WAUMIAU

Foto© by Andreas Langfeld

Augenzwinkern statt Parolen

Bei WAUMIAU verging kaum ein halbes Jahr zwischen der Bandgründung und der Veröffentlichung ihres vielbeachteten Albumdebüts „Kralall“ via Kidnap Music. Wie es dazu kam und was noch werden kann, darüber sprach ich mit Sängerin Anna und Gitarrist Kay in einer unerwartet angenehmen Düsseldorfer Kneipe.

Wann seid ihr das erste Mal mit Punkrock in Berührung gekommen?

Anna: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Bei mir kam das ziemlich spät, so mit Anfang zwanzig, als ich nach Hamburg gezogen bin. Hamburg hat mich geprägt. Dort bin ich in die entsprechenden Clubs gegangen, zu Konzerten. Vorher, in den Neunzigern, stand ich noch mehr auf HipHop.
Kay: Als Düsseldorfer bin ich mir definitiv sicher, dass DIE TOTEN HOSEN mein erstes Konzert waren. Das war im Tor 3. Die Hosen haben unter falschem Namen gespielt, DIE RHEINPIRATEN, zusammen mit den PUBLIC TOYS. Von denen war ich besonders beeindruckt. Da war ich zwölf Jahre alt, und ich wäre so gerne in den Pogo gegangen. Das AK47, die Kiefernstraße zu sehen, die ganze Atmosphäre. Das Optische, die harte Musik. Das war für mich die große weite Welt. Da war für mich klar, dass ich das geil finde. Zuvor war ich beim Soundcheck zum tausendsten Hosen-Konzert. Das ist zustande gekommen, weil die Mutter meines besten Freundes damals für die Plattenfirma gearbeitet hatte. Dann standen da nur Kids und wir haben alle ein Shirt bekommen. „Mit Vollgas in die Hölle“ stand darauf. Das hat mich beeindruckt, weil ich schon mit vier Jahren immer ins Stadion geschleppt worden bin, und jetzt spielten die Hosen dort. Du hast schon gemerkt, dass das was Besonderes war, dieses tausendste Konzert.

Wo du gerade Locations ansprichst. Ich war früher viel im Jugendzentrum Lacomblestraße. Gibt es das noch? Wo trifft sich die Szene in Düsseldorf heute? Wie hat sie sich verändert?
Kay: Das war ja auch ein geiler Laden. Da war immer was los. Es spielten sowohl lokale Bands als auch die Klassiker aus dem Hosen-Umfeld: UK SUBS, CHELSEA, LURKERS und so. Daran kann ich mich noch gut erinnern. Der Laden fehlt, wurde gerade abgerissen und wird neu gebaut. Der alte Charme wird auf jeden Fall verlorengehen.
Anna: Ja, die sind so weit fertig damit. Das ist ganz schick geworden. Ich bin letztens noch da vorbeigegangen und habe mich gefragt, wo da jetzt der Konzertsaal sein soll. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass es noch mal so wird wie damals. Ich finde die Frage spannend, weil Düsseldorf eine prägende Stadt war. Ich komme ja ursprünglich aus Rostock und kam erst 2008 hierher und überlege, wie war das da mit der Punk-Szene, dass ich nicht schon dort damit in Berührung kam? Ich kann mich auch kaum erinnern, dass Punk in Rostock groß ein Thema war. Orte wie die Kiefernstraße hier, die fehlten. Es gibt noch immer das AK47, das Zakk und das Linke Zentrum, wo ab und zu auch mal Konzerte stattfinden. The Tube in der Altstadt wäre noch zu erwähnen.Das ist allerdings kein Szene-Laden, aber es finden da ab und zu mal Punk-Konzerte statt.
Kay: The Tube ist wirklich nicht der Szene-Laden. Es gibt noch ein paar wenige andere Läden, die aber nicht subkulturell sind, wo ab und zu mal Punk-Konzerte gespielt werden. Es gibt für mich eigentlich nur zwei Szene-Locations: das AK47 und das Linke Zentrum. Danach kommt das Zakk als kommerzieller Laden mit linkem politischen Anspruch, wo ich gerne bin. Generell muss man sagen, dass die Szene in Düsseldorf sauklein geworden ist. Weil es sich ja wirklich beschränkt auf das Linke Zentrum und das AK47, bundesweit einer der letzten Oldschool-Läden neben der Hamburger Hafenstraße und der Frankfurter AU. Im AK47 spielen allerdings häufig die immer gleichen Bands. Im Linken Zentrum laufen nur wenige Konzerte und es muss um 22 Uhr Schluss sein mit lauter Musik wegen der Nachbarn. Dann gibt es noch den Bauwagenplatz, wo man sich schon mal zu Konzerten trifft. Es gab noch das Tor 3. Das war aber auch in den Neunzigern, als die Welle losging, schon immer ein Techno-Laden gewesen. Für mich hat sich die Szene aber auch schon immer sehr mit den Leuten aus dem AZ Köln vermischt, den Leute aus dem Club Scheisse oder dem Limes. Ich habe gefühlt mehr in Köln abgehangen und Konzerte gespielt als in Düsseldorf, weil du in Düsseldorf mehr als die beiden genannten subkulturellen Läden nicht mehr hast.

Kommen wir zurück zur Band. WAUMIAU scheinen ganz plötzlich da gewesen zu sein? Seit wann seid ihr aktiv? Stellt euch doch mal kurz vor.
Kay: Ich hatte irgendwann einen Rappel gekriegt, als ich das erste Mal nach Corona wieder auf einem Konzert war, weil ich keine aktive Band hatte. Ich wollte schnell wieder auf die Bühne kommen. Ich hatte mal wieder Bock auf eine Punkrock-Band. Ich bin dann bei Instagram bei @weformedaband, einer Onlineplattform von den Musikerinnen von GURR, wo Musiker:innen-Gesuche aufgegeben werden können, auf eine Schlagzeugerin aus Düsseldorf gestoßen, die eine Schrammelpunk-Band machen wollte. Ich hatte dann schnell am Rechner einen kleinen Drei-Akkorde-Song aufgenommen und ihr geschickt, aber sie hat mir nie geantwortet. Aber das war so was wie der Startschuss für WAUMIAU, weil ich merkte, dass es mir richtig Spaß macht, Songs zu schreiben. Ich habe dann ein Stück nach dem anderen geschrieben und angefangen, mir Leute zu suchen, mit denen ich Musik machen kann. Das war im Sommer 2021. Ein Schlagzeuger war mit Jan schnell gefunden und mit Faf ein Bassist. Einer Freundin, die vielleicht singen wollte, waren wir zu professionell, ihr ging es zu schnell, weil wir schon viele Songs geschrieben hatten. Bei einem Konzert auf dem Bauwagenplatz haben wir Anna getroffen und sie gefragt, ob sie nicht mal zur Probe kommen und bei uns singen will. Und so kam es dann. Das war im November 2021, und im Dezember und Januar haben wir bereits erste Demos aufgenommen. Die habe ich an Kidnap geschickt. Die waren interessiert, was mit uns zu machen. Aber sechs kurze Songs waren zu wenig, Kidnap wollten ein Album machen und so haben wir im Januar die restlichen Songs aufgenommen. Es vergingen also drei Monate von Annas erster Probe mit uns bis zur Aufnahme des Albums.
Anna: Es hat direkt funktioniert mit uns. Ich hatte mir zuerst Gedanken gemacht, ob meine Stimme überhaupt zu Punk passt. Den gängigen rotzigen Gesang kann ich halt nicht so. Mein Gesang klingt klarer und höher. Ich fürchtete, meine Stimme wäre zu langweilig. Jedenfalls von weiblich gelesenen Personen habe ich dann positives Feedback bekommen, dafür, dass ich den Mut gefunden hatte. Ich frage mich aber, ob männlich gelesene Menschen auch so empfinden.
Kay: Ich finde, dein Gesang hat genau die richtige Portion Rotz.

Wie gestaltet sich das Songwriting bei euch?
Anna: Uns inspiriert alles, wo man dagegen sein kann. Ich denke, dass jeder seinen Teil zu den Songs beigetragen hat.
Kay: Im Prinzip arbeiten wir alle gemeinsam an den Songs. Der klassische Weg ist wohl, dass ich mit einer Idee an der Gitarre in den Proberaum komme. Unser Bassist, der Faf, ist allerdings mehr Musiker als ich und bügelt meine Ideen erst mal glatt. Faf macht also aus der Idee einen Song.
Anna: Die ersten Texte entstanden vor meiner Zeit und wirkten wie mir auf den Leib geschneidert. Die Samples, die die Songs einleiten, waren die Inspiration für die Texte.
Kay: Es sind die klassischen Punk-Themen. Die Samples, tatsächlich. Die Songs sind ohne Arbeitstitel entstanden. Ich hatte viele Samples zu Punk-Themen gesammelt als Einstiege in mögliche Songs. An denen hatten wir uns also zunächst orientiert. Die Texte stammen von Anna, Faf und mir.
Anna: Wenn mich im Alltag was beschäftigt, irgendeine Begegnung oder Äußerung von Leuten in der Bahn oder im Netz, dann mache ich mir Notizen in meiner App für Songtexte. Ich schaue dann, ob eine Idee zu WAUMIAU passt. Wie bei „Spießrutenlauf“, sind mir zum Beispiel feministische Themen wichtig. Aus Gesprächen mit FLINTA*-Personen wurde mir noch deutlicher, wie grenzüberschreitend Männer sein können. Wir versuchen trotzdem, ernste Themen mit Ironie und Leichtigkeit zu vermitteln. Ich denke, dass sich viele Menschen in unseren Texten wiederfinden können.
Kay: Ja, Augenzwinkern statt Parolen.

Zwei Songs, die ich besonders mag, sind „Frau Mahlzahn“ und „Serways to heaven“.
Anna: Faf hatte die Idee, das Schulsystem kritisch aufzugreifen, und das haben wir mit den Erziehungsmethoden von Frau Mahlzahn verbunden, wobei ich die Augsburger Puppenkiste selbst nie so geguckt habe. Als Erzieherin arbeite ich im pädagogischen Bereich und wollte einen Song zum Thema machen.
Kay: Zu „Serways to heaven“: Sanifair ist wohl ein Thema, das alle Bands kennen, die auf Tour gehen, und Pausen auf Raststätten einlegen. Du bekommst Bons für die Toilettengebühr und bekommst praktisch nichts dafür, also für die Bons. Bier und Zigaretten gab es einfach nicht. Mittlerweile allerdings soll es sogar Bier für die Bons geben, haben wir kürzlich erfahren. Unser Song ist dann wohl nicht mehr zeitgemäß.

Ich beobachte in den letzten Jahren ein erfrischendes textliches und musikalisches Revival des klassischen Punkrock der späten Siebziger Jahre. Hier würde ich auch euren Sound einordnen wollen. Wie fällt bisher die Resonanz auf euer Album aus?
Anna: Uns erreichen viele positive Rückmeldungen. Vergleiche mit HANS-A-PLAST waren tatsächlich auch schon dabei. Das freut mich natürlich. Diese Band hat mich sehr geprägt. Allerdings würde ich den Vergleich nicht ziehen. Unser Bandname ist wohl für manche unklar. Wir sind eben WAUMIAU. Wir machen uns keinen Druck bei dem, was wir tun.
Kay: Den Vergleich mit HANS-A-PLAST finde ich auch total nett und toll, aber ich würde ihn auch nicht ziehen. Ich wollte immer was machen, das vom Sound her so in Richtung THE SHOCKS oder anderen Bands geht, in denen Smail aktiv war. Es ist nicht so, als hätten wir das Rad neu erfunden. Uns erreichen viele Rückmeldungen, dass es so wirkt, als hätten wir viel Spaß auf der Bühne, was auch stimmt. Man merkt uns wahrscheinlich an, dass wir aus einer Laune heraus entstanden sind, unbekümmert aufspielen, und nicht mir großen Ambitionen gestartet sind. Es gibt natürlich auch ein paar negative Kommentare, aber darüber schmunzeln wir nur, weil wir uns selber nicht ganz so ernst nehmen.

Was hat es mit dem Namen WAUMIAU auf sich?
Anna: Die einen von uns lieben Hunde, die anderen Katzen. Der Name ist ein Kompromiss, ist doch klar.
Kay: Der Bandname macht uns unangreifbar. Wenn jemand unsere Texte dumm oder unsere Musik penetrant findet oder uns einfach nicht mag: das ist uns WAUMIAU. Viele Menschen stolpern über unseren Namen, halten das vielleicht für Kindermusik, wir haben schon viele Vermutungen gehört. Ich hatte mal ein kurzlebiges Bandprojekt, das WAUWAU hieß, weil alle guten Bandnamen mit Hunden bereits vergeben waren. Ich hätte den Namen gerne wiederbelebt. Faf war für WAUMIAU. Wir hatten dann zwischen den beiden Alternativen zu entscheiden.

Wart oder seid ihr noch in anderen Bands aktiv?
Anna: Viel kann ich hier nicht berichten. Ich war mal in zwei Schülerbands. Die eine hieß KULTURSCHOCK, die andere DIE SCHNUCKIS oder so ähnlich, aber das ist nicht der Rede wert. Dort habe ich auch gesungen. In der Nachbarschaft gab es Beschwerden über mich, weil ich angeblich nicht singen konnte. Ich weiß gar nicht mehr, was wir da für Musik gespielt haben. Punk war es jedenfalls nicht.
Kay: Wir haben es bis jetzt immer ganz gut geschafft, unsere anderen Bands nicht zu thematisieren, weil es doch zum Teil recht namhafte Bands sind, und wir für uns selbst sprechen wollen. Meine allererste Punkband, ich war 18 Jahre alt, hieß VORSPIEL. Das ist mir mittlerweile ein bisschen unangenehm, allein der Name. Wir konnten gar nichts, waren dafür aber recht lange zusammen. Wir hatten im AK47 gespielt, wurden mit einer Flasche beworfen und einer schrie: „Ihr seid scheiße!“ Vermutlich hatte er recht. Das war in den frühen Zweitausender Jahren, da durfte Punk noch alles. Jan hat bei DPH gespielt und Faf bei Z21.

Was dürfen wir in der Zukunft von euch erwarten?
Anna: Wir haben keine großen Zukunftspläne gemacht. Es wird auf jeden Fall weitergehen. Die Notizen-App ist aktiv. Ideen sind da.
Kay: Wir hatten letztens eine Diskussion im Proberaum, ob es das mit WAUMIAU nach der Veröffentlichung des Albums war. Wir spielen jetzt noch eine Show. War es das dann oder machen wir weiter? Wir hätten ja selber nicht damit gerechnet, dass das alles so ruckizucki geht, dass wir so schnell so viele Auftritte haben. Es war nicht so geplant, aber wir haben sehr viel Spaß. Wir sind total happy, wie es bisher gelaufen ist. Konkrete Pläne gibt es aber nicht. Wir würden Ende des Jahres gerne noch ein paar Konzerte spielen. Es gibt auch schon ein paar neue Songs. Warten wir es mal ab, was passiert.