HALB AUS PLASTIK

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Münsteraner Senkrechtstarter

HALB AUS PLASTIK sind der neueste Stern am westfälischen Himmel. Die Bandmitglieder waren beziehungsweise sind außerdem bei HIDDEN CHARMS, STEVE McQUEENS und GRIZZLY ADAMS BAND aktiv. HALB AUS PLASTIK spielen eingedeutschten Post-Punk und sie sind von den begeisterten Kritiken ihres Debütalbums selbst überrascht, wie uns Lui, Schlagzeuger und Keyboarder, und Sänger Jens erklären.

Für so manches Fanzine seid ihr die Band der Stunde. Wie fühlt sich das an?

Jens: Das ist ein ganz merkwürdiges Phänomen, denn mir war das gar nicht so bewusst. Ich hab das im Internet ein bisschen verfolgt und bei Facebook die Likes gesehen. Und dann öffnet man die Musikfachzeitschriften und war echt überrascht. Ich habe selber nicht gedacht, dass wir beim Trust so gut wegkommen und vom Chefredakteur des Ox neun von zehn Punkten erhalten. Das war für mich wie aus einer anderen Welt. Total verrückt.

Du, Jens, bist das jüngste Mitglied von HALB AUS PLASTIK, während die anderen alte Haudegen der hiesigen Punk-Szene sind. Wie kam es zur Gründung euer Band?
Jens: Das ist so eine Münster-Geschichte. Ich bin nach Münster gezogen, um hier Musik zu machen. Denn im Gleis 22 haben meine Lieblingsbands gespielt. Und ich habe immer damit gerechnet, dort einmal THE FALL zu sehen, was sich aber nach dem Tod von Mark E. Smith erledigt hatte. Dann habe ich gedacht, gründe ich eben meine eigene Band im Record Riot-Umfeld des Gleis 22 und lernte den Gleis-Fotografen Holger kennen, der mich in den Proberaum einlud. Und dann kamen Lui, Tommi und Christian dazu. Zunächst spielten wir nur Coversongs. Die Konstellation ist einfach toll, denn ich lerne sehr viel von den anderen und aus ihren Erfahrungen und bin auf das ganze Projekt sehr stolz.

Offensichtlich passt euer Sound gut in die Zeit. Woran, meint ihr, liegt das?
Jens: Ich würde sagen, dass Post-Punk im Allgemeinen beliebt ist. Da gibt es viele größere, bekanntere Bands, die auch in diese Richtung gehen. Ich denke, dass viele Leute, die früher solche Bands wie FEHLFARBEN gehört und an deutschsprachiger Musik Interesse haben, uns im Kontext des Post-Punk spannend finden. Wir machen keinen stumpfen Deutschpunk im Sinne von Saufen, Stadion und gegen die Bullen, sondern sind etwas subtiler. Die Texte sind alle aus dem Bauch heraus entstanden.
Lui: Vielleicht ist es tatsächlich so, dass da wirklich ziemlich viele Stile zusammenkommen, die bisher in dieser Gewichtung so noch gar nicht zusammengekommen sind und wir deshalb schwer zu greifen sind. Grundsätzlich finde ich es super, dass es gefällt und dass es gut ankommt. Es ist ein bisschen schwer zu sagen, woran es liegt. Ich glaube, es macht die Mischung.

In Kritiken zu eurem Album wird mitunter darauf hingewiesen, dass ihr in euren Texten nicht viele Worte macht. Ist das ein bewusstes Stilmittel oder eine Referenz an eure westfälische Herkunft?
Jens: Das ist die einzige Art und Weise, wie ich die Texte schreibe: Einfach so: Punkt. Punkt. Punkt. Punkt. Ich finde, die Aussage ist drin, wenn man sagt: Nach dem Nichts geht es nicht weiter. Punkt. Das ist es. Mehr braucht man nicht zu sagen. Man muss nicht viele Wörter verschwenden für solche Inhalte. Die Stimme ist ja im Grunde genommen auch nur ein Instrument und so ein Teil der Gruppe.

Es ist auffällig, dass die Bands, mit denen ihr bisher unterwegs seid, zumeist englische Texte haben. Gab es bei HALB AUS PLASTIK einen festen Plan, das anders zu machen, oder ergab einfach das eine das andere?
Lui: Das ist mir auch schon aufgefallen, haha. Für mich ist es auf jeden Fall ganz cool, auch mal in einer deutschsprachigen Band etwas zu machen. Ich finde es gut, dass man die Texte versteht. Es ergibt sich dadurch ein anderes Umfeld und eine andere Richtung.

Euer Debütalbum erscheint nur auf Vinyl und auch nur in einer Auflage von 300 Stück, die wahrscheinlich schnell vergriffen sein wird. Wird es Nachpressungen geben?
Lui: Wir machen direkt die nächste Scheibe, haha. Wir haben Bock! Mal abwarten. Ein Traum wäre es natürlich, live zu spielen und dann eine Kiste mit LPs dabeizuhaben, die man dann verkaufen kann. Aktuell ist die Nachfrage schon recht groß.

Das Cover ist handgestempelt. Was heißt das genau?
Jens: Das hat vor allem Lui gemacht. Ich arbeite in einer Kita und habe das dort mit Stempeln gedruckt und zusammengeschustert. Und dann hat Lui daraus einen Linolstempel gemacht.
Lui: Ich habe mich an den Kunstunterricht der achten Klasse erinnert, wo wir Linolschnitte gemacht haben. Das passte ganz gut zu den Buchstaben. Dann bin ich auf die Idee gekommen, da zwei Stempel draus zu machen, einen für die Vorder- und einen für die Rückseite. Ich hatte das ein bisschen unterschätzt, denn ich habe ziemlich lange daran rumgeschnitzt. Und das Bedrucken dauert bei 300 Scheiben natürlich auch einige Zeit. Aber es hat Spaß gemacht und ich finde, es ist gut geworden und sieht gut aus.

Jede Platte ist also ein Unikat?
Lui: Ja, genau. Wir haben das Album im Proberaum aufgenommen. Unser Gitarrist Holger hat es abgemischt. Dazu die Geschichte mit der Covergestaltung. Also, das ist schon eine Sache, in der steckt haufenweise Herzblut drin.

Auch wenn’s schwer zu sagen ist: Was wird 2021 für HALB AUS PLASTIK bringen?
Lui: Du hast natürlich recht, wir können alle nicht in die Zukunft schauen. Wir gehen da optimistisch ran und hoffen, dass wir in der Lage sein werden, zu proben und neue Stücke zu schreiben. Und der Wunsch, live zu spielen, ist natürlich auch da. Ich hoffe, dass das im Laufe des Jahres umsetzbar ist. Außerdem sind wir mit PASCOW, KLOTZS und TURBOSTAAT beteiligt an einer gerade veröffentlichten DUESENJAEGER-Cover-Tribut-Single, die zum zwanzigjährigen Jubiläum der Jungs bei My Ruin erscheint.