MERGERS

Foto

Zu alt für Teenager-Hysterie

Mit den MERGERS aus Nürnberg hat das Kölner Soundflat-Label eines der spannendsten Neo-Beat-Quartetts aus unseren Landen im Stall. Zwar überschlugen sie sich bislang nicht mit neuem Output bei gerade mal drei Alben seit 2013, doch sind sie sich mit ihrem Sound stets treu geblieben. Die Liebe zu den Sixties bestimmt das Repertoire, das von klassischem Merseybeat auf dem ersten Album sowie Gehversuche Richtung Powerpop nun mehr und mehr psychedelische Komponenten beinhaltet. Da stellen sich so einige Fragen, die Jerry Coma, Gitarrist, Sänger und Songschreiber der Combo, bereitwillig beantwortet.

Mit dem neuen Album habt ihr einen Zeitsprung von der Beat-Ära zum psychedelischen Endsechziger-Sound unternommen. Warum habt ihr die Beatschaffe gegen den Rave-up eingetauscht?

Das war eigentlich weniger eine bewusste Entscheidung, als vielmehr eine Entwicklung, die sich schon etwas länger abgezeichnet hatte. Auch auf unseren ersten beiden Platten gab es ja durchaus Songs, die eher mal ins Psychedelische gingen. Das war einfach eine Facette von uns, der wir mit unseren neuen Songs wohl eher zugetan waren.

Habt ihr nicht Angst, mit diesem Move einen Teil eurer Fanbase zu verprellen?
Falls es Leute geben sollte, die ausschließlich unsere etwas beatigeren Songs gut fanden, dann haben die nun bestimmt ihre Probleme damit. Allerdings ist das, was wir jetzt machen, ja nicht wirklich etwas Neues, sondern nur eine Richtung, die sowieso schon ein Teil von uns war und die wir jetzt eben ein bisschen intensiviert haben.

Euer Albumcover zeigt vier Affen und drei Äpfel, das geht nicht auf. Ist da Streit vorprogrammiert?
Nein, bei uns wird immer brüderlich geteilt. Der Titel „Three Apples In The Orange Grove“ ist eine aus einem Zufall heraus und in nicht ganz nüchternem Zustand entstandene Kreation nach einem Bild von Henri Rousseau. Aufgrund des gewählten Titels war dann aus logischen Gründen leider kein Platz mehr für einen vierten Apfel auf dem Cover.

Wird euer neuer Bandsound genauso tanzbar sein wie eure Twist/Hully-Gully-Songs der frühen Phase? Erfahrungen mit der Live-Präsentation konntet ihr ja noch nicht sammeln ...
Auf jeden Fall. An die Tanzbarkeit von Twist/Hully-Gully-Songs ist an sich schwierig heranzukommen, allerdings ist das meistens auch nur eine Frage des Tanzes. Zudem sind manche der Songs tatsächlich schon so alt, dass wir sie vor dem Virus auf dem einen oder anderen Konzert einstreuen und dabei nicht wirklich ein Tanzbarkeitsdefizit feststellen konnten.

Proben die MERGERS nach wie vor, und wenn ja, wofür eigentlich? Wie ist das Album entstanden? Beschreibt mal euren Arbeitsprozess.
Im Sommer 2020 konnten wir tatsächlich eine Zeit lang proben. „Wofür eigentlich?“, haben wir uns da natürlich auch gefragt, da ja überhaupt noch nicht abzusehen war, wann man wieder „normal“ auftreten kann. Für uns war es aber in erster Linie wichtig, mal wieder zusammen Musik zu machen. Und ein bisschen Vorarbeit für die Zeit danach, wenn wir dann wirklich wieder auf Live-Konzerte hinarbeiten können, hat bestimmt auch nicht geschadet. Normalerweise würden wir uns mindestens einmal im Monat zu einem Probewochenende treffen, um an diversen Sachen zu arbeiten. Und genauso ist 2019 letztendlich auch das Album entstanden, aus den Probewochenenden wurden dann einfach Aufnahmewochenenden.

Wie haltet ihr in der Pandemie-Zeit euer Publikum bei der Stange? Mit Web-basierten Aktivitäten, Livestreams oder so was in der Art?
Da haben wir uns eigentlich ganz schön zurückgehalten, da wir auch nicht wirklich Fans von Online- oder Wohnzimmerkonzerten sind. Als wir uns dazu entschlossen haben, aufgrund des nicht absehbaren Endes der Pandemie unsere eigentlich längst fertige LP doch mal zu veröffentlichen, haben wir unsere Social-Media-Aktivitäten natürlich wieder etwas hochgefahren.

Wie kam eigentlich die Japantour 2018 zustande? Was hat euch dort am stärksten beeindruckt?
Das lief alles über unser Label Soundflat Records. Beeindruckt haben uns wahrscheinlich am meisten die allgegenwärtige Höflichkeit und die Begeisterungsfähigkeit der Zuschauer. Besonders dass uns da tatsächlich einige kannten und gezielt auf unsere Konzerte gekommen waren.

Wer ist dieser Namenspate der aktuellen Single „Herman“? Hat der was mit den HERMITS zu tun?
„Herman“ ist in erster Linie eine Kombination aus „her“ und „man“. Praktischerweise bot sich dieser auch hervorragend als gleichnamiger Songprotagonist an, der mit den HERMITS allerdings nichts zu tun hat.

Setzt ihr bei eurem „Retro“-Sound vorwiegend auf eine Vintage-Backline oder dürfen es auch modernere Soundeffekte oder digitales Spielzeug sein?
Vorwiegend Vintage. Gerade was die Saiteninstrumente und Verstärker betrifft, ist es einfach soundmäßig unschlagbar. Dass man hier und da mal zum Beispiel einen Fußtreter mit einer Zwölfsaiter-Simulation benutzt, da es auf der Bühne einfach praktischer ist, von der Stimmstabilität mal ganz zu schweigen, ist sicher noch im Rahmen des Erlaubten.

Neben BEATLES und ZOMBIES scheinen auch die späten OASIS oder auch die TEMPLES einen gewissen Einfluss auf die MERGERS auszuüben. Welche anderen zeitgenössischen Bands feiert ihr momentan?
Da hat jeder so seine eigenen Favoriten. Wen man zusätzlich zu den oben genannten auf jeden Fall noch nennen könnte, wären KULA SHAKER, THE GREENHORNES oder THE WAR ON DRUGS.

Ihr habt eure Alben mit ansehnlichen Videoclips flankiert und dabei eine eigene Bildsprache geschaffen. Wäre nicht mal ein MERGERS-Spielfilm, so in der Art von „Hi-Hi-Hilfe!“ oder den MONKEES, einen Versuch wert?
Das hätte eventuell noch in unsere ganz frühe Phase gepasst, als wir dem Klamauk etwas mehr zugetan waren. Auf einer anderen Ebene funktionieren solche Filme auch nicht wirklich. Bei unseren aktuellen Songs könnten wir uns eher weniger vorstellen, dass das zusammenpassen würde.

Gibt’s weitere Szeneaktivitäten außerhalb des MERGERS-Kosmos?
Wir spielen parallel noch in anderen „szenemäßigen“ Bands, wie etwa SMOKESTACK LIGHTNIN’ oder THE ROCKIN’ LAFAYETTES.

Ein Blick in die Zukunft: Ein Konzert auf dem Dach des Soundflat-Buildings, Weltruhm und Teenager-Hysterie. Was davon wird wahr, was bleibt Traum?
Das mit dem Weltruhm könnte eigentlich nur durch einen dummen Zufall passieren und vermutlich sind wir auch einfach zu alt – inklusive unseres Sounds –, um heute noch Teenager-Hysterie auszulösen.