DISTANCE IN EMBRACE

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Zur Hölle mit der Szene!

In Zeiten des Internets kann man eine rege Fluktuation von Bands miterleben. Bands kommen, Bands gehen. Da stellen DISTANCE IN EMBRACE aus dem ostwestfälischen Minden mit fünf Jahren Bandgeschichte und bisher drei Alben eine durchaus positiv überraschende Ausnahme dar. Über 300 Konzerte spielte das Quartett bislang und veröffentlichte im Mai 2009 seinen aktuellen Longplayer „To Hell With Honesty!“. Grund genug, dem sympathischen Vierer ein paar Fragen zu stellen. Ich sprach mit Gitarrist/Sänger Adrian und Shouter/Gitarrist Niko.

Was hat sich seit eurem Debüt geändert?

Adrian: Unsere Musik ist insgesamt ein Stück härter geworden, ohne dass wir vergessen haben, dass unsere Wurzeln im Punkrock liegen. „The Consequence Of Illusions“, unser Debüt, war mehr emolastig, während „Utopia Versus Archetype“ schon metallischer war.

Niko: Diesmal haben wir uns zum Ziel gesetzt, unsere unterschiedlichen Stileinflüsse wieder mehr miteinander zu vermischen. So ist die Platte um einiges verspielter als der Vorgänger.

Korrigiert mich, aber euer Albumtitel ist sicherlich ironisch gewählt. Wie wichtig ist euch Ehrlichkeit und in welchem Zusammenhang steht die Wahl des Albumtitels, zielt er, wie ich vermute, ab auf fragliche Entwicklungen der „Core“-Musikszene?

Adrian: Da liegst du richtig. Der Titel ist als augenzwinkernde Kritik an eine Szene gemeint, die sich mehr und mehr nur über Style zu definieren scheint. Hardcore-Shows werden mehr und mehr zu Modenschauen. Die Jungs machen untereinander aus, wer die dicksten Eier hat und die heftigsten Moves kann, bei den Mädels wird tonnenweise Schminke aufgetragen. Ich habe nichts dagegen, wenn die Leute im Pit abgehen, im Gegenteil, aber leider ist es oft so, dass jeder dort rücksichtslos sein eigenes Ding abzieht. Sorry, aber das hat rein gar nichts mehr zu tun mit dem, wofür Hardcore unter anderem steht – nämlich gegenseitiger Respekt und Rücksichtnahme.

Niko: Natürlich lässt sich so was nicht verallgemeinern und es betrifft sicherlich auch nur einen Teil der Szene. Aber es scheint so, als wäre dieser Teil in den letzten Jahren immer größer geworden.

Obwohl ihr mit der Musik nicht euer Butterbrot verdient, schafft ihr es, eure Alben in einem regelmäßigen Abstand von zwei Jahren zu veröffentlichen. Wie macht ihr das und was treibt ihr neben DISTANCE IN EMBRACE?

Adrian: Wir sind alle Studenten beziehungsweise haben das Studium vor kurzem abgeschlossen. Die Band nimmt natürlich viel Zeit in Anspruch, was zur Folge hat, dass man dann doch einige Uniprüfungen auf die lange Bank schiebt oder lieber auf Tour geht als in die Vorlesungen. Es ist nicht immer leicht, das alles unter einen Hut zu kriegen, aber bisher hat es immer irgendwie geklappt. Allerdings muss man dann auch damit klarkommen, dass man irgendwann der Letzte aus seinem Jahrgang ist, der seinen Abschluss noch immer nicht hat, haha!

Ihr habt euer aktuelles Release sowie den Vorgänger in den Rape Of Harmonies Studios aufgenommen und hattet HEAVEN SHALL BURN-Gitarrist Alexander Dietz als Produzenten zur Seite. Wie kam es zur Studiowahl und wie war die Zusammenarbeit?

Adrian: Bei den Aufnahmen von „Utopia Versus Archetype“ wählten wir das Rape Of Harmonies Studio, weil wir deren Produktionen für HSB, MAROON und NARZISS kannten. Wir waren mit dem Sound unseres Debüts nicht wirklich zufrieden und wollten daher in ein professionelleres Studio gehen, um auch soundtechnisch einen Schritt weiterzukommen.

Niko: Die Arbeit des gesamten Rape Of Harmonies-Teams war einfach hervorragend. Vor allem Alex brachte sich als Produzent voll in die Schaffensphase mit ein, das waren wir zuvor gar nicht gewohnt. Wir haben uns daher ganz bewusst entschieden, wieder dort aufzunehmen und von Alex produzieren zu lassen. Es kann einer Band nur gut tun, wenn sie einen Produzenten hat, der zu hundert Prozent bei der Sache ist und hinter dem steht, was man gemeinsam produziert.

Wie nehmt ihr die wirtschaftliche Entwicklung der Musik als vermeintliche Underground-Band auf einem etablierten Indielabel wie Horror Business wahr? Ist sie so negativ, wie generell behauptet wird?

Adrian: Es ist tatsächlich so, dass immer weniger CDs verkauft werden. Man kann es den Leuten ja noch nicht mal verübeln. Warum sollte man sich etwas kaufen, was man auch umsonst aus dem Internet haben kann? Das daran aber vor allem kleine Bands und Labels zu knabbern haben, wird oft übersehen. Natürlich ist es für eine unbekanntere Band gut, wenn ihre Musik über das Internet verbreitet wird und auf diese Weise so viele Leute wie möglich deine Musik entdecken können. Allerdings ist das meiner Meinung nach etwas kurz gedacht: gerade kleinere Bands sind auf CD-Verkäufe angewiesen. Wenn Indielabels die ohnehin schon kleinen Auflagen ihrer Bands nicht mehr loswerden, dann überlegen sie sich zweimal, ob sie überhaupt noch Platten veröffentlichen sollen. Immer mehr Labels werden aufgelöst. Das wiederum ist für Newcomer Bands natürlich sehr schlecht, da sie nirgendwo mehr einen Fuß in die Tür bekommen, wenn es keine kleineren Labels mehr gibt.

Niko: Etablierte Bands verkaufen vielleicht auch nicht mehr so gut wie früher, aber sie haben große Fangemeinden, innerhalb derer es immer noch viele Leute gibt, die sich auf jeden Fall ein Album kaufen werden. Ich glaube, diese Mentalität ist bei kleineren Bands weniger gegeben. Die Leute machen sich eben nicht so viele Gedanken darüber, was hinter der Musik steckt. Von daher kann man den Leuten immer nur wieder sagen: unterstützt lokale Bands und Underground-Labels. Oftmals hauen diese ihre Platten für einen viel günstigeren Preis raus als die großen Konzerne, zudem kann man so wirklich einen Beitrag zur Unterstützung der Musikszene leisten.

Dass ihr eure aktuelle CD als Special mit einer Bonus-DVD rausgebracht habt und diese für lediglich zehn Euro anbietet, ist also auch kein gravierender Rechenfehler, sondern ein Ansatz, das Medium Musik als physisches Produkt wieder interessanter zu gestalten?

Adrian: Genauso ist es. Gerade in der Zeit zunehmender illegaler Downloads wollte Horror Business zusammen mit uns ein Zeichen setzen, und das Album mit Bonus-DVD und aufwändigem Artwork für einen Appel und ein Ei anbieten. Es soll ein Dankeschön an die Leute sein, die sich eben nicht nur mit der Hälfte des Produkts zufrieden geben, sondern auch Wert auf ein anspruchsvolles Artwork und die Texte legen.

Rechnet sich das für euch überhaupt am Ende oder zahlt ihr hinterher drauf?

Niko: Dass da nicht viel hängen bleibt, ist natürlich klar. Aber wir wollten dieses Experiment wagen und schauen, wie es angenommen wird. Wir bieten alle unsere Sachen so günstig wie möglich an, reich wird dadurch niemand von uns.