PETER MUFFIN TRIO

Foto© by Marina Buneta

Vom Schlafzimmer auf die Bühne

Hinter dem PETER MUFFIN TRIO steckt vor allem Julian Knoth, der Bassist von DIE NERVEN aus Stuttgart. Das Pseudonym Peter Muffin hat er sich wie eine Art Teenage-Alter-Ego von sich ausgedacht, sagt er. Schon seit zehn Jahren nimmt er unter diesem Decknamen schrammelige, merkwürdige Songs in seinem Schlafzimmer auf und veröffentlicht sie auf Kleinlabels wie Treibender Teppich Records. Jetzt bildet er zusammen mit der Künstlerin Caroline d’Orville (bs) und seinem Bruder Philipp Knoth (dr) ein Trio und das bringt mit „Stuttgart 21“ auf Glitterhouse Records sein Debütalbum raus. Wie es dazu kam, erzählen Julian, Cali und Philipp im Ox-Interview.

Euer Debütalbum heißt ja „Stuttgart 21“. Sogar das Bild auf dem Cover ist in einem Tunnel der Baustelle aufgenommen. Wart ihr bei den zum Teil sehr heftigen Protesten gegen das gigantische Bahnhofsprojekt dabei?

Cali: Ich habe damals noch in Köln gewohnt. Ich bin erst 2014 nach Stuttgart gezogen.
Julian: Ich war damals auch nicht dabei. Da war ich in Stuttgart noch nicht so verwurzelt. Ich habe es aber natürlich mitbekommen und ich kenne auch viele Leute, die damals aktiv waren. Ich bin auch in der Wählervereinigung „Die Stadtisten“ aktiv, die sich zum Teil aus der Protestbewegung entwickelt hat. Die Montagsdemos gibt es zwar immer noch, aber die meisten Stuttgarter haben sich inzwischen mit „Stuttgart 21“ abgefunden. Es bleibt trotzdem ein völlig wahnsinniges Projekt.
Philipp: Ich war damals noch viel zu jung. Zu der Zeit bin ich noch viel in unserem Dorf geskatet, in Reichenbach an der Fils.

In den Neunzigern wurde „Stuttgart 21“ als wegweisendes Zukunftsprojekt gefeiert. Jetzt haben wir 2021 und der Bahnhof ist immer noch nicht fertig. Wie sieht es dort gerade aus?
Cali: Das ist ein wanderndes Loch. Es wird immer tiefer, dann wird wieder ein neuer Bereich abgedeckt, Pläne überdacht und Ideen überdacht. Bäume werden gefällt und Clubs geschlossen.
Julian: Die Röhre, einer meiner liebsten Clubs, musste im Januar 2012 weichen. Oder auch der Landespavillon, der wurde im Zuge der Baumaßnahmen im August 2012 abgerissen.

In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich in Stuttgart eine sehr lebendige Protestkultur entwickelt. Erst der Widerstand gegen „Stuttgart 21“ und jetzt die „Querdenker“. Warum wurde Stuttgart zur Protest-Hochburg?
Julian: Diese Gruppen muss man deutlich unterscheiden. Unter den Bahnhofsgegnern waren viele Stuttgarter, die auf die Straße gegangen sind. Und diese „Querdenker“ sind vor allem Leute, die aus dem Umland kommen. Es gibt inzwischen viele Stuttgarter, die sich unter dem Hashtag #wirsind0711 gegen die Vereinnahmung der Stadt durch die „Querdenker“ wehren. Natürlich leben in Stuttgart viele reiche Leute, aber es gibt auch eine große linke Szene und ganz einfache Menschen.
Cali: Diesen „Querdenkern“ geht es einfach zu gut. Die machen sich Gedanken, wann sie ihren nächsten Benz leasen können, streichen trotz Kurzarbeit immer noch jede Menge Kohle ein und regen sich auf, dass sie im Supermarkt eine Maske tragen müssen.

Zurück zur Musik: PETER MUFFIN war ja ursprünglich dein Soloprojekt, Julian. Sind PETER MUFFIN TRIO eine richtige Band?
Julian: PETER MUFFIN war immer mein Soloprojekt, mit dem ich viele Bedroom-Recordings gemacht habe. Seit 2011 habe ich immer wieder selbst Musik produziert. Die EP „Ich und meine 1000 Freunde“ habe ich komplett alleine eingespielt. Produziert hat die Scheibe damals Max, mein Bandkollege von DIE NERVEN. Im Rahmen der Live-Umsetzung dieser Platte habe ich eine neue Live-Band zusammengestellt. Ursprünglich waren wir zu fünft und sind jetzt nur noch zu dritt. PETER MUFFIN TRIO sind jetzt schon ein richtige Band, würde ich sagen. Wir schreiben gemeinsam Songs.

Euer Sound hat mich an DIE GOLDENEN ZITRONEN erinnert. Dieses Schrammelige und der Sprechgesang. Gibt es da eine Verbindung?
Julian: DIE GOLDENEN ZITRONEN sind auf jeden Fall Teil meiner musikalischen DNA. Diese Band hat mich geprägt. Als ich 16 Jahre alt war, habe ich mir in der Esslinger Stadtbibliothek die „Lenin“-Platte von den Zitronen ausgeliehen. Die hat mich anfangs total verstört. Dabei kommen Philipp und ich aus einem Haushalt, in dem viel laute und unbequeme Musik gehört wurde. Trotzdem fand ich die Stimme nervig und habe die Musik überhaupt nicht verstanden. Dann hat sie mich aber doch gepackt. Zu dieser Zeit habe ich selbst angefangen, Musik zu machen und Texte zu schreiben. Damals habe ich auch Bands wie KOLOSSALE JUGEND und die frühen Platten von TOCOTRONIC gehört.
Cali: Das liegt vielleicht auch an Julians Art zu texten. Das ist kein klassisches Storytelling. Er arbeitet viel mit Fragmenten, die er dann zu Songtexten zusammenfügt. Das sind alles Ideen und Wortfetzen, die er sammelt und dann collagenartig zusammenbaut. Wenn wir jammen, probiert Julian immer wieder unterschiedliche Textzeilen aus, bis es passt. Oft merkt man erst im Nachhinein, wie gut sich alles einfügt.
Julian: Wir haben versucht, gemeinsam einen Groove zu finden. Daraus hat unser Produzent Nicolas Epe das dann neu zusammengeschnitten und geloopt. Diese Arbeitsweise ist vergleichbar mit dem Album „Remain In Light“ von TALKING HEADS. „Once in a lifetime“ ist der bekannteste Song nach diesem Prinzip.

Warum habt ihr das Album mit Nicolas Epe in Köln aufgenommen? Und nicht mit Max Rieger, der ja schon befreundete Bands wie KARIES oder WOLF MOUNTAINS produziert hat?
Julian: Ich habe mich in den letzten Jahren immer im Kosmos rund um die NERVEN bewegt. Das heißt, ich habe sehr viel Zeit mit Max verbracht. Wir haben in Stuttgart auch stets mit unserem Produzenten Ralv Milberg gearbeitet. Mir war es diesmal einfach wichtig, auch mal mit anderen Leuten zu arbeiten. Andere Wege zu gehen. Außerdem ist man von Stuttgart aus sehr schnell mit dem Zug in Köln. Mit Nick ist es von Anfang an sehr gut gelaufen. Das war alles total entspannt und einfach.

Ihr drei kennt euch ja aus der Stuttgarter Szene. Erzählt doch mal, in welchen Bands ihr noch aktiv seid oder wart.
Cali: Ich bin noch Songwriterin und Gitarristin bei der Band ZIRKEL, die hat sich im Umfeld der Stuttgarter Kunstakademie AKB gebildet. Von denen kommt bald digital eine EP bei Treibender Teppich Records raus. Und bei Julians Kassettenlabel Butzen veröffentlichen wir die EP als Tape.
Philipp: Vor Kevin Kuhn war ich Drummer bei DIE NERVEN, dann habe ich bei KARIES getrommelt. Momentan habe ich zusammen mit Julian noch die Band YUM YUM CLUB. Außerdem spiele ich in der Band von Tim Bohner namens TIMBEAU, das ist ein Kumpel von mir.
Julian: Meine Tätigkeit als Bassist bei DIE NERVEN ist ja bestens bekannt.

Gibt es einen Treffpunkt für eure Szene? Wo man sich austauscht, wo neue Bands gegründet werden?
Julian: Wichtig war der Waggon von Moritz Finkbeiner am Nordbahnhof, in dem er Konzerte organisiert hat. Den gibt es leider auch nicht mehr. Er hat jetzt aber einen neuen Laden, der heißt Neue Schachtel. Da haben Bands, die auf Erfolg aus sind, keine Chance. Da kann es nie verrückt genug sein.
Cali: Der bucht krasse Musiker aus der ganzen Welt. Viele experimentelle Sachen. In der Container-City treffen sich auch viele Leute von der Kunstakademie, weil da auch jede Menge Ateliers sind. Da ist schon ein Schnittpunkt für die Szene.

Warum spielen so viele Musiker aus der Stuttgarter Szene gleich in mehreren Bands? Seid ihr nicht ausgelastet?
Philipp: In Stuttgart sind die Wege einfach sehr kurz. Alle kennen sich untereinander schon seit Jahren. Das war früher mit Bands wie HUMAN ABFALL oder KARIES noch krasser, bevor einige nach Berlin gezogen sind. Wir haben einfach Bock, viel Musik zu machen. Man läuft sich ständig über den Weg. Das sind auch gar nicht so viele Leute. Wir reden hier von 15 bis 20 Leuten.

„Stuttgart 21“ kommt ja wie die letzten beiden Alben von DIE NERVEN bei Glitterhouse Records heraus. Kam das über die NERVEN-Connection zustande?
Julian: Eigentlich wollten wir das Album bei Treibender Teppich Records veröffentlichen, das sind Freunde von uns. Dann ist Glitterhouse auf uns zugekommen und hat gefragt, ob wir das Album bei ihnen herausbringen wollen. Wir sind also nicht aktiv auf die zugegangen. Die haben letztes Jahr einige Fördergelder durch die Aktion „Neustart Kultur“ oder die Initiative Musik erhalten, deshalb hatten sie Bock, viel zu veröffentlichen. Ich weiß nicht, ob sie das Risiko mit uns ohne die Fördergelder eingegangen wären. Keine Ahnung, wie viele Kopien wir verkaufen werden.

Bringen die auch bald eine neue DIE NERVEN-Platte raus?
Julian: Es ist kein Geheimnis, dass wir ein neues Album aufgenommen haben. Aber mehr kann ich noch nicht verraten.