MELTING PALMS

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Das Geräusch zusammentreffender Schmetterlingsflügel

Ein Gesamtkunstwerk aus Artwork, Texten und Musik ist das zweite Album der MELTING PALMS namens „Noise Between the Shades“. Das bei aller Schönheit die Wurzeln aber im Punk liegen hat erläutert die Hamburger Band im Interview.

Wie ist das neue Album entstanden in diesen Zeiten?

Joe: Das Album ist deshalb entstanden, weil unsere letzte Releasetour aufgrund von Corona abgesagt wurde.
Mikey: Dadurch hatten wir dann genug Zeit, uns dem Songwriting zu widmen, und haben den ersten Lockdown im Proberaum verbracht, um gemeinsam zu musizieren.
Tim: Es war teilweise ein verrückter Prozess. Die ganze Welt war im Lockdown und wir haben uns so oft es ging im Proberaum getroffen, um Songs für das Album zu schreiben. Wir haben teilweise über Wochen niemand anderen gesehen als uns. Das war eine intensive Zeit.

Wo liegen eure musikalischen Einflüsse?
Joe: Eine wichtige Inspiration für mich war mein Vater. Das erstes Konzert, das ich gesehen habe, war von ihm. Es fand in einer Kirche statt, mit zwölf Elektrogitarren in offenen Stimmungen, Bass und Schlagzeug. Dass er selbst ganz unterschiedliche Musik spielte, wie ROSSBURGER REPORT, DIE ERDE oder EISENVATER, eröffnete mir als Kind den Zugang zu ganz verschiedenen Stilen. Teresa war seine Gitarrenschülerin, so kam es, dass wir ebenfalls offene Gitarrenstimmungen in unserer Musik verwendeten.
Mike: Ich habe eine klassische Vorbildung. Im Kindesalter habe ich auf der akustischen Gitarre mit klassischen Stücken angefangen, im Gitarrenensemble gespielt und im Chor gesungen. Teilweise fühle ich mich dabei ertappt, wie ich chorale Gesangsmelodien bei MELTING PALMS verwende und beim Aufnahmeprozess nicht genug davon bekomme, immer weitere Gesangsspuren aufzunehmen. Teresa hat auch einen spitzen Sopran, haha. Als Jugendlicher habe ich mich dann in die psychedelische Musik der Sechziger Jahre verliebt, was man bestimmt hier und da in unserer Musik erkennen kann.
Lukas: Ich denke, grundsätzlich sind wir stark von „alternativer Gitarrenmusik“ geprägt, bei mir sind es insbesondere Emo, Post-Rock, Metal und Hardcore.

Wie steht es um die Texte?
Tim: Die kommen von Mikey, Teresa und mir. Wir standen in der Entstehungszeit im engen Austausch und haben Textideen hin und hergeschickt, darüber gesprochen, sie ergänzt und verändert.
Mikey: Das hat super funktioniert. Tim hatte Texte, die er durch die Methode des automatischen Schreibens entstehen ließ. Diese Texte bekam ich und filterte zu den Themen, die wir umreißen wollten, Symbole und Beschreibungen heraus. Tim hat dann wiederum Formulierungen geändert und korrigiert. Das Album handelt von Hoffnung, Aufbruch, Wiedergeburt und Neuanfang und setzt sich damit ab von „Abyss“, wo die Texte noch düsterer waren.

Worum geht es bei „Crimson eye“?
Tim: Der Text von ist schon fünf Jahre alt. Damals hatte ich so was wie eine Quarterlife Crisis und habe aufgrund von Suchtverhalten, Panikattacken und einer großen Unzufriedenheit mein komplettes Leben umgewälzt. „Crimson eye“ beschreibt einerseits diesen seelischen Schmerz, andererseits die Sehnsucht und das Herauswünschen aus diesem Schmerz. Es geht um Vertrauen, Verbundenheit und sozialen Ängsten.

Teresa, du hast am Artwork mitgearbeitet, was war deine Inspiration?
Teresa: Meine Inspiration folgt aus der musikalischen Weiterentwicklung, die wir beim Schreiben und Aufnehmen des Albums gespürt haben. Es wirkt auf mich viel farbenfroher als unsere früheren Songs, weiterhin vielfältig und zugleich niederschmetternd. Mit dem Albumtitel „Noise Between The Shades“ kam mir die Idee mit den Schmetterlingsflügeln. Das Geräusch, das beim Zusammentreffen der Schmetterlingsflügel entsteht. Schall, erzeugt aus sich treffender Farbenvielfalt. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass der Tod nicht nur für Zerfall steht, sondern dieser auch eine Art Metamorphose sein kann, der Tod in seinem schönsten Gewand.

Wie viel Punkrock steckt in den MELTING PALMS?
Joe: Da einige von uns in der Hardcore-Punk-Szene sozialisiert wurden, haben wir auf jeden Fall etwas vom Punk in uns. Unsere ersten Touren haben wir selber organisiert und sind mit einem alten Van herumgefahren, dessen Türen nicht richtig geschlossen werden konnten. Zudem organisieren wir in der Regel alles DIY und entwerfen unseren Merch und unser Artwork selbst. Zudem haben wir auch ein paar punkige, schnellere Nummern wie „Cascades of noise“. Und unsere Live-Konzerte sind wie beim Punk sehr intensiv und brachial.