NASTY

Foto© by Kevin Bethke

Grenzüberschreitung

NASTY sind bekannt für aggressiv-impulsiven Hardcore mit einer gehörigen Portion Beatdown. In den vergangenen Jahren haben sie ihr Soundspektrum bereits ein wenig erweitert, auf ihrem neuen Album „Heartbreak Criminals“ halten sie nun ein paar echte Überraschungen bereit. Welche das sind, wieso die Band ihre Komfortzone ausreizt und selbst beim Schlagermove eine gute Figur abgeben würde, verrät uns Gitarrist Patrick „Paddy“ Gajdzik.

Paddy wählt sich überpünktlich in unseren Call ein, obwohl er jede Menge um die Ohren hat: kleine Tochter, Haushalt, sein Job in der Veranstaltungsbranche und natürlich die Band. Der verregnete Sommer nervt auch. Ansonsten ist er aber entspannt, da bestens auf die Veröffentlichung des neuen Albums vorbereitet. Abgesehen von ihrer Release-Show werden NASTY die neuen Songs das erste Mal bei der Never Say Die! Tour im November live spielen – als Headliner. „Der perfekte Zeitpunkt“, wie Paddy meint. „Bis dahin können sich die Leute schon mal vertraut machen und ordentlich eingrooven.“ Denn „Heartbreak Criminals“ ist ein richtig gutes, hartes Hardcore-Album, so kündigte es die Band an. Wieso? „Ich finde, wir kommen gut auf den Punkt“, erklärt Paddy. „Außerdem sind wir viel eingängiger – und natürlich einfach nur brutal“, fügt er lachend hinzu.

Grenzen austesten
Bei NASTY entstehen Songs immer erst im Studio, vorher wird kaum etwas vorbereitet oder herumprobiert. Man lässt sich treiben, schaut, wohin es führt – in diesem Fall zu einigen überraschend melodiösen Parts mit cleanem Gesang, einigen Rock- und Metal-Einflüssen. „Wir haben nichts vom Zaun gebrochen, sondern es einfach gefühlt. Man könnte sagen, es ist NASTY, aber frischer verpackt“, beteuert Paddy. „In der Platte steckt Struktur, die Songs sind gemessen an unseren Skills gut geschrieben“, meint er lachend.

Für Verwunderung sorgt auch etwa das Gitarrensolo in „Kiss from a rose“. In einem Interview sagte die Band einmal, dass sie sich an Soli gar nicht erst versuchen wollen – jetzt aber doch. „Ach, im Studio kann man ja mal was ausprobieren. Live wird das dann aber noch mal eine andere Nummer“, meint Paddy. „Ich bin der einzige Gitarrist und wir sind sowieso keine Band, die 27 Computer mit auf die Bühne nimmt. Wir spielen einfach plug & play. Alles, was wir in die Instrumente und Mikrofone reinballern, kommt genauso auch raus.“

Ein Ziel des Albums: Die eigene Musik hörbar machen für Leute, die NASTY nicht kennen. Ist das eine Ent­wicklung, die mit dem Labelwechsel zu Century Media zusammenhängt? „Das denken viele“, gesteht Paddy. „Für uns ist es aber einfach eine gesunde Entwicklung. Wir hatten ja auch früher schon mal ein melodisches Song-Ende oder ein Akustik-Skit.“

Wer aber vielleicht schon Einfluss hatte, ist Andy Posdziech von ANY GIVEN DAY. Der gesamte Songwriting-Prozess fand bei ihm im Studio statt. „Er blickt eben durch die Metal-Brille“, erklärt Paddy. „Aber unser Sänger Matthi und ich setzen uns letztendlich durch und sagen: Nein, das muss jetzt so stumpf sein, da kommt nichts mehr dazu.“ Das Resultat: die unüberhörbare NASTY-Handschrift, die trotz der Überraschungen dominiert: simpel, geradeaus, brachial. „Wir mögen es nach wie vor nicht, Songs in die Länge zu ziehen oder Riffs kaputt zu spielen.“ Auf „Heartbreak Criminals“ haben NASTY 13 Songs in sportliche dreißig Minuten gepackt. Und es funktioniert.

Verzerrtes Image
NASTY hatten lange an einem Image zu knabbern, das eigentlich gar nicht zu ihnen passt. Selbst noch zu ihrem letzten Album 2020 schrieb ein großes Metal-Magazin, man solle sich NASTY anhören, wenn man sich mehr für die Tattoos der Musiker als deren Musik interessiere. Doch hinter der Fassade steckt eine Menge Inhalt. „Ich verstehe einfach nicht, dass Menschen so negativ sein müssen. Sagt doch was Konstruktives und werdet nicht gleich beleidigend. Ich halte viel von Feedback und werde mir alles durchlesen, was ich zu unserem neuen Album finden kann. Mir ist aber auch bewusst, dass nicht jeder Person gefallen kann, was wir machen – und coole Tattoos haben wir ja sowieso“, lacht Paddy.

Trotzdem hofft die Band, mit der neuen Platte neue Leute abgreifen zu können. „Seien wir ehrlich: Das ist doch immer das Ziel“, gesteht Paddy. Im Februar waren NASTY mit DYING FETUS auf Tour – und ernteten erstaunlich positive Resonanz aus deren Community. „Das waren bestimmt 85 Prozent Metalheads, die uns Jogginghosen tragenden Typen erfahrungsgemäß gar nicht feiern. Am Ende unseres Sets haben sie dann aber halb verwundert ‚Ey, cool!‘ gerufen. Das war richtig schön“, erzählt Paddy. „Wir haben Bock auf Entwicklung. Wenn wir Leute auf diesem Weg verlieren, ist das eben so. Da gibt es keine schlechte Stimmung.“ Dennoch bekommen auch alte Klassiker wie „Chaos“ und „Declaring war“ im Live-Repertoire ein neues Gewand. „Schließlich sollen die neuen Fans auch den alten Kram kennen lernen“, meint Paddy. Und möchten sich NASTY auch zukünftig auf Tour Bands aus anderen Genres anschließen? „Voll gerne!“, beteuert der Gitarrist. „Wir sind für alles offen: Metal, Schlager ...“ Schlager? Beim Schlagermove in Hamburg oder wie? Paddy lacht: „Wieso nicht? Unser Bassist Berry, also Berislaw Audenaerd, ist ja auch als Schlagerproduzent tätig.“

„Nobody cares“
In diesem Song thematisieren NASTY, was sie aktuell am meisten beschäftigt: „Während Corona ist man etwas in Vergessenheit geraten, wurde nicht gesehen, bekam kein Feedback auf die Musik, musste jeder Unterstützung hinterherrennen – als frisch gebackener Vater, als Selbständiger. Das macht viel mit einem persönlich“, erklärt Paddy. „Ich hing in einer Art Identitätskrise fest. Das hat mir gezeigt: Wenn es hart auf hart kommt, geben die Leute einen Fick auf dich. Wir haben keine Ahnung, was die Zukunft bringt. Deshalb genießen wir alles, was mit NASTY gerade möglich ist. Ich hoffe, die Leute sehen das.“