LAGWAGON

Trashed

Fat Wreck macht sich einmal mehr an die Aufarbeitung der Label-Frühzeit, und im konkreten Fall betrifft das die ersten fünf Alben von LAGWAGON, der nach NOFX selbst ersten Band des Anfang der Neunziger gegründeten Labels.

„Duh“ (1992), „Trashed“ (1994), „Hoss“ (1995), „Double Plaidinum“ (1997) und „Let’s Talk About Feelings“ (1998) wurden in diesem Zuge neu gemastert und um Bonus-Songs erweitert und erscheinen sowohl im CD-Format mit umfangreichem Falt-Booklet mit Linernotes, Texten etc., wie auch als LP-Box, deren 1.000 Stück aber ruckzuck ausverkauft waren.

Die beiden späteren Alben „Blaze“ (2003) und „Resolve“ (2005) sind nicht Teil dieses Rerelease-Projektes. Ich erinnere mich noch, wie mir Fat Mike, es muss 1991 gewesen sein, begeistert von dieser jungen Band namens LAGWAGON erzählte, die er auf seinem neuen Label veröffentlichen werde.

1992 dann fand sich ein Song von LAG WAGON auf der Ox #12 beiliegenden 7“ (die anderen Bands waren BOXHAMSTERS, BONE CLUB und SUBWAY ARTS), und es war wohl für viele in Deutschland der erste Kontakt mit dieser NOFX nicht unähnlichen, vergleichbar melodiösen und dennoch aggressiven Band.

Ehrlich gesagt habe ich das Debüt „Duh“, das 1992 erschien, schon seit Jahren nicht mehr gehört, doch Lieder wie „Tragic vision“, „Mr. Coffee“, Lag wagon“ oder „Beer goggles“ wirken beim erneuten Kontakt in keinster Weise angestaubt, da ist kein „Oh, das fand ich mal gut ...?“-Gefühl, vielmehr frage ich mich, warum ich diese Lieblingsplatte so lange nicht mehr gehört habe.

Als Einziger der fünf Rereleases kommt „Duh“ als 2CD, wobei die zweite CD das Gesamtwerk der LAGWAGON-Vorgängerband SECTION 8 enthält. Mit „Trashed“ waren Joey Cape und Band dann 1994 zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle, denn GREEN DAY und OFFSPRING entwickelten sich seinerzeit von kleinen Geheimtip-Bands zu Megasellern, und in der zweiten Reihe profitierten neben BAD RELIGION, RANCID und NOFX auch LAGWAGON von diesem Hype, der in Europa von Deutschland aus seinen Anfang nahm.

Misstrauischen alten Meckersäcken passte das nicht, sie versuchten LAGWAGON und Co. als nichtssagend und belanglos abzutun, doch wie falsch sie damit lagen, zeigt sich daran, dass zum einen LAGWAGON bis heute aktiv sind, zum anderen Joey Cape seit einigen Jahren erfolgreich solo unterwegs ist, und vor allem überzeugen die Platten auch heute noch.

Damals sprach man von dieser Musik übrigens je nach Schreibweise als „Melodicore“ oder „Melody Core“, eine Genrebezeichnung, die seit den späten Neunzigern aus dem Wortschatz von Musikrezensenten verschwunden zu sein scheint.

„Trashed“ (1994) jedenfalls war griffiger und bissiger als das Debüt, die Kapuzenpullis tragende Meute tobte in Tausender-Stärke vor der Bühne, und auch mit „Hoss“, das bereits ein Jahr später erschien, war der Schwung nicht verpufft.

Erstmals die Nase voll hatte ich (und gefühlt auch andere) dann 1997, als „Double Plaidinum“ erschien, über das ich damals schrieb: „Nun schätze ich LAG WAGON als Mit-Pioniere des derzeit allseits runtergemachten Melodycore, waren sie es doch, die – leider? – Unmassen von Nachzüglerbands beeinflussten.

Dass der Melodycore-Zug mittlerweile aber deutlich an Fahrt verloren hat und deutliche Verfallserscheinungen zeigt, scheint aber auch den kalifornischen Epigonen dieses Sounds klargeworden zu sein, denn mit ihrem neuen Album versuchen sie, dieser selbstgebauten Schublade zu entkommen.

Zumindest halte ich das für den Grund dafür, dass ,Double Plaidinum‘ bisweilen schwer in den Alternative Rock-Bereich abdriftet und nur noch gelegentlich punkige Up-Tempo-Passagen auf Lager hat.

Verurteilen möchte ich das nicht, denn was soll eine Band auch tun, die in Genrestereotypen gefangen ist und versucht, diesen zu entkommen. Haken wir’s unter Weiterentwicklung ab, wobei der Unterschied zu den alten Sachen letztendlich weniger dramatisch ist als hier beschrieben.

So ganz mein Fall ist die Scheibe aber trotzdem nicht.“ Heute fällt mein Urteil milder aus, denn im Gesamtwerk fällt das Album kaum ab, und auch das dann für eine ganze Weile letzte Werk „Let’s Talk About Feelings“ (1998) ist aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden.

Bemerkenswert ist übrigens, wie gut sich LAGWAGON bei allen Cover-Songs schlagen. „Offiziell“ war beispielsweise AGENT ORANGEs „Everything turns grey“ auf „Let’s Talk ...“ enthalten, im Bonus-Teil finden sich „Want“ von JAWBREAKER und die geniale ECHO & THE BUNNYMEN-Nummer „Bring on the dancing horses“, und beim Debüt schon begeisterte die CCR-Nummer „Bad moon rising“.

Wer in einem Anfall von „Ich beende meine Jugend“-Wahn seine LAGWAGON-Platten verkauft hat oder sie sträflicherweise nie besessen hat, sollte hier zugreifen.