Foto

POP. 1280

Way Station

Der Opener „Boom operator“ vom vierten Album der New Yorker Formation POP. 1280 windet sich in Lärm und Synthies, als wäre er das böse Industrial- und EBM-Kind von Eltern wie ATARI TEENAGE RIOT, MINISTRY, FOETUS oder FRONT 242.

Das kakophonische Störgewitter der Synthies und der Drum-Machine fräst sich direkt in den Neocortex und malträtiert gnadenlos die Synapsen. Ein wenig schwingt die Radikalität und Konsequenz der frühen EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN mit (etwa bei „Monument“) oder eines J.G.

Thirlwell aka SCRAPING FOETUS OFF THE WHEEL, als er 1985 auf seinem Album „Nail“ archaisch „The throne of agony“ zum Besten gab – radikal, selbstzerstörerisch und kompromisslos. „Under duress“ bringt ein wenig den Geist von TUBEWAY ARMY und dem frühen Gary Numan zurück.

„Hospice“ ist ein Soundtrack-kompatibles, dystopisches Industrial-Blues-Monster, das den frühen SWANS zu Zeiten von „Coward“ vom Album „Holy Money“ (1986) in nichts nachsteht und mit Stahlsägegitarren und Drums wie Planierraupen keine Gefangenen macht.

Der Schmerz ist fast physisch greifbar, die Apokalypse adäquat instrumentiert. Blixa Bargeld skandierte einst: „Hör mit Schmerzen!“ Das haben POP. 1280, benannt nach einem Roman von Jim Thompson (seine Abrechnung mit einer bigotten Kleinstadt), konsequent umgesetzt.

„Doves“ begeistert mit einer bassbetonten und endlos repetitiven Synthese aus frühen RED LORRY YELLOW LORRY und SHOCK THERAPY. „Home sweet hole“ könnte fast als eine Hommage an die VIRGIN PRUNES verstanden werden.

Oft ist der Gesang – oder das tosende und tobende Klagen – von Sänger Chris Bug ähnlich wie bei Klaus Kinski, als dieser Gedichte von François Villon zitierte. Mal bebend, mal ekstatisch, aber immer emotional außer sich.

Eine dunkle Gefühlswelt wird dem Hörer ungefiltert und ungeschützt vors Gesicht geklatscht. Vieles im neuen und nun radikaleren Sound der Band ist dem Neuzugang Matthew Hord (RUNNING, BRANDY) geschuldet.

Denn die Band realisierte, dass niemand von ihnen so viel Kenntnis über analoge Synthie-Hardware hatte wie Hord. Inhaltlich lotet „Way Station“ die tiefsten Tiefen des Inneren aus und streift die schmerzhaften Themen der Zeit.

Nicht unerwartet erzählt es auch vom Tod und von Menschen, die sich in oder vor großen persönlichen Brüchen befinden und mit schweren Verlusten fertigwerden müssen. Zum Beispiel in „Under duress“, in dem es darum geht, Menschen, die mit dem Verlust von Angehörigen und Freunden zu kämpfen haben, die nötige Empathie entgegenzubringen.

POP. 1280 hätten mit diesen Songs 1980 für SUICIDE im New Yorker Club Hurrah als Support spielen sollen, denn bereits damals postulierte Alan Vega: „Die Leute gingen zu einem Konzert, um unterhalten zu werden, aber ich habe die Idee gehasst, dass man auf der Suche nach Spaß zu einem Konzert geht.“