PIGHOUNDS

Foto© by Felix Maxim Eller

Die dunkle Seite der Medaille

Mit „Hilleboom“, ihrem lebenslustigen Debütalbum zwischen Grunge, Alternative und Noise, hatten THE PIGHOUNDS schon vergangenes Jahr überrascht. Was danach folgte ... war Stille. Denn das Album kam im April 2021 heraus, mitten in der Pandemie. Deshalb haben die beiden Dortmunder das einzig Richtige gemacht: einfach ein neues Album aufnehmen und auf bessere Zeiten hoffen. „Phat Pig Phace“ heißt es. Corona ist zwar immer noch da, allerdings ohne Lockdown und Isolation. Geblieben ist die Hoffnung auf einen normalen Bandalltag, wie Peter Bering und Sandro aka Alessandro de Luca erzählen.

Vor etwa eineinhalb Jahren ist „Hilleboom“ herausgekommen. Was ist seitdem passiert?

Sandro: Wie die meisten haben wir natürlich auf baldige Wiederherstellung der Normalität gehofft. Wir haben auch einige Konzerte gespielt, aber die meisten sind ausgefallen. Das heißt, wir mussten ziemlich viel improvisieren. Viele Konzerte wurden spontan zugesagt, andere wurden spontan abgesagt. Das betrifft uns aktuell zum Jahresende auch wieder, weil die Tour von ELECTRIC SIX gecancelt wurde, die wir eigentlich als Support begleiten sollten. Außerdem war ich in den letzten Monaten noch an der Schulter verletzt, das hat uns zusätzlich ausgebremst. Da steht zum Ende des Jahres eine OP an. Wir bleiben aber zuversichtlich, dass wir im Frühjahr einige Shows zum neuen Album spielen können.

„Hilleboom“ habt ihr auf einem Bauernhof im Raum Detmold eingespielt. Bei Fans, die euch das angeboten hatten. Unter welchen Bedingungen ist „Phat Pig Phace“ entstanden?
Peter: Wir haben das Album in unserem Proberaum in Dortmund aufgenommen. Das war mehr oder weniger während der härtesten Lockdown-Zeit. Wir hatten das große Glück, dass wir nur zu zweit sind, also durften wir proben und aufnehmen. Der komplette Proberaum-Komplex um uns herum war also leer, deshalb haben wir die ungewohnte Ruhe für die Aufnahmen genutzt.
Sandro: Die Bedingungen waren diesmal das komplette Gegenteil. „Hilleboom“ ist mitten im August in der Natur bei strahlendem Sonnenschein entstanden. „Phat Pig Phace“ haben wir ab Anfang Dezember eingespielt. Das war ziemlich deprimierend, aber auch schön. Irgendwie wie ein Ventil für den ganzen Frust und die Sorgen dieser Zeit.

Hört man diese Stimmung auch in den Songs? Das Artwork ist ja auch schwarzweiß gehalten und nicht so quietschbunt wie bei „Hilleboom“.
Peter: Der größte Unterschied ist wahrscheinlich, dass wir viel mehr Zeit hatten. Wir haben von Anfang Dezember bis Anfang März an den Songs herumgeschraubt. Die Hälfte der Stücke sind während der Aufnahmen entstanden. Bei „Hilleboom“ waren alle Songs schon fertig, als wir mit den Aufnahmen begonnen haben. Immer wenn wir eine gute Idee hatten, haben wir einfach auf den Aufnahmeknopf gedrückt und mitgeschnitten. Es war also Pre-Production und Albumaufnahme in einem. Wir haben viel mehr mit Sounds, Effekten und Mikros herumexperimentiert als sonst.
Sandro: Wir wollten unseren Sound in die Richtung weiterentwickeln, für die unser Label Noisolution bekannt ist: music for minorities. Nicht mehr so glattgebügelt wie auf „Hilleboom“. Es sollte rauher und weniger gefällig klingen. In dieser Zeit ist der DIY-Spirit wieder aufgeblüht, weil wir alles mehr oder weniger zu Hause gemacht haben und ich auch das Album selbst gemischt habe. „Hilleboom“ hatte René Jesser gemischt. Wir haben zwar auch Songs zum Mischen weggeschickt, haben aber festgestellt, dass es besser ist, wenn wir diesmal alles alleine machen. Wir wussten genau, wie wir klingen wollen, und Peter hat auch die Fähigkeiten, das alles selbst zu machen.

Lasst uns doch mal über die Texte reden. Auf „Hilleboom“ hattet ihr zum Beispiel „Tree pee“, in dem ihr herumspinnt, was alles passieren könnte, wenn man gegen einen Baum pinkelt. Gibt es solche Gaga-Momente auch auf „Phat Pig Phace“?
Peter: Der Song „Green Lobster Inc.“ hat mich zuerst irgendwie an „Rock lobster“ von B-52’S erinnert. Im Text geht es tatsächlich um etwas ganz anderes. Da stellen wir uns die Sinnfrage zu unseren Jobs. Sollen wir die weitermachen oder alles hinschmeißen? Und aus dem Arbeitstitel ist dann einfach eine fiktive Firma geworden.
Sandro: Genauso war es beim Song „Hilleboom Close“. Der hieß anfangs nur „Hilleboom“, weil er noch den Vibe vom Vorgängeralbum versprüht. Daraus haben wir dann einen fiktiven Straßennamen gemacht, als gäbe es eine kleine Straße, in der wir zusammen mit allen unseren Freunden und Weggefährten wohnen, wo die Welt noch in Ordnung ist. Im Song „Lalala (Lick it)“, bei dem auch DAILY THOMPSON mitwirken, singen wir darüber, dass wir die Schnauze von Corona voll haben und das Bedürfnis haben, wieder mehr Leute zu sehen.
Peter: Diese Gaga-Momente von „Hilleboom“ gibt es diesmal also weniger, weil wir auch mehr Zeit für die Texte hatten und uns auch mehr um existentielle Fragen gekümmert haben. Die Zeiten waren ja für uns alle total surreal. Da hat man sich schon öfter mal die Sinnfrage gestellt und sich viel mit sich selbst beschäftigt. Von daher sind die Texte eher von Unsicherheit geprägt als von Lebenslust und Nonsens. Unsere Texte sind einfach immer aus dem Leben gegriffen, da herrschten diesmal ganz andere Vorzeichen als noch beim Vorgänger.

Durch Corona hatte man ja viel Zeit, sich auch intensiver mit Musik zu beschäftigen als sonst. Habt ihr vielleicht Bands gehört, deren Einfluss auf dem Album zu spüren ist?
Peter: Vor den Aufnahmen kam Sandro mit Bands an wie CLEOPATRICK oder FRANK CARTER & THE RATTLESNAKES, weil er bei der Arbeit in der Merchandise-Firma immer viel Musik hören kann. Die haben mich als Mischer vom Sound her sehr inspiriert. Das hatte aber nicht viel mit Corona zu tun.

Peter, du hast ja auch das letzte DAILY THOMPSON-Album „God Of Spinoza“ aufgenommen. Was macht ihr sonst noch neben eurer Band?
Sandro: Wir hatten die ganze Zeit ein eigenes Label namens Sweepland Records mit Bands wie KOMMANDO MARLIES, FORMOSA oder unserer Vorgängerband FITCHES. Das haben wir in der Corona-Zeit aber an den Nagel gehängt. Seitdem wir bei Noisolution sind, war auch der Motor des Labels nicht mehr an Bord. Also haben wie den anderen Bands, mit denen wir eng befreundet sind, gesagt, dass wir nicht weitermachen.
Peter: In den letzten Monaten hatten wir mehr Papierkrieg mit dem Finanzamt als echte Labelarbeit mit neuen Releases. Da ist einfach nicht mehr viel passiert. Deshalb ist das Label jetzt nur noch eine Art Archiv und das ist auch okay für alle. Wir haben ja beide auch noch normale Jobs, um die wir uns kümmern müssen. Ich habe ja Kunstgeschichte studiert und im „Museum unter Tage“ in Bochum gearbeitet, das ging aber wegen Corona nicht mehr. Deshalb habe ich aus finanziellen Gründen einfach den Beruf von meinem Vater übernommen und mich mit Malerarbeiten selbstständig gemacht.
Sandro: Ich arbeite bei Kings Road Merch, quasi der Merch-Abteilung von Epitaph. Ich bin gelernter Mediengestalter und Grafiker und arbeite dort seit ein paar Jahren. Vorher war ich schon bei anderen Merch-Firmen wie Trashmark und Art Worx. Zwei Jahre lang hatte ich danach versucht, nur von Musik und eigenem Label zu leben, das hat aber nicht so gut funktioniert. Deshalb habe ich bei Kings Road angefragt, bei denen auch alte Arbeitskollegen von mir beschäftigt sind. Wenn man einmal in der Branche gearbeitet hat, kommt man da nicht mehr weg, haha. Angefangen haben ich bei denen als Aushilfe im Lager, inzwischen habe ich die Leitung vom Wareneingang übernommen. Grafiksachen mache ich aktuell nur für mich, so wie Peter sich nebenbei ums Mischen kümmert.

Sandro, du hast übrigens einen sehr berühmten Arbeitskollegen: Mark Arm von MUDHONEY leitet das Lager bei Sub Pop.
Sandro: Echt? Das wusste ich gar nicht. MUDHONEY sind eine meiner Lieblingsbands. Nicht schlecht, haha.

Das Album ist am 18. November herausgekommen. Was habt ihr rund um den Release geplant?
Sandro: Wie es bei Noisolution fast schon Tradition hat, haben wir eine sogenannte „Club 100“-Edition vom Album veröffentlicht. Das sind wunderschöne und eben streng limitierte Sonderausgaben nur für Die-hard-Fans, die schnell genug sind. Handnummeriert und gestempelt. Da sind wir sehr stolz drauf. Gepresst auf 180 Gramm schweres transparentes Vinyl, einem zweiseitig bedruckten Textblatt, einem von uns signierten Kunstdruck auf Silberpapier und einem von uns selbst geschossenen Polaroid-Foto. Also ein echtes Unikat. Aber Shows zum neuen Album wird es erst Anfang 2023 geben. Auch weil ich dieses Jahr noch operiert werde.