DERITA SISTERS

Foto© by Band

Dance, motherfuckers, dance!

Die DERITA SISTERS aus dem kalifornischen Santa Barbara haben nach 31 Jahren und ebenso vielen Alben ihre Auflösung verkündet. Die neue Scheibe „The Fuckening“ ist also das Abschiedsgeschenk an alle, die ihren melodischen Punkrock und die von Sarkasmus, Bissigkeit und selbstironischem Augenzwinkern geprägten Texte zu schätzen gelernt haben. Auf dem aktuellen Output nachzuhören in Songs wie „Slave to my phone“, „I used to be punk“ oder „Dance motherfuckers dance“.

Zwischen 1999 und 2005 war die Band vor allem in Deutschland sehr präsent und hier jährlich auf Tour, was auch dazu führte, dass neue Bandmitglieder für die häufiger wechselnde Besetzung auch gleich hierzulande rekrutiert wurden. Und ihr Klassikeralbum „The Great Satan“ von 2002, das bis heute nichts von seiner Frische verloren hat, wurde in Bottrop aufgenommen. Die einzige personelle Konstante seit der Bandgründung war immer Sänger und Gitarrist Mark „Derita“ Gilman, der meine Fragen zur Bandauflösung und zu „The Fuckening“ beantwortete.

Mark, warum löst ihr die DERITA SISTERS auf? Ich finde, dass die letzten beiden Alben mit die besten sind, die ihr je gemacht habt. Charlie Harper ist immer noch älter als du!
Es gibt einige Gründe, mit den DERITA SISTERS aufzuhören. Ja, das Alter ist schon ein wichtiger Grund. Ich bin jetzt 65. Ich war 33, als wir angefangen haben, und es wird schwieriger, je älter du wirst. Ich wollte nie so ein „alternder Rockstar“ sein. Wann immer ich mir alte Bands anschaue, die seit vierzig Jahren dabei sind, ist es enttäuschend. Ich habe so viele Bands gesehen, die ihre Songs zu langsam spielen. Und der Sänger trifft die Höhen nicht mehr, so dass sie in einer niedrigeren Tonlage spielen müssen. Das ist doch echt traurig. Rock’n’Roll ist etwas für junge Leute, haha. Das heißt nicht, dass du keinen Spaß mehr am Hören von Rockmusik haben sollst, wenn du älter bist. Aber manchmal ist es besser zu wissen, wann man aufhören sollte. Der andere Grund ist, dass die DERITA SISTERS inzwischen weltweit verteilt sind. Ich lebe in Kalifornien. Frank, unser Leadgitarrist, in Deutschland. Und unsere Rhythmustruppe, Rob und Ant, lebt in England. Da ist es schwierig, gemeinsame Treffen hinzubekommen. Wenn wir eine größere Fanbase hätten, wäre es das trotzdem wert, aber unsere glorreichen Tage sind vorbei, so dass es sich finanziell nicht rechnet, Touren und Shows zu planen.

Auf dem Frontcover eures neuen Albums „The Fuckening“ sind Soldaten zu sehen, die eine QAnon-Flagge hissen. Welche Rolle spielt QAnon in Amerika aktuell? Was kriegt man von denen mit?
Eigentlich ist das ein ziemlich berühmtes Foto, das zeigt, wie die alliierten Truppen im Zweiten Weltkrieg in der Normandie landen, um sie von den Nazis zu befreien. Sie haben am Strand eine Flagge aufgerichtet, um zu zeigen, dass die Demokratie sich gegen den Faschismus durchsetzen wird. Derzeit gibt es in den USA einen beunruhigenden Trend nach rechts, der diese Demokratie bedroht. Und QAnon ist eine Organisation, die Verschwörungserzählungen vertritt. Sie unterstützt Trumps Ideen und die der extremen Rechten. Und das halbe Land glaubt das alles. Das Foto ist also ironisch gemeint: Dieselben Leute, die mal die Flagge der Demokratie gehisst haben, machen dasselbe jetzt mit der Flagge des Totalitarismus. Es sind beängstigende Zeiten gerade.

Einige der Songs vom Album habt ihr während der Corona-Pandemie geschrieben. Wie hast du diese Zeit erlebt? Und wie hat sich die Gesellschaft in deinen Augen verändert?
Ich habe viele Songs für „The Fuckening“ während der Pandemie geschrieben. Es gab ja sonst nicht viel zu tun. Der ursprüngliche Plan war, sich im Studio zu treffen und gemeinsam aufzunehmen. Das wurde dann unmöglich und wir dachten darüber nach, das Album übers Internet aufzunehmen. Das erledigte sich aber letztendlich. Es war einfach zu schwierig, Drums und Bass in London aufzunehmen, meine Parts in Kalifornien und Franks Gitarrenspuren in Deutschland. Ich hasse diese Art des Aufnehmens sowieso, weil da dieser rohe Vibe fehlt, den du beim gemeinsamen Einspielen im Studio hast. Ich habe übrigens Kochen und Backen gelernt während der Pandemie, haha! Die Gesellschaft hat sich komplett geändert in dieser Zeit, weil die Rechten immer wieder Verschwörungsmythen übers Impfen und über Corona selbst verbreitet haben. Und die „Desinformationsmaschinerie“ hat wirklich geholfen, die Gesellschaft zu spalten, als sie eigentlich geeint hätte sein sollen. Dann sind natürlich die Preise für alles hochgeschnellt. Noch heute kostet eine Gallone Benzin fast 6 Dollar und Lebensmittel kosten etwa 1.500 Dollar pro Monat. Das macht es für viele schwierig zu überleben. Seltsamerweise gibt es viele Jobs, aber niemand will arbeiten gehen. Wir haben uns daran gewöhnt, zu Hause zu bleiben.

Spielt ihr noch mal ein paar Konzerte oder war es das jetzt wirklich?
Das letzte DERITA SISTERS-Konzert war 2015 beim Rebellion-Festival in England. Es war das dritte Mal, dass wir dort gespielt haben, und ich fand, dass es eine gute Gelegenheit für ein letztes Konzert wäre. In echter DERITA SISTERS-Tradition waren nur etwa dreißig Leute im Publikum, haha. „Nobody cares“, wie einer unserer älteren Songs heißt.

Das ist schade! Aber noch mal zurück zum Album: Das habt ihr ja letzten Endes zu dritt aufgenommen, wie ich im Booklet gelesen habe. Wie habt ihr dann Songwriting und Aufnahmen hinbekommen?
Unser Gitarrist Frank und ich wollten das Projekt unbedingt noch fertigstellen, also haben wir übers Internet Dateien ausgetauscht und das Album auf diese Art zusammengestellt. Ich habe ein paar neue Songs und ein paar alte, nie richtig aufgenommene Demos rausgesucht und Frank hat sich um die Arrangements gekümmert. Wir wollten dann eigentlich die Besetzung von unserem 2002er Album „The Great Satan“ zusammenbekommen. Frank und die anderen beiden damals Beteiligten leben ja alle in Deutschland. Aber das hat nicht geklappt. So hat dann letztlich Halli von Franks anderer Band WEEKLY CAROUSE das Schlagzeug übernommen. Frank und ich haben alle Gitarren- und Bassspuren eingespielt. Wir hatten einen tollen Tontechniker, der sich mit digitaler Produktion gut auskennt, und haben das Album in zwei Wochen fertiggestellt.

Ihr seid von Ende der Neunziger bis Mitte der Zweitausender jährlich in Deutschland getourt. Was waren Highlights für dich?
Aus irgendeinem Grund hat uns die deutsche Punkrock-Szene damals sehr willkommen geheißen. Warum, weiß ich bis heute nicht so richtig, haha. Aber wir hatten mehrere Deals mit kleinen Plattenfirmen, die Touren mit sich brachten. Wir fühlten uns wie Rockstars, weil sich die Clubs so gut um die Bands gekümmert haben. Du hast Essen und Bier bekommen, einen Schlafplatz, Frühstück und sogar Gage. Und wir hatten eine rundum tolle Zeit mit großartigen Menschen. Ich habe auf den Touren lebenslange Freundschaften geschlossen. Es war schön zu sehen, wie die Leute die Musikszene unterstützt haben, was es hier in Amerika schon damals so nicht gab. Unsere Lieblingslocation war immer das Wild at Heart in Berlin, das bei unseren Shows auch immer ausverkauft war. Wir haben zwei Live-Alben dort aufgenommen. Wir haben auch auf dem Full Moon Festival gespielt, in einer großen Scheune auf einem Bauernhof. Das war super. Alle Jugendlichen kamen aus ihren Dörfern her und ich erinnere mich, dass ich mit ihnen vor der Show Tequila getrunken habe. Einmal haben wir im Marquee in Hamburg gespielt, wo auch früher die BEATLES aufgetreten sind. Und die Leute haben unsere Songs mitgesungen. Das hat mir viel bedeutet. Ich konnte es kaum glauben. Die lustigsten Momente waren natürlich im Van unterwegs. All der dumme Scheiß, den wir da so machten wie pupsen, rülpsen und sich eben wie kleine Kinder benehmen, haha. Wir sind mit WEEKLY CAROUSE getourt. Die waren nur halb so alt und haben uns für ziemliche Idioten gehalten, haha.

Möchtest du zum Abschluss den DERITA SISTERS-Fans in Deutschland noch etwas sagen?
Also wenn es da draußen wirklich noch Fans von uns gibt, wünsche ich euch viel Spaß mit „The Fuckening“. Alles, was wir je aufgenommen haben, findet ihr übrigens inzwischen auf den ganzen Streaming-Plattformen. 31 Alben und Outtakes. Und wenn ihr die Chance habt, Franks andere Band WEEKLY CAROUSE zu sehen, macht das unbedingt. Er ist die andere Hälfte der DERITA SISTERS und hat mir wirklich sehr geholfen, die Band die letzten 25 Jahre am Laufen zu halten. Schreibt uns mal auf Facebook. Und danke für all die Erinnerungen und tollen Erlebnisse. Das sind Erfahrungen, die ich nie vergessen werde.