SPURV

Foto© by Jøm Veberg

Progressive Spiralen

Die Idee zu „Brefjære“ kam dem Kopf der norwegischen Band, Gustav Jørgen Pedersen, bei einem beiläufigen Blick aus dem Fenster. Wie daraus ein ganzes Post-Rock Album mit Songs von bis zu zehn Minuten werden konnte, erklärt er uns hier.

Ich liebe diese Idee, dass Inspiration von einem einfachen Blick aus dem Fenster kommen kann – was genau hat dich in diesem Moment angesprochen?

Nun, ich bin vor ein paar Jahren nach Tromsø gezogen, und die Landschaft dort ist atemberaubend. Ich wohne auf der Spitze der Insel, die sich zwischen dem Festland und der riesigen Insel Kvaløya befindet. Überall, wo ich hinschaue, kann ich Berge und Wälder sehen. Im Winter ist es den ganzen Tag stockdunkel, abgesehen von den leuchtenden Polarlichtern, und im Sommer haben wir die Mitternachtssonne. Und obwohl es sich um eine relativ große Stadt handelt – zumindest für norwegische Verhältnisse –, fühle ich mich hier der Natur auf ganz besondere Weise nahe. Auf dem Album geht es um das Zusammentreffen verschiedener Zeitskalen, und der Berg und die Birke stehen für zwei völlig unterschiedliche Zeiterfahrungen. Der Berg ist aufgetaucht und bewegt sich, aber unheimlich langsam. Er war schon da, bevor die ersten Menschen kamen, und wird uns um Jahrtausende überdauern. Die Bäume hingegen sind eher wie wir, das Ergebnis einer unendlichen Reihe von Vorgängern, die sich über das Land ausbreiten und dabei relativ standhaft bleiben. Diese Diskrepanz der Zeit ist überall um uns herum zu sehen. Manchmal muss man nur aus dem Fenster schauen.

Das Album kombiniert die neu gefundene Inspiration mit Ideen, die du vor über zehn Jahren hattest – fühlt es sich an, als hätte sich der Kreis geschlossen?
Nein, nicht wirklich. Es fühlt sich weniger wie ein Kreis als vielmehr wie eine Art progressive Spirale an. Die Vergangenheit zu überdenken, um voranzukommen, sich stetig weiterzuentwickeln, anstatt sich zu beeilen, ist vielleicht die Essenz des kreativen Prozesses von SPURV. Wir haben es nicht eilig und wollen Musik machen, die Bestand hat und auch in den kommenden Jahren immer wieder gehört werden kann. Der erste Schritt dazu ist, Musik zu machen, die wir selbst als beständig empfinden. Ideen, die auch zehn Jahre nach ihrer Entstehung noch frisch klingen, haben definitiv diese Qualität.

Menschen verändern sich im Laufe der Zeit – war es einfach, diese älteren Ideen mit dem in Einklang zu bringen, wer du jetzt als Songwriter und Mensch bist?
Ehrlich gesagt, ja. Ich entwickle nur Ideen, die sich auch weiterentwickeln lassen. Man kann sie nicht erzwingen. Und dieses Mal haben sich einige dieser alten Melodien und Arrangements mit neuen vermischt und sich völlig ungehemmt entwickeln lassen. Obwohl sich in meinem Leben als Musiker viel verändert hat, fühle ich mich heute nicht viel anders als vor zehn Jahren – und auch nicht anders als das Kind, das seine ersten Melodien am Klavier spielte. Natürlich kann und weiß ich jetzt mehr als früher, aber es geht immer noch darum, denselben geheimnisvollen Fluss der Schöpfung anzuzapfen und etwas Neues in die Welt zu bringen, das vorher nicht da war.