SHELTER

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Now and then

Es gibt Bands, die begleiten einen das ganze Leben. Ob sie noch existieren oder nicht, spielt da keine große Rolle. YOUTH OF TODAY ist für mich so eine Band. Um deren Sänger Ray Cappo ist es in letzter Zeit etwas ruhiger gewordenm und nach der YOUTH OF TODAY-Reunion-Tour 2003 widmete er sich ganz seiner Passion Yoga und neuerdings auch wieder SHELTER, der YOT-Folgeband, mit der er just ein wirklich gutes neues Album, „Eternal“ (Goodlife/Reality Records), einspielte. Und auch wenn viele Hardcore-Fans jetzt den Religionskoller kriegen, als spiritueller Spinner ist der wegen seiner Hare Krishna-Aktivitäten oft angefeindete Ray Cappo mitnichten zu betrachten. In Bielefeld traf ich den HC-Veteranen und frisch gebackenen Familienvater zum Gespräch.


Wie war die Tour bisher?

Eigentlich so, wie jede andere auch. Wir haben in verschiedenen Städten gespielt, darunter auch kleinere Clubs oder Festivals wie das With Full Force oder das Dour in Belgien. Ich bin mittlerweile seit knapp zwanzig Jahren auf Tour, so dass ich an keine Show mehr große Erwartungen knüpfe. Vor allem nicht, wenn sie so spontan zustande kommen, wie diese hier. Es ist schön, Freunde und Bekannte wieder zu treffen und die habe ich in vielen Städten dieser Welt.

Das neue SHELTER-Album "Eternal" erschien zu einem Zeitpunkt, an dem niemand mit euch gerechnet hat.

Ich hatte eigentlich aufgehört, Musik zu machen, hatte aber bereits ein Album ohne Gesang eingespielt. Die Songs sind demnach alle etwasa älter. Die Texte habe ich erst vor knapp acht Monaten fertig gestellt. Normalerweise entsteht die Idee zu einem Song in meinem Kopf, ich spreche kurz mit einem Gitarristen wegen der Umsetzung, dann geht es an den praktischen Teil. Für SHELTER habe ich 95 Prozent der Musik geschrieben. Als das Ganze fertig war, wurde ich gleich nach einer Tour gefragt. Aber eigentlich habe ich mit diesem ganzen Zirkus ja nichts mehr zu tun, ich habe noch nicht einmal eine Band! Ich fragte dann Ken Olden von BATTERY, der die neue Platte produziert hat, und Graham von BETTER THAN A THOUSAND, die aber leider in letzter Sekunde absagen mussten. Trotzdem, ich wollte kommen. Mir wurde sogar eine schwedische Begleitband zur Seite gestellt, alles mir unbekannte Musiker. Ich wollte aber wenigstens zusammen mit Freunden auf der Bühne stehen und so habe ich ein paar Bekannte aus Holland und Belgien auf dieser Tour dabei, die ich seit Jahren kenne.

Das Album ist in den USA bei Goodlife erschienen. Wie kam es dazu?

Ich kenne Edward, den Betreiber, seit vielen Jahren. Sie wollten die Platte herausbringen, auch ohne, dass ich groß auf Tour gehe. Etwas, was mir sehr wichtig war. Ich wollte alles, aber keinen Stress. Bei Labels wie Century Media oder Roadrunner wäre das sicher anders gewesen. Ich habe, wie gesagt, heute eigentlich nichts mehr mit Musik zu tun. Nachdem ich die Surfschule in Costa Rica vor fünf Jahren aufgegeben habe, widme ich mich seitdem meiner neuen Aufgabe, dem Unterrichten von Yoga.

Der Titel des Albums ist "Eternal", kannst du kurz erläutern warum?

Vor knapp drei Jahren lernte ich meine Frau, sie ist ebenso Yogalehrerin, und ihre zwei Kinder kennen. Wir verliebten uns, heirateten und bekamen eine Tochter. Ich hatte also plötzlich Verantwortung für eine, für meine Familie. Etwas, das ich bis dahin nicht kannte. In der Zeit vor unserer Hochzeit begann ich, den Glauben an meine Spiritualität zu verlieren. Mit der Vaterschaft änderte sich das schlagartig. Ich sah plötzlich wieder einen Sinn im Leben, der nun in der Herausforderung besteht, mein Wissen an meine Kinder weiterzugeben. Kindern fällt es wesentlich leichter, die Welt als einen magischen Ort zu begreifen, wo alles möglich ist. Ich gab ihnen weiter, was ich als Mönch in Indien gelernt hatte, und so entdeckte ich meinen eigenen Glauben wieder.

Wie und wann bist du auf Krishna gestoßen?

Ich war schon als Kind interessiert an, sagen wir mal, Spiritualität. Klar, in der Schule hatten wir Religionsunterricht, aber dem Fundamentalismus konnte ich nichts abgewinnen. Ich stehe eher für eine pluralistische indische Denkweise ein, die verschiedene Meinungen akzeptiert. Die Durchsetzung der christlichen Religion hat viel mit Politik zu tun, die den Menschen sagt, alles andere wäre falsch. Es geht aber darum, an etwas zu glauben, egal, ob du es nachher als Liebe, Gott oder sonst was bezeichnest. Wichtig auf diesem Weg war, die Entscheidung, Vegetarier werden zu wollen. Etwas, was in einer traditionellen italienischen Familie, in der es immer riesige Platten an Fleischbällchen und Pasta gab, nicht ganz einfach zu realisieren war! Als ich mit achtzehn auszog, konnte ich diesen Schritt dann endgültig realisieren. Ich aß noch Fisch, da ich als Kind immer Angeln gegangen war und es etwas naturverbundenes an sich hat. Das änderte sich schlagartig, als ich eines Tages mit Mike, dem Sänger von JUDGE und damaligen Schlagzeuger von YOUTH OF TODAY, zum Angeln fuhr. Wir brauchten Abstand von der letzten Tour, wollten Campen und Fischen, nichts weiter. Als ich einen Fisch fing, dessen Maul und Auge vom Haken aufgespießt worden waren, traf ich eine endgültige Entscheidung. Durch eine Freundin kam ich dann auf Yoga und Meditation. Das war auch die Zeit, in der Bands wie CRO-MAGS und CAUSE FOR ALARM sich für Krishna zu interessieren begannen. Früher tauschte ich mich öfter mal mit Harley Flanagan aus, was sich aber schnell änderte, da sie mehr an Marihuana und Schlägereien interessiert waren, als an Prinzipien. Ich dachte daraufhin, dass alle Krishnas so sein müssten. Erst mein Yogalehrer brachte mich dann wieder auf den Trichter.

Kannst du HC-Kids verstehen, die sich wegen deines Glaubens von dir und deiner Band abgewandt haben?

Mittlerweile ist es mir, ehrlich gesagt, egal. Ich habe einfach zu wenig mit der Szene zu tun, als dass es mich berühren könnte. Wenn du auf Texte von SLAPSHOT anspielst, die mich mehr als einmal auch persönlich angreifen sollten, kann ich dir hier sagen, dass deren Sänger Choke sich schon vor Jahren bei mir dafür entschuldigt hat. Ich verstehe meine Musik als Angebot für jeden, der sich dafür interessiert. Ich versuche dies mit einem klaren Kopf zu tun. Musik und Kunst an sich haben etwas Reinigendes, das auch andere zu überzeugen weiß.

War Kevin von 7 SECONDS eine Art musikalischer Mentor für dich?

Absolut, ja. 7 SECONDS waren mit die Ersten, die positive Ideale in ihren Songs weitergaben. Ihre Message verbreitete sich damals relativ schnell, genauso, wie in ihrem Song "Spread". Wenn man die Welt verändern will, sollte man bei sich selbst anfangen. Ich konnte als Teenager damit mehr anfangen als mit BLACK FLAG oder CIRCLE JERKS. Kevin nahm uns damals nicht nur auf sein Label Positive Force, sondern auch menschlich unter seine Fittiche. Ohne ihn wäre ich nicht das, was ich bin.

Das erste YOUTH OF TODAY-Album "Break down the walls" erschien aber trotzdem bei Pat Dubars Wishing Well Records. Warum?

Auch das geschah aufgrund von Kevins Einfluss. Wir nahmen das Album an der Ostküste auf und fuhren dann zu einem Konzert nach Kalifornien. Die erste Show spielten wir zusammen mit 7 SECONDS, AGGRESSION, D.I. und Pat Dubars UNIFORM CHOICE. Pat mochte YOUTH OF TODAY und so brachte er die Platte auf seinem Label heraus.

Kannst du dir eine weitere YOUTH OF TODAY-Reunion vorstellen?

Klar, warum nicht. Solange die Shows so viel Spaß machen wie 2003, bin ich dabei.

Vermisst du die Musik?

Teilweise. Ich bin aber eigentlich ganz froh, dass keiner meiner Yogaschüler über meine Vergangenheit Bescheid weiß. Yoga zu unterrichten, ist irgendwie wie Musik. Sobald du einen Namen hast, folgen dir die Schüler, egal, wo du auch unterrichtest, mit dem Unterschied, dass sie dich nicht, wie manchmal auf der Bühne, anspucken oder dir den Mittelfinger zeigen. Das geschieht subtiler, sie bleiben einfach weg, wenn ihnen der Unterricht nicht gefällt. In der HC-Szene war immer sehr viel Hass. Ich habe keine Ahnung, welche Band zurzeit angesagt ist. Wenn ich mich im Publikum so umsehe, scheint die Farbe schwarz gerade modern zu sein.