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SIGUR RÓS

Odin’s Raven Magic

„Ágætis Byrjun“, das zweite, 1999 entstandene Studioalbum der ungewöhnlichen isländischen Band SIGUR RÓS (vor allem der isländische Gesang wirkte äußerst fremdartig und surreal), könnte 2000, als es über FatCat Records auch in Europa veröffentlicht wurde, eine meiner meistgehörten Platten des Jahres gewesen sein. Gleichzeitig sorgte es auch für den internationalen Durchbruch der im Post-Rock angesiedelten Band aus Reykjavík, die auch Elemente von Shoegaze, Neo-Klassik oder Dreampop in ihren Sound integrierte. Auch der Nachfolger „( )“ von 2002, die Platte ohne Namen und Songtitel, erzeugte dieselbe Anziehungskraft wie „Ágætis Byrjun“, danach begann der Hype um die Isländer zusehends zu nerven. Eindrucksvoll war aber auch das 2011 veröffentlichte Live-Album „Inni“ (inklusive Konzertfilm), das die alte Begeisterung kurz mal wieder aufflammen ließ. Danach erschienen noch die beiden Studioalben „Valtari“ (2012) und „Kveikur“ (2013), neben einigen Veröffentlichungen mit Remixen oder Filmmusik. An mir vorbei ging ebenfalls die Tatsache, dass der langjährige Schlagzeuger Orri Páll Dýrason die Band 2018 wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung verließ und SIGUR RÓS wegen Steuerhinterziehung in den Jahren 2011 bis 2014 angeklagt und verurteilt worden waren, und aktuell sogar noch weitere strafrechtliche Maßnahmen drohen. Ihre Musik hat trotz der irdischen Probleme nichts von ihrer außerweltlichen Schönheit verloren, wie das aktuell erschienene Live-Album „Odin’s Raven Magic“ unterstreicht, bei dem man allerdings überhaupt nicht merkt, dass es live aufgenommen wurde. Es handelt es sich zudem um den Mitschnitt einer Umsetzung des isländischen Gedichts „Hrafnagaldr Ódins“ aus dem Jahr 2002, das SIGUR RÓS mit Orchester einspielten, eine Kollaboration mit dem Komponisten Hilmar Örn Hilmarsson, mit dem sie bereits 2012 ein Album aufgenommen hatten und der auch schon mit PSYCHIC TV und CURRENT 93 zusammengearbeitet hat, und Steindór Andersen und Maria Huld Markan Sigfúsdóttir. Das Warten auf die Veröffentlichung dieser von einer sakralen Stimmung durchzogenen Aufnahmen hat sich aber gelohnt, auch wenn „Odin’s Raven Magic“ zu den ungewöhnlicheren Releases dieser insgesamt ungewöhnlichen Band gehört, die die symphonischen Qualitäten ihrer normalen Studioalben auf beeindruckende Weise noch erweitern kann.