GRIM DEEDS

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Aus Routine kreativ

Dustin Umberger alias GRIM DEEDS ist ein absolutes Phänomen: Schließlich hat der kalifornische Ex-Profi-Skateboarder, Lehrer und Pop-Punker mit dem markanten Corpsepaint bereits zig Alben und über 300 Songs veröffentlicht, betreibt nebenbei sein eigenes Label und beweist mit seinen unzähligen Bandprojekten eindrücklich, dass sich hypermelodischer Ramonescore, ein feines Gespür für visuelle Ästhetik und tiefgründige, fast schon schmerzhaft ehrliche Texte keineswegs gegenseitig ausschließen. Er ist definitiv eine Ausnahmeerscheinung in dem sonst so fröhlich-bunten Genre.

Dustin, du bist eine der umtriebigsten Personen in der Pop-Punk-Szene, veröffentlichst mit deinen Bands neue Songs wie am Fließband und betreibst auch noch dein eigenes Plattenlabel. Schläfst du nie?

Der Schlüssel zu meinem Erfolg basiert schon immer auf einer gewissen Routine und im Grunde läuft diese stets darauf hinaus, jeden Tag etwa dreißig Minuten etwas Kreatives zu tun. Das kann zum Beispiel Songwriting, eine Aufnahme, Labelarbeit oder Interviews geben sein. Ich mache das alles nur um seiner selbst willen, weil es mich einfach unglaublich motiviert. Zudem habe ich meinen Workflow so konzipiert, dass ich in weniger als einer Stunde einen kompletten Song aufnehmen, mischen und mastern kann. Wahrscheinlich wirkt das für Außenstehende so, als ob ich viel mehr als der Durchschnitt erreiche. Aber die Arbeit, die ich tatsächlich in einen Song hineinstecke, ist wahrscheinlich immer noch geringer als die unzähligen Stunden, die andere Musiker typischerweise im Studio verbringen. Ich begnüge mich einfach damit, die Projekte nach meinen eigenen Qualitätsstandards umzusetzen. Und dabei muss ich keine Kompromisse eingehen oder die Vorstellungen von Mitmusiker:innen berücksichtigen. Indem ich also alles in Eigenregie mache, bin ich tatsächlich in der Lage, mit weniger Aufwand in kürzerer Zeit mehr zu schaffen.

Du hast mit GRIM DEEDS gerade eine neue EP namens „What Dreams May Come“ veröffentlicht – diesmal sogar mit kompletter Begleitband. Wie gerade erwähnt, bevorzugst du normalerweise das individuelle Arbeiten und spielst lieber alle Instrumente selbst ein. Wie kam es nun zu dieser Zusammenarbeit?
Du hast recht, diesmal hatte ich absichtlich einen etwas anderen Ansatz gewählt. Das Projekt entstand bei Gesprächen mit Eddie von den KOBANES, der gemeinsam mit seinem Bandkollegen Marky nach Möglichkeiten suchte, die Projekte anderer Leute in Markys Studio zu produzieren. Ich hatte einige alte Songs, die ich neu aufnehmen wollte, und so kam eins zum anderen. Es sind alles Liebeslieder, die auf persönlichen Erfahrungen basieren, was ja nicht immer typisch für die Songs von GRIM DEEDS ist. Maria Surfinbird hat übrigens auch zur Aufnahme beigetragen, also handelt es sich im Grunde um GRIM DEEDS mit den KOBANES als Begleitband. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit der EP, sowohl in Bezug auf die Qualität der Aufnahme, als auch auf das exzellente Coverartwork von Jeremy Wray. Ein weiterer Grund, warum ich speziell mit den KOBANES aufnehmen wollte, war mein Wunsch, dem Rest der Pop-Punk-Szene zu zeigen, dass ich sie als Menschen und Mitmusiker unterstütze und sehr schätze. Eddie und Marky hatten in der Vergangenheit einige Konflikte mit anderen Mitgliedern der Szene, die sich dann leider negativ auf ihren Ruf ausgewirkt haben. Also wollte ich zeigen, dass sie echt feine Typen sind und es verdammt cool ist, mit ihnen zu arbeiten – und die Ergebnisse sprechen für sich, wie ich finde.

Die Texte deiner Songs stechen qualitativ besonders hervor, weil sie nicht nur eindimensional oder albern geschrieben sind, wie es im Pop-Punk oftmals der Fall ist. Häufig besitzen sie einen düsteren, sardonischen Unterton und behandeln Themen, die genauso gut im Neunziger-Jahre-Emocore oder im Metal funktionieren könnten. Hast du jemals darüber nachgedacht oder gar versucht, andere Stilrichtungen abseits des Punkrock auszuprobieren?
Ich empfinde Songtexte als eine wichtige Komponente, die nicht leichtfertig vergeudet werden sollte. Und wie du zu Recht sagst, ist das bei Ramonescore tendenziell der Fall – es gibt bestimmte Themen und Motive, die aus Tradition und Nostalgie ständig wiederholt werden. Im Gegensatz dazu war ich schon immer sehr daran interessiert, Songs zu schreiben, die musikalisch zwar leicht verdaulich sind, aber textlich wirklich schwer wiegen. Ein eingängiger und fröhlicher Song mit einem extrem düsteren Text – das ist genau die Art von Dualität, die ich mit meiner Musik erreichen möchte. Also quasi etwas Vertrautes und Sicheres, gepaart mit etwas Verbotenem und Tabuisiertem. Das ist wirklich eine großartige Möglichkeit, den Zuhörer herauszufordern. Trotz allem interessiere ich mich auch sehr dafür, Songs in anderen Genres zu schreiben, und plane, mich auch in Zukunft an verschiedenen Stilrichtungen zu versuchen. Die meisten GRIM DEEDS-Alben enthalten ja ohnehin einige seltsame Songs aus anderen Genres oder in anderen Sprachen. Vielfalt ist die Würze des Lebens, wie man so schön sagt.

Auch dein Gespür für visuelle Ästhetik ist ziemlich offensichtlich, denn deine Veröffentlichungen haben stets fantastische Coverartworks, die meist gar keine Rückschlüsse auf die Musik zulassen. Hier wandelst du also auch weit abseits der ausgetretenen Pfade. Wie bewertest du die Wirkung eines grafischen Kunstwerks als Teil einer Veröffentlichung und nach welchen Kriterien wählst du die jeweiligen Künstler aus?
Schon als Kind suchte ich Musik nach dem Albumcover aus. Wenn es cool aussah, dann musste es auch einfach großartig klingen. Na ja, das war natürlich nicht immer der Fall, aber ich habe stets sehr genau auf Albumcover geachtet und somit auch auf die Art, wie sich Bands optisch präsentieren. Dazu gehören natürlich auch ihre Logos und die gesamte visuelle Marke, die sie pflegen. Aus diesem Grund wollte ich schon immer coole Albumcover für meine eigenen Veröffentlichungen haben und suche somit stets nach Künstler:innen, mit denen ich mich ästhetisch verbunden fühle. Davon abgesehen mache ich auch selbst ein wenig Grafikdesign und erstelle Artworks und Logos für andere Bands. Trotz allem ist es auch für mich immer wieder spannend, neue Künstler:innen zu suchen, mit denen ich arbeiten kann. Leute, die an meinem Konzept mitarbeiten, so dass ich zusehen kann, wie eine einfache Idee plötzlich zum Leben erweckt und die Musik zu etwas Ganzheitlichem komplettiert wird.

Mit deinem Label Laptop Punk Records verfolgst du einen DIY-Ansatz und veröffentlichst viele grandiose Ein-Mann/Frau-Projekte oder Newcomer-Bands. Was ist dabei deine Motivation, was treibt dich an?
Nun, ich hatte bereits von Anfang an das entscheidende Ziel, die Szene zu fördern, unbekannte Künstler aus der ganzen Welt zu unterstützen und sie einzuladen, ihre Musik in einem Kollektiv Gleichgesinnter zu teilen. Mit LPR konnte ich mir also einen echten Traum erfüllen und eine absolut großartige Community aufbauen. Ich betrachte das Label als meine größte Errungenschaft, weil es mir ermöglicht, andere Künstler:innen zu unterstützen und ihnen zu helfen, ihre Ziele zu verwirklichen. Aufstrebenden Songwritern das Selbstvertrauen zu geben, ihr eigenes Potenzial auszuschöpfen, empfinde ich als das größte Geschenk überhaupt.

Lass uns noch kurz dein Verhältnis zu NOFX ansprechen, über die du ja bereits einen kantigen Song geschrieben hast, in dem du mit Fat Mikes mitunter fragwürdigen Aktionen abrechnest. Können wir also bald eine GRIM DEEDS-Version von deren Punkrock-Oper „The Decline“ im Pop-Punk-Gewand erwarten?
Um ehrlich zu sein, waren beziehungsweise sind NOFX für mich nach wie vor eine der besten Punkbands aller Zeiten und zählen zu meinen absoluten Lieblingsbands. Fat Mike ist ein Songwriter, wie es ihn nur einmal in seiner Generation gibt. Sein Schaffen war in all den Jahrzehnten eine wichtige Inspirationsquelle für mich. Ich denke aber immer noch, dass er den Song „I can’t listen to NOFX“ absolut verdient hat. Wenn man jedoch genau zuhört, merkt man schnell, dass es eher eine Hommage ist als alles andere. Aber natürlich musste ich auch mal mit ihnen abrechnen, das war längst überfällig! Sie sind auf die typische Rockstar-Art voller Scheiße, aber ich liebe sie trotzdem.