LEITKEGEL

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Am Ende bleibt es Emo

Klimawandel, die Situation von Flüchtlingen, die eigenen „Erste-Welt Probleme“ – LEITKEGEL wollen nichts vergessen und allem Raum lassen: für politische Themen, den persönlichen Quälereien, für Trompeten und für Streicher, für dich und mich und alle da draußen. Schließlich heißt ihr Album „Wir sind für dich da“. So vollgepfropft entsprechend ihr Album geworden ist, so reich scheinen LEITKEGEL an Freunden zu sein, die sie nach vorne pushen und ihre Platte zum Thema im Netz machen. Wir sprachen mit Sänger Daniel über Emo, Tiefsinnigkeit und die Macht von Social Media.

Ihr verweist in eurem Presseinfo auf euren Witz und eure Ironie, dabei seid ihr ja eine Emo-Band. Wie passt das zusammen?


Warum sollte das nicht passen? Wenn man emotional ist, ist man nicht automatisch auch ernst. Es geht darum, Ereignisse und Wahrnehmungen emotional zu verarbeiten, zu reflektieren und das auf eine ironische Weise wieder nach außen zu transportieren und weiterzutragen. Wenn du von Emo als Genre sprichst, herrscht da in der Regel ein ernster Ton und ich würde sagen, das trifft auch auf uns zu. Selbst wenn ironische Zwischentöne darin sein mögen. Wir selbst nehmen uns aber sicher nicht so ernst. In dem Sinne kommt die Ironie eher dabei ins Spiel, wie wir uns selbst geben.

Ironisch wird es also bei der Art, wie ihr LEITKEGEL nach außen hin verkauft. Ihr habt ja zur neuen Platte einige eurer illustren Freunde lustige Reviews verfassen lassen, wie Jörkk Mechenbier, Linus Volkmann und so weiter. Wie läuft die kritische Auseinandersetzung mit „Wir sind für dich da“?

Bisher sehr gut, wir sind zufrieden. Wir arbeiten das erste Mal mit einer Promoagentur zusammen, die uns sehr viel abnimmt. Das ganze Anschreiben und Plattenverschicken kann ja auch etwas nervig sein, wenn man alles selber macht. Das Feedback fällt bisher nett aus. Vereinzelt gibt es auch Kritik, aber wenn du deine Platte veröffentlichst, kannst du nicht davon ausgehen, dass sie allen gefällt. Bisher war nichts dabei, das uns dazu gebracht hätte, darüber nachzudenken, ob wir aufhören.

Das wäre ja auch kein guter Grund.

Richtig. Wir hatten mit Ende Dezember nicht unbedingt den besten Releasetermin. Da bist du natürlich aus der Wahrnehmung 2019 ein bisschen raus, das Jahr war eigentlich schon abgeschlossen, die Bestenlisten waren erstellt. Dadurch hätte es sein können, dass die Platte entweder gar nicht besprochen wird oder aber erst im Januar. Darum freuen uns die Rückmeldungen umso mehr.

Ihr habt ein wohlwollendes Review von Visions bekommen, in dem euch der Autor in das Fahrwasser von FJØRT geworfen hat. Eigentlich gibt es euch ja schon eine ganze Weile, mindestens genauso lang wie FJØRT. Woher kommt das nun steigende Interesse an LEITKEGEL?

Ich nehme auch einen Anstieg des Interesses wahr. Ich glaube, dass es mit der Promoarbeit zu tun hat und auch damit, dass wir jetzt ein richtiges Album rausgebracht haben. Wir haben ja vorher nur EPs gehabt und zwei davon noch mal zusammengefügt veröffentlicht. Ein richtiges Album war das aber nicht. Dann haben wir lange Zeit gar nichts gemacht und auch nur punktuell gespielt, vielleicht zwei oder drei Konzerte im Jahr. Da kann man in Vergessenheit geraten, wenn jemand uns nicht sehr genau verfolgt. Es hat sich was getan, weil wir uns selber über die sozialen Netzwerke an die Oberfläche gespült haben. Dadurch sind Leute wieder aufmerksam geworden und neue Leute haben sich interessiert.

Die Online-Marketing-Maschine läuft also?

Ohne geht es eigentlich nicht mehr. Was für eine Chance hat man, Menschen zu erreichen, außer über die sozialen Netzwerke oder indem man Konzerte spielt, was ja mittlerweile auch ohne Social Media nicht mehr klappt. Die Vertriebswege haben sich ja auch geändert. Wir haben überlegt, ob wir CDs machen sollen, aber die verkaufst du in der Regel nicht. Das Medium ist heute Spotify. Und auf Konzerten holen sich Leute noch Platten, weil Vinyl in Szenekreisen einen Stellenwert hat.

Musikalisch ist bei euren Songs ja immer eine Menge los. Habt ihr bei diesen doch sehr vollgeladenen Songs mit Streichern, Trompeten und allem Drum und Dran nicht manchmal die Sorge, dass es zu viel werden könnte?

Haben wir tatsächlich nicht. Wir setzen uns üblicherweise zusammen und überlegen, was man zusätzlich zu Gitarre, Bass, Schlagzeug noch machen könnte. Irgendwann hebt jemand seinen Finger und weist auf die Nachbarin hin, die Trompete spielen kann. Dann probieren wir das aus. Bei manchen Songs und Experimenten hat es sich auch mal als zu krass erwiesen. Wir haben immer im Hinterkopf, dass wir die Songs live spielen können müssen. Eine fehlende Trompete ist da nicht so schlimm, aber wenn du da eine ganze Blaskapelle im Hintergrund hast, wird es problematisch. Im Kern sind wir eine Live-Band. Wir wollen beim Aufnehmen sehen, was man noch aus dem Song rausholen kann, aber wir müssen ihn noch spielen können, auch wenn dann die Gitarre einen Streicherpart übernimmt.

Unter anderem wird an den Texten von „Wir sind für dich da“ die Tiefsinnigkeit gelobt.

Ich halte „Tiefsinnigkeit“ für einen schwierigen Begriff, wenn man es über sich selber sagt. Anscheinend kommt das von alleine. Man schreibt einen Text und wer den Song hört, erkennt Tiefsinnigkeit, auch wenn sie vielleicht gar nicht da ist. Das Schönste, was jemand für mich über einen Text sagen kann, ist: Das berührt mich. Was ich überhaupt sehr mag, ist, wenn dann jeder, der die Songs hört, für sich etwas Eigenes daraus macht. Mancher Text ist etwas direkter als der andere, aber im Prinzip läuft es so. Die Leute entdecken selbst neue Aspekte an den Texten, an die ich gar nicht gedacht hatte.