FERRIS MC

Foto© by Martin Fischer

Der Punk-Rapper

Eigentlich ist Ferris MC hierzulande als Rapper bekannt. Vor allem mit DEICHKIND, aber auch solo feierte er jahrelang im Mainstream Erfolge. 2018 verließ er die für ihre irren Live-Shows bekannte Combo und dockte bei den in Punkrock-Kreisen mittlerweile sehr umtriebigen Swiss und Shocky (SWISS & DIE ANDERN) sowie deren Künstlerkollektiv Missglückte Welt an. Nun folgt mit „Missglückte Asimetrie“ ein Album, auf dem Swiss und Co. mitmischen – und auf dem Ferris plötzlich nicht nur textlicher, sondern auch musikalischer Art harte Töne anschlägt. Im Interview spricht er über seine Verbindung zum Punk und davon, verbrannte Erde zu hinterlassen.

Ferris, der Titeltrack deines neuen Albums „Missglückte Asimetrie“ feiert die asoziale, die Outlaw-Attitüde, die du dir traditionell selber sehr gerne bescheinigst.

Ja. Wobei mehr dahintersteckt. Es ist vor allem eine Mischung aus Ferris 1999 und Ferris 2020.

1999 hieß dein Album nur „Asimetrie“ ...
Genau. Und das, was ich früher als asozial bezeichnet habe, nehme ich jetzt eben mit in die heutige, in die endgültig missglückte Welt. Das passt.

Wie wichtig ist dir nun dieses Outlaw-Ding?
Ich glaube, das ist mir in die Wiege gelegt worden. So zu ticken, das ist Standard für mich. Und ich habe es mir auf den Leib gestrickt. Klar, zwischendurch habe ich schon mal versucht, mich anzupassen und mich in die Gesellschaft einzufügen. Aber das hat nicht funktioniert. Wobei das eher an der Gesellschaft lag, nicht an mir. Ich befinde mich seit jeher in dieser missglückten Welt. In dieser Parallelwelt. Und jetzt bin ich das eben gemeinsam mit der Gang, die an diesem Album beteiligt war: Shocky, Swiss und die anderen. Unter genau diesem Namen.

Missglückte Welt, euer Kollektiv. Codiert als 1323, entsprechend den Plätzen 13 und 23 der Buchstaben „M“ und „W“ im Alphabet.
Genau. Das ist wie früher mit der Mongo Clikke – nur dass es jetzt in ein Punk-Konstrukt eingebettet ist und nicht mehr in ein reines HipHop-Korsett.

Du sprichst von Punk. Und das ist ein gutes Stichwort, denn du bringst – als jemand, der bislang vor allem als Rapper wahrgenommen wurde – in einem der Songs das Wort „Punkrap“ ein. Früher war das mal unvereinbar. Das waren Klassenfeinde.
Mag sein. Aber das war für mich nie von Belang. Wenn man mal ganz weit zurückgeht, so in die Achtziger, dann muss man die BEASTIE BOYS als Act nennen, der mich in vielen Dingen beeinflusst hat. Die waren damals schon in allen möglichen Genres unterwegs und für mich immer schon eher Punk als etwas anderes. Punkrap eben. Und ich habe seit jeher gesagt, dass die HipHop-Attitüde in Deutschland eigentlich eine Punk-Attitude sein müsste. Anders gesagt, für mich war Punk immer das, was der Rap hierzulande sein sollte. Ich war immer der Außenseiter in der hiesigen HipHop-Landschaft und habe dieses „Ich bin der Punk-Rapper“ immer schon zelebriert. Ich habe mich immer schon als Punk gesehen. Ich weiß, es gibt viele Leute, die dieses Schubladendenken zwischen den Szenen haben. Aber ich habe mich noch nie daran beteiligt. Ich mag das gar nicht. Dieses: Du musst das so und so machen, weil die Szene es will. Das hat mich noch nie interessiert.

Du bist also nicht subkulturinteressiert, kann man das so sagen?
Ja. Denn so was schränkt einen in seiner eigenen Freiheit ein. Das widerspricht meinem Wesen.

Das Topos des „ganz unten“ zieht sich neben dem Outlaw-Ding durch deine ganze Biografie als Musiker ...
Ja. Wobei das jetzt quasi wieder rausbricht. Denn das Album davor zum Beispiel, „Wahrscheinlich nie wieder vielleicht“, das ich gemeinsam mit MADSEN rausbrachte, ist nicht unter dem Eindruck dieser missglückten Welt entstanden. Das war eher noch die heile Welt meiner DEICHKIND-Zeit. Finanziell und künstlerisch gesehen. Da hatte ich nichts von Leid zu berichten. Aber die Trennung von DEICHKIND, der Eintritt in diesen Missglückte-Welt-Kosmos infolge vieler Gespräche mit Swiss, den ich schon länger kannte, haben mir noch mal die Augen geöffnet, genau diesen Weg weiterzugehen. Den Weg, den ich eben früher schon eingeschlagen hatte. Swiss sagte mir, dass dieses Leid und die Probleme genau die Dinge seien, für die sich die Leute interessieren. Diese ichbezogenen Geschichten. Nur eben dann auch in einem entsprechend harten, zum Missglückte-Welt-Umfeld passenden Sound. Es war wichtig für mich, wieder an früher anzudocken – und nicht nach irgendwelchen hochaktuellen, aber allgemeinen Themen zu suchen. Deswegen passen wir auch so gut zusammen. Damit musste ich mich aber auch erst mal arrangieren. Mir wurde oft gesagt: Du bist jetzt Ü40 und hast nicht mehr die Erlaubnis, wütend oder nachdenklich zu sein.

Das Wütendsein war dir abhanden gekommen?
Ja. Das lag vor allem an meinem Umfeld. An meinem Ex-Manager zum Beispiel. Der hatte mir immer gesagt: Pass mal auf, Ferris, das geht jetzt nicht. Du kannst jetzt nicht mehr so ticken. Du hast da und dort ohnehin schon zu viel verbrannte Erde hinterlassen. Ich musste erst mal für mich erkennen, dass es genau richtig war, verbrannte Erde zu hinterlassen. Weil das ich war. Ich wäre nicht ich, wenn ich versuchen würde, jemand anderes zu sein. Das musste ich aber erst mal erkennen.

Wer verbrannte Erde hinterlässt, der hinterlässt ja letztlich auch Spuren.
So kann man das sagen. Es war quasi ein unbewusstes Stilmittel von mir, dass ich eben auch manchmal ins Fettnäpfchen getreten bin. Das machte mich aus. Nur dadurch konnte ich lernen.

Was waren die größten Brände, die du gelegt hast?
Ach, da gibt es viele. Das waren bestimmte Interviews, bei denen ich völlig zugedröhnt rüberkam. Austicker im Fernsehen. Generell Gelegenheiten, bei denen ich mich als genau die Persona non grata gab, als die ich auch dargestellt wurde. Aber das war eben trotzdem ich. Das Leben ist ja keine gerade Linie. Es hat Kurven und Ecken und Kanten.

Halten wir fest: „Missglückte Asimetrie“ ist das erste Album seit langem, auf dem du ganz bei dir bist.
Genau. Der Weg dahin hat lange gedauert. Aber man lernt nie aus. Man muss sich fokussieren: Was kann ich? Was kann ich nicht? Und wenn man dann die richtigen Leute am Start hat, kommt die Sache ins Rollen.

In „Sinkendes Schiff“ heißt es: „Die besten Freunde werden zu schlimmsten Feinden“. Gestatte mir die Frage: Auf wen ist das gemünzt?
Haha, ja, der Interpretationsspielraum ist bei diesem Song gegeben ... Ich habe keine Namen genannt, denn ich denke, viele kennen einfach generell dieses Gefühl auf privater musikalischer, geschäftlicher Ebene, dass man sich in einer Freundschaft auf einem sinkenden Schiff befindet. Aber keine der Parteien hat den Mut, das zu beenden. Und dann geht es eben meist ins Dramatische, bis man sich wirklich trennt. Dann wird aus dem Ende mit Schrecken ein Schrecken ohne Ende.

Und die Gegenseite wird einem wieder fremd.
So ist es. Und jetzt mal Butter bei die Fische, haha. Ich beziehe das natürlich auch – aber eben nicht nur – auf DEICHKIND. Mir ist das schlichtweg in allen möglichen Lebensabschnitten mehrfach passiert. Dass ich wieder bei null anfange.

Gegen Ende singst du: „Sorry, kein Sorry.“ Gibt es dennoch etwas, das du bereust?
Da klingt zwar überheblich, ist aber nicht so gemeint: Eigentlich tut es mir nur leid, dass ich manchmal zu viel Zeit und Lebensenergie verschwendet habe in Situationen, in denen ich die Reißleine hätte ziehen müssen. Ich bin, glaube ich, nicht so ein Mensch, der Fehltritte macht, die anderen wirklich wehtun. Dafür habe ich ein zu großes Herz. Ich tue mir also vor allem selber leid, haha.

Du singst auf dem Album auch über Zoff mit den Nachbarn. Wann hattest du den zuletzt?
Das ist ein paar Jahre her. Das war aber nicht in der Wohnung etwas außerhalb von Hamburg, in der ich jetzt mit meiner Familie lebe. Das war auf dem Land. Meine Frau und ich hatten damals die Idee, weiter raus zu ziehen. Uns mal zurückzuziehen. Genau dahin, wo eben angeblich das Spießertum anzutreffen ist. Wir hatten das vorher nicht geglaubt. Aber wir haben festgestellt: Es ist genau so! Vorher hatten wir gedacht, wir seien die Asis, die dorthin kommen. Aber dann haben wir festgestellt: Eigentlich sind die, die dort wohnen, die viel heftigeren Asis. Nur dass sie das nicht so zeigen. Äußerlich wird die heile Welt zelebriert. Im Inneren ist die Welt kaputt. Das war psychomäßig echt krass. Eine Welt, in die wir nicht reinpassten.