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LAURA JANE GRACE

Hole In My Head

Jüngst habe ich das Buch „Tranny“ von Laura Jane Grace gelesen – mit der Frage als Fazit, ob Punk tatsächlich so scheiße ist. Und woher man weiß, was da überhaupt authentisch ist. Oder ob es nur daran liegt, dass „the industry“ da bei der einen oder anderen Band mit im Geschäft ist. Laura Jane Grace bringt mit „Hole In My Head“ ihr – je nach Lesart – zwölftes Album heraus und liefert zu den Fragen tatsächlich etwas an Aufklärung. Die ersten knapp zwanzig Jahre war Laura mit ihrer bekannten Band AGAINST ME! unterwegs. Es gab sieben Alben, dazu kamen Wiederveröffentlichungen und auch sehr gute abgewandelte Demoversionen einiger Platten. Dazu sparte die Band nicht mit Live-Alben und EPs – den Output dürfte Laura selbst nicht mehr zusammenbringen. Nach zig Besetzungswechseln, Erfahrungen mit Majorlabels und dem Business erschien 2016 mit „Shape Shift Me“ das letzte AGAINST ME!-Album. Zwei Jahre später erschien noch eine LP als LAURA JANE GRACE & THE DEVOURING MOTHERS mit weniger Punk und mehr Rock. Nicht zu vergessen ist die Zeit nach ihrem Coming-out als Transfrau 2012, in der sie neben AGAINST ME! immer mal wieder mit anderen musikalisch aufblühte – in Duetts mit Miley Cyrus und Joan Jett beispielsweise. Ob es mit AGAINST ME! jemals weitergeht, weiß man nicht – Songs dafür schrieb sie allerdings schon. Und veröffentlichte sie dann auf ihrer letzten LP „Stay Alive“ 2020 solo, da die Band wegen der Pandemie den Studioaufenthalt abbrechen musste. Zuletzt erschien noch die Solo-EP „At War With The Silverfish“ von 2021. Bei „Hole In My Head“ fällt zunächst das beeindruckende Coverfoto auf: grau wird zu bunt und hat seinen Ursprung in ihrem Tattoo-Prozess. Die Haare kamen ab und der Schädel wurde zugetackert. Die Tracklist beinhaltet elf Lieder. Beim ersten, dem voll instrumentierten Titeltrack, denkt man AGAINST ME! seien wieder unterwegs, er erinnert an „Transgender dysphoria blues“. Dann reduzieren sich die Songs zunehmend, bis mit „Dysphoria hoodie“ der erste reine Akustiksong kommt. Musikalisch findet sich in diesem Spektrum alles auf der Platte, gut gefällt mir die verzerrte Gitarre, die im Gegensatz zu den vorherigen Platten mehr zur Geltung kommt. Aufgenommen wurde es in den Native Studios in St. Louis mit David Beeman, gemixt hat das alles Matt Allison (RISE AGAINST, THE LAWRENCE ARMS). Textlich wird wie gewohnt recht viel reflektiert. Alles scheint an Punkrock für Laura schließlich nicht beschissen gewesen sein, denn im fantastischen „Punk rock in basements“ werden die schönen Momente der Vergangenheit besungen. Ihren Frieden dürfte sie mit so einigem gemacht haben: Vor kurzem wurde ihr vom Bürgermeister von Gainesville der „key to the city“ verliehen. So was wäre vor dreißig Jahren undenkbar gewesen.