine eurer Bühnen entern können.