DAILY THOMPSON

Foto© by Jonas Wenz

Ein Herz für die Neunziger

Das letzte Album „Oumuamua“ hatte noch gar keine Zeit, Patina anzusetzen, da legen DAILY THOMPSON schon den Nachfolger auf den Tresen. Nur schlappe 16 Monate später lassen die Dortmunder Stoner-Rocker ihr fünftes Album „Gods Of Spinoza“ auf die Menschheit los. Und es klingt ganz anders als seine spacigen, psychedelischen, rifforientierten Vorgänger. Die acht neuen Songs wirken vielmehr wie eine Verneigung vor den Bands aus den Neunzigern: SONIC YOUTH , NIRVANA, SOUNDGARDEN. Als Gitarrenmusik eine nie dagewesene Blütezeit erlebte. Fuzzig und grungig, wie ein Release aus Seattle. Was zum Kurswechsel im Sound geführt hat, erklären Bassistin Mercedes „Mephi“ Lalakakis und Gitarrist Danny Zaremba.

Was hat euer neues Album „God Of Spinoza“ mit Albert Einstein zu tun?

Danny: Albert Einstein hat auf die Frage, an welchen Gott er glaubt, mal geantwortet: „Ich glaube nur an den Gott von Spinoza.“ Das fand ich ziemlich cool und dachte mir, das wäre doch ein idealer Albumtitel. Baruch de Spinoza war ein niederländischer Philosoph im 17. Jahrhundert und gilt als Begründer der Religionskritik.
Mephi: In unseren Augen ist der Mann der erste Punk. Der stand damals schon für Meinungsfreiheit und galt als einer der radikalsten Denker seiner Zeit. Für ihn war Gott kein alter Mann im Rauschebart, sondern steckte überall in der Natur. In jedem Baum, in jedem Tier. Seine Botschaft war: „Richte dich nicht nach Vorschriften und Ratschlägen von Priestern oder Tugendwächtern, sondern mach das, was dir guttut.“ Diese Philosophie war natürlich nicht gern gesehen im 17. Jahrhundert, deshalb hatte der Mann mit seiner Einstellung damals große Schwierigkeiten.

Stand Spinoza als Individualist deshalb auch Pate für euer neues Album? Denn es klingt ganz anders als sein Vorgänger ...
Mephi: Das ist schon so. Wir machen uns nie Gedanken darüber, wie unser Sound sich entwickeln soll. Es gibt keinen Masterplan. Wir schreiben Songs und machen das, worauf wir Bock haben. Daraus ergibt sich dann die Richtung, die wir einschlagen. Das haben wir schon vom ersten Album an so gemacht. Wir müssen nicht immer zehnminütige Spacerock-Songs spielen, das würde uns schnell langweilen.
Danny: Wir hatten uns nicht vorgenommen, was ganz anderes zu machen. Das hat sich einfach so entwickelt. Ganz natürlich. Es gibt aber immer noch genug Elemente in den neuen Songs, die man auch auf der letzten Platte finden kann. Wenn man sich alle fünf Alben von uns anhört, wird man merken, dass alle irgendwie anders sind. Es gibt nur einen kleinen roten Faden, der alles verbindet, und wenn der reißt, dann knoten wir ihn einfach wieder zusammen.

Auffällig ist bei „God Of Spinoza“ die Affinität zum Sound der Neunziger. Im Song „Cantaloupe melon“ zum Beispiel hört man sehr deutlich, dass ihr SONIC YOUTH nicht völlig scheiße findet. Woher kommt das?
Danny: Ich bin einfach ein Kind der Neunziger. 1990 war ich 15 Jahre alt. Vorher war ich Skateboarder und habe viel Punkrock wie BLACK FLAG gehört. Dann hat mich diese Alternative-Welle voll erwischt. Ich bin also mit dieser Musik aufgewachsen.
Mephi: Ich war da gerade mal zwei Jahre alt. Als ich mit 13 Jahren in eine neue Klasse kam und SONIC YOUTH voll abgefeiert habe, haben mich alle anderen nur belächelt, weil sie mich nicht verstanden haben. Dann habe ich Bands wie SILVERCHAIR, SOUNDGARDEN oder TEMPLE OF THE DOG für mich entdeckt, obwohl die längst schon wieder Vergangenheit waren. Das war ja schon in den Nuller Jahren. Ich war auch geflasht von SMASHING PUMPKINS oder PIXIES, obwohl die damals ihre beste Zeit schon hinter sich hatten. Dieses Jahrzehnt hat mich musikalisch total abgeholt, obwohl ich es selbst nicht bewusst miterlebt habe. Erst vor zwei Jahren haben wir ALICE IN CHAINS live gesehen, als wir bei einem Festival gejobbt haben. Das war natürlich grandios, obwohl sie inzwischen einen neuen Sänger haben. In den Neunzigern war gefühlt jedes Album, das herauskam, großartig.

Wie lief der Entstehungsprozess des Albums ab? Den Vorgänger „Oumuamua“ habt ihr ja mitten in der Corona-Pandemie veröffentlicht ...
Mephi: Nach dem Release von „Oumuamua“ hatten wir ganze sieben Shows und die waren teilweise bestuhlt mit Abstandsregeln und so. Eigentlich wollten wir vor dem Release auch auf Festivals spielen und die neuen Songs promoten, aber das ging alles gar nicht. Deshalb haben wir uns im Lockdown einfach hingesetzt und angefangen, Songs zu schreiben. Ich habe mir sogar extra dafür einen Akustikbass bestellt. Wir wollten uns einfach nicht in diesen Corona-Strudel hineinziehen lassen und stattdessen die Zeit nutzen, die wir sonst nie gehabt hätten, weil wir ständig unterwegs sind.
Danny: Wir sind aber auch in unserem Rhythmus geblieben. Ab November nehmen wir normalerweise keine Shows mehr an, sondern gehen in den Proberaum und machen zwei oder drei Monate Konzertpause. Dann schreiben wir neue Songs, und wenn wir genug zusammenhaben, nehmen wir sie einfach auf. Wir drei durften uns ja problemlos treffen und einfach weitermachen. War ganz offiziell erlaubt und weil sowieso nichts anderes möglich war, haben wir uns jeden zweiten Tag im Proberaum getroffen.

Und wie seid ihr finanziell klargekommen? Zwei von euch sind ja im Merchandise-Business tätig und touren mit anderen Bands.
Mephi: Wir verkaufen Shirts auf großen Festivals wie Rock am Ring und veranstalten noch nebenbei das Check Your Head Festival in Dortmund, aber da ging natürlich gar nichts. Wir hatten aber das große Glück, dass wir Stipendien von der Initiative Musik oder von der GVL , der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, bekommen haben. Das ist bei uns sehr unkompliziert gelaufen. Privat wurde es schon eng, aber zumindest was die Band betraf, ging es eigentlich ganz gut. So konnten wir jetzt auch das Album und Videos herausbringen, obwohl die Einnahmen an allen Ecken und Enden fehlen. Das muss ja alles finanziert werden, auch wenn Konzerte und die sonstige Arbeit komplett wegfallen.
Danny: Wir haben es zum Glück geschafft und darüber sind wir auch ziemlich froh. Aber so langsam könnte es sehr schwierig werden, wenn man die Weiterentwicklung betrachtet.

Bei den Aufnahmen hat euch ein alter Bekannter tatkräftig unterstützt: Peter Bering, Sänger und Gitarrist von PIGHOUNDS.
Danny: Wir kennen die PIGHOUNDS schon viele Jahre. Mit dem Schlagzeuger Sandro habe ich früher bei Trashmark Merchandising gearbeitet und jetzt sind wir beide zufällig bei Noisolution gelandet. Wir wollten das neue Album auf jeden Fall wieder in unserem Proberaum aufnehmen. Das war schon bei „Oumuamua“ total entspannt und hatte nicht diese typische Studioatmosphäre. Irgendwann saßen wir dann mit Peter hier bei einem Bier und haben gemeinsam festgestellt: Eigentlich kannst du das doch machen. Dann war sofort klar, dass Peter das neue Album aufnimmt und die Spuren anschließend zu Tony Reed von MOS GENERATOR in die Staaten schickt und der hat die Songs dann in seinem HeavyHead Studio gemischt und gemastert.
Mephi: Alle waren happy damit, wie das lief. Wir mussten nicht ewig Instrumente aufbauen und Soundcheck machen. Die Aufnahmen haben gerade mal zwei Wochenenden gedauert, dann waren die acht Songs im Kasten. Wir hatten unseren gut gefüllten Kühlschrank hier und durften sogar rauchen. Was gibt es Schöneres, als mit seinen besten Freunden zu arbeiten?

Euer letztes Album „Oumuamua“ war euer erstes für Noisolution. Damals wart ihr total euphorisch. Hat sich eure Vorfreude auf die Zusammenarbeit bewahrheitet?
Mephi: Wir lieben uns und alle unsere Wünsche sind in Erfüllung gegangen. Gerade schicken wir uns Curry-Ketchup hin und her, weil wir so eine Currywurst-Battle zwischen Dortmund und Berlin laufen haben, haha. Die machen alles mit so viel Liebe und bringen ständig neue Ideen an. Das waren wir als Band gar nicht gewohnt. So viel Leidenschaft habe ich bisher bei keinem anderen Label erlebt. Wir sind sogar extra nach Berlin gefahren, um unsere Platte persönlich bei Noisolution abzuholen.

Was ist rund um den Release geplant?
Mephi: Die Tour zum Album können wir erst im April und Mai spielen. Wenn nichts schiefgeht. Im März wollen wir noch ein paar Konzerte mit dem New Yorker Künstler ABSTRACT ARTIMUS spielen, die Support-Tour für die schwedische Band KAMCHATKA im Oktober wurde ja leider Corona-bedingt abgesagt. Streaming-Konzerte wollen wir bis März keine spielen, das hat ja schon 2020 keinen mehr interessiert. Wir gehen bis dahin lieber in den Proberaum und schreiben neue Songs.