GREAT MACHINE

Foto

Krach aus der Wüste Juda

Auf dem Albumcover: ein US-Auto aus den Sechzigern mitten in der Wüste. Darüber prangt in großen, roten Lettern der Titel als Action-Schriftzug: „Funrider“. Alles klar: FU MANCHU, ick hör dir trapsen. Pustekuchen! Wer hier mit Nachschub aus dem kalifornischen Joshua-Tree-Nationalpark rechnet, ist schief gewickelt. THE GREAT MACHINE kommen aus der israelischen Party-Metropole Tel Aviv, leisten dort wichtige Pionierarbeit in Sachen Gitarrenmusik und drücken auf dem Coverfoto in der Wüste Juda aufs Gaspedal. Ihr dreckiger Rock’n’Roll könnte allerdings auch gut von US-Vorbildern stammen. Eine Mischung aus Highspeed-Stoner, Heavy Rock und Nineties-Grunge. Wie sich THE GREAT MACHINE in Israel als Rockband durchschlagen, erzählt Bassist Aviran Haviv.

Im ersten Moment klingt euer aktuelles Album wie eine neue Band aus der kalifornischen Wüste. War das der Vibe, den ihr einfangen wolltet, als ihr vor zwölf Jahren angefangen habt?

Eigentlich nicht. Ich glaube, dass unser Vibe eher in Seattle geboren wurde. Aber ganz langsam sind wir an der Westküste nach unten gerutscht mit unserem Sound. Bis wir irgendwann bei Bands wie KYUSS oder FU MANCHU gelandet sind. Also aus den Wäldern in die Wüste. Unsere Musik ist im Laufe der Jahre langsamer und repetitiver geworden. In unseren Anfangstagen haben wir uns noch mehr an Punk und Grunge orientiert. Die Wüste Juda, die du auf dem Foto siehst, ist in Israel, da haben wir schon einige illegale Partys veranstaltet.

Der Kern der Band besteht aus dir und deinem Bruder Omer. Wann habt ihr angefangen, gemeinsam Musik zu machen?
Als ich zwölf Jahre alt war, hat er mir ein Schlagzeug gekauft. Als vorgezogenes Geschenk für mein Bar Mitzwa-Fest. Er war damals sechzehn und ein Kumpel an seiner Schule wollte sein Drumkit verkaufen, also hat er sofort zugeschlagen, weil er mich als Drummer gewinnen wollte. Aber nach zwei oder drei Jahren haben wir gemerkt, dass es total schwer ist, einen Bassisten zu finden. Und Michael, einer seiner besten Freunde, ist ein exzellenter Drummer. Also bin ich einfach zum Bass gewechselt, damit wir eine Band starten konnten. Außerdem war ich damals bei einem Konzert von VAN HALEN und habe gesehen, wie sie Bungee Jumping auf der Bühne veranstaltet haben. Weil ich das als Drummer nicht machen konnte, war der Bass auch völlig okay für mich, haha. Bisher bin ich einfach nur herumgesprungen, ohne Gummiseil. Ich bin aber optimistisch.

Funktioniert das reibungslos mit deinem Bruder in der Band? Es gibt ja prominente Beispiele wie OASIS oder THE JESUS & MARY CHAIN, wo das überhaupt nicht klappte.
Es ist manchmal nicht einfach, aber es ist die beste Garantie, um die Band zusammenzuhalten. Wir sind in einem Zimmer miteinander aufgewachsen und stehen uns sehr nahe. Wir sind gute Freunde. Ich habe noch andere Projekte, an denen mein Bruder nicht beteiligt ist, mit denen ist es auch nicht einfacher. Bei denen kann ich aber einfach abhauen, wenn ich keine Lust mehr habe. Mein Bruder fordert mich heraus, mich Konflikten zu stellen und sie aus dem Weg zu räumen. Wir sind mit der Musik groß geworden, das machen wir jetzt schon über zwanzig Jahre.

Die erste Show mit THE GREAT MACHINE fand in eurem eigenen Club in Tel Aviv statt. Reality Rehab Center hieß der. Was ist das für ein Club?
Als ich volljährig wurde, sind wir für vier Jahre in ein besetztes Haus nach Berlin gezogen. Damals hatte die Band noch einen Sänger. Als wir nach Tel Aviv zurückgekehrt sind, ist mein Bruder erst mal nach Indien abgehauen und ich habe mit einem Freund diesen Laden mitten in Tel Aviv aufgezogen. Das war ein wirklich sehr merkwürdiger Ort in einem großen Keller. Ich wollte dort etwas Ähnliches aufbauen wie in den Clubs in den besetzten Häusern von Berlin. Als mein Bruder nach einigen Monaten zurückkam, haben wir den Rock’n’Roll dorthin gebracht. Deshalb haben wir dort auch unser erstes Konzert gespielt, mit nur drei Songs und ein paar langen Jams. Das war im November 2011. Der Laden lief dreieinhalb Jahre lang mehr oder weniger illegal. In Tel Aviv ist man Punks oder besetzte Häuser aber nicht gewohnt, deshalb hatte ich irgendwann einen Prozess am Hals. Aber ich habe mir einen guten Anwalt genommen und der konnte erreichen, dass der Fall eingestellt wird. Daraufhin habe ich ganz offiziell Partys in anderen Venues veranstaltet, um meine Schulden bezahlen zu können. Parallel haben wir das Label Reality Rehab gegründet, mit dem wir vor allem israelische Bands unterstützt haben. Und ein Jahr später habe ich dann den nächsten Club namens Funhouse eröffnet, in dem auch Bands aufgetreten sind wie ALL THEM WITCHES oder BONGZILLA. Damit war aber auch bald Schluss und ich bin einen Wohnwagen gezogen, der auf einer Avocado-Plantage stand und dann haben wir auch dort zwei Jahre lang Partys veranstaltet. Mein bislang letztes Venue hieß Ashram, das war wieder in Tel Aviv, in dem haben wir alle zwei Monate in den Pausen zwischen den Lockdowns Konzerte und Underground-Partys veranstaltet. Den habe ich aber inzwischen an ein paar Youngster abgegeben, weil ich mit meiner Familie in den Norden gezogen bin.

Zusammen mit Michael, Omer und deiner Frau Eden hast du noch eine Band. ACID MOON AND THE PREGNANT SUN heißt die. Astreine Hippie-Mucke im Stil der Seventies. Wie kam es dazu?
Das war ein Geschenk für meine Frau. Sie steht einfach auf Bands wie JEFFERSON AIRPLANE oder GRATEFUL DEAD. Das ist wie eine Supergroup der ganzen Szene. Wir sind insgesamt elf Musiker aus sieben verschiedenen Bands. In den ersten drei oder vier Jahren haben wir keinen einzigen Song geschrieben, sondern einfach nur gejammt. Einfach ein paar SANTANA-Riffs und jede Menge Tamburin. Eine Band zum Entspannen, weil jeder für sich seine laute Hardrock-Band hatte. Zusammen wollten wir einfach etwas Leichtfüßiges auf die Beine stellen. Ein reines Freundschaftsprojekt.

Gibt es noch mehr Bands oder Projekte, in die du involviert bist?
Ich habe noch eine weitere Band, die HEAVY STONE heißt. In den vergangenen vier Jahren ist da aber nicht viel passiert. Wir haben bereits eine EP und zwei Alben veröffentlicht. Wir haben es nur nie geschafft, auf Tour zu gehen. Es ist aber eine großartige Band, viel bluesiger als THE GREAT MACHINE. Der Sound geht mehr in Richtung BLACK SABBATH.

Tel Aviv ist weltweit bekannt für sein großartiges Nachtleben. Gilt das auch für die Rock-Szene? Oder wart ihr die Exoten?
Seit ich weggezogen bin, passiert da leider nicht mehr viel. Vor Corona war ich dort für die meisten Partys verantwortlich. Da ging ziemlich viel. Wir haben jede Menge Bands in die Stadt gelockt und mindestens drei Festivals im Jahr in Tel Aviv veranstaltet. Jetzt passieren natürlich immer noch jede Menge Dinge in der Stadt, aber der Sound hat sich geändert. Nach Corona ist die Underground-Rockmusik weitgehend verschwunden, die Punk-Szene ist aber immer noch sehr aktiv. Da gibt es ein paar Leute, die wirklich tolle Dinge auf die Beine stellen. Ein gutes Venue für Rockmusik gibt es in Tel Aviv gerade nicht.

„Funrider“ ist euer erstes Album bei dem Berliner Label Noisolution. Wie seid ihr zusammengekommen?
Vor ein paar Jahren haben wir ein Konzert in der Berliner Bar Supamolly gespielt, dort hat uns eine Mitarbeiterin von Noisolution eine Visitenkarte in die Hand gedrückt und gesagt, sie hätte Interesse an uns. Außerdem sind wir mit der Band COOGANS BLUFF gut befreundet, die sind auch bei Noisolution. Deren Drummer Charlie Paschen hat sogar unser vorletztes Album „Respect“ aufgenommen. Also habe ich Arne von Noisolution die „Funrider“-Aufnahmen einfach über WhatsApp geschickt und wir sind uns schnell einig geworden. Schon nach 24 Stunden hatten wir eine Zusage. Nach meinen vier Jahren in Berlin hatte ich immer noch eine Schwäche für die Stadt und wollte meine Band dort etablieren. Wir sehen uns nicht als reines Projekt aus Tel Aviv, wir wollen uns international aufstellen und ich denke, Berlin ist dafür der perfekte Startpunkt.

Wie sehen eure nächsten Pläne aus?
Wir haben im Mai einige Shows in Deutschland gespielt, unter anderem beim Desert Fest in Berlin. Wir haben die große Ehre, THE MACHINE zu supporten, eine großartige Psychedelic-Band aus den Niederlanden. Das klingt doch super: THE MACHINE und THE GREAT MACHINE. Wir kennen und bewundern diese Band schon seit unseren Anfangstagen. Außerdem stehen wir mit THE DEVIL & THE ALMIGHTY BLUES auf der Bühne und wir haben auch ein paar weitere Headliner-Shows geplant. Wir freuen uns schon auf den Sommer.