NOMEANSNO

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Pizza, Punk, Bier und der ganze Rest

Ich glaube, es passierte bei zwei verschiedenen Jello Biafra-Konzerten: einer Show der GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE im Rickshaw in Vancouver und einer Show mit den MELVINS im Croatian Cultural Centre in Vancouver im November 2005 – wobei es jetzt 16 Jahre her ist und ich mich nicht mehr genau erinnern kann. Aber ich verweilte vor einem der Veranstaltungsorte oder in einem Vorraum, als ich eine auffällige Gestalt in einem schicken Ledermantel entdeckte, die sich den Türen zur Haupthalle näherte und von der ich schnell erkannte, dass es Rob Wright von NOMEANSNO war. Ich war ein langjähriger Fan der Band, aber ich hatte noch nie mit Rob gesprochen und war sehr nervös, als ich mich näherte: „Entschuldigen Sie, Mr. Wright?“

Fans von NOMEANSNO neigen dazu, ein wenig zögerlich zu sein, wenn sie sich Rob zum ersten Mal nähern. Seine Texte und sein Verhalten auf der Bühne sind intensiv und furchterregend. Ich erwartete einen finsteren Blick, aber stattdessen bekam ich ein Lächeln und einen Moment der Nachsicht. Ich habe ihn viel später für das Ox ausführlich interviewt und herausgefunden, dass er eigentlich ein ziemlich netter Kerl ist – „ziemlich heiter“, so hat ihn der Schriftsteller Aaron Chapman aus Vancouver beschrieben, der mit Rob Golf gespielt hat. Er lässt seine ganze Dunkelheit auf der Bühne raus, denke ich. Aber das wusste ich da noch nicht und stotterte: „Ähm, Mr. Wright, ich bin ein großer Fan und, äh, ich bin wirklich neugierig. Ich denke, Sie müssen einige erstaunliche Bücher gelesen haben, und ich bewundere Ihr Songwriting wirklich ... würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Sie frage, was Ihr Lieblingsbuch ist?“
Als jemand, der in Ehrfurcht über Rob Wrights „The River“ gebrütet hat, mit Bildern, die so tiefgründig und zum Nachdenken anregend sind wie nichts, das ich je auf einem Textblatt gelesen habe, dachte ich mir, dass ich in Bezug auf Literatur auf Robs Wellenlänge sein würde, und dass es ein erstaunliches Buch sein würde, ein Must-Read. „James Joyces ‚Ulysses‘“, antwortete er mit einem Lächeln. „Oder irgendetwas Irisches!“ Ich war niedergeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits zweimal versucht, „Ulysses“ zu lesen, und war jedes Mal gescheitert. Ich bin gebildet genug, um einige der religiösen und klassischen Anspielungen im Text zu erkennen, aber nicht gebildet genug, um sie wirklich zu verstehen, und nach etwa achtzig Seiten, auf denen sie unverstanden an mir vorbeirauschen, nahm das erdrückende Gefühl der Dummheit Überhand. Ich gestand dies Rob bei der nächsten Show, bei der ich ihn sah, und er schlug eine Lösung vor: „Trink einfach einen Whiskey, und dann, wenn du eine Seite fertig hast, trink einen weiteren Whiskey, und dann lies die nächste Seite, und so weiter ... “ Ich habe gelacht, aber auch mein nächster Versuch, „Ulysses“ zu lesen, endete auf Seite 80. Ich glaube nicht, dass Whiskey geholfen hätte.

Wir springen ins Jahr 2021. Wir sind mitten in der Corona-Krise und meine Frau Erika – die viele der Fotos hier gemacht hat – ist mit mir nach Powell River gekommen, um die Bar zu besuchen, die John Wright mitbesitzt, das Wildwood, wo wir ein langes Gespräch führen – das meiste davon erschien im ersten Teil dieses Interviews in der letzten Ausgabe. Später treffen wir uns mit Erika – die nicht für das Interview bleibt, sondern im Base Camp einen Kaffee trinkt – im Wildwood zum Pizza-Essen. Es gibt „The Hanson“, eine Pizza für Fleischliebhaber und der einzige offensichtliche NOMEANSNO-Bezug auf der Speisekarte, dazu ein Townsite Stout aus einer lokalen Brauerei. Wir fahren dann aus der Stadt heraus, durch das Tla’amin-Reservat, in eine waldreichere Gegend. John dreht mit uns eine Runde über das Grundstück und erzählt uns, dass er seine Katzen nachts reinholen muss, damit die Eulen sie nicht fressen. „Es sind Streifenkäuze, sie sind groß und sie mögen kleine Katzen“, erklärt John. Pumas und Bären sind auch ein Thema. Die meisten Gebäude hat John selbst gebaut, von ihm ist auch die Kettensägen-Skulptur eines schlaffen Penis und Hoden, anscheinend aus einem Baumstumpf gemacht. Erika, die sich mehr für Architektur interessiert als ich, plaudert mit ihm über die Oberlichter, die er eingebaut hat. Ich erfülle mir einen Traum und trinke ein Glas von Johns Bier, das er noch nicht an der Bar verkaufen darf und vielleicht auch nie wird. Es ist ein wirklich gutes Bier, ein schmackhaftes Lager, so weich und leicht wie keines, das ich je probiert habe.

Einiges von dem, was wir in Johns Brauerei besichtigt haben – früher eine Hütte, die er für seine Mutter gebaut hat –, lässt sich nicht ganz in das Interview einbauen. Er hat ein Live-Foto der HANSON BROTHERS an einer Wand seines Bierschuppens und ein paar leere, kommerziell gebraute Bierflaschen mit dem unverkennbaren Antlitz von Johnny Hanson auf dem Etikett; es ist Punk Rauch Bier, eine Anspielung sowohl auf Punkrock als auch auf Rauchbier, von der Quebecer Brauerei Le Trou du Diable, also „Das Loch des Teufels“. Das Bier basiert auf einem Rezept, das sich John ausgedacht hat. „Es verkaufte sich wirklich gut, so dass es zu einem Saisonbier für sie wurde und sie es etwa sechs Jahre lang im Programm hatten“, erklärt er. Es ist ähnlich wie das Bier, das ich probieren darf, dazu später mehr. Dann besuchen wir Johns Schlagzeugschuppen mit einemm kleinen Homerecording-Studio, wo er an einem neuen, noch unbenannten Projekt mit den Slack-Brüdern von THE INVASIVES aus Vancouver sowie seinem langjährigen Freund Ford Pier gearbeitet hat. Mir wurde einmal gesagt, dass Rob zwar der heftigere zu sein scheint, aber eigentlich John derjenige sei, der etwas reizbarer ist und mit dem man sich nicht anlegen sollte, derjenige, der weniger geneigt ist, einen Dummkopf zu ertragen, aber es stellt sich heraus, dass er ein großzügiger Gastgeber ist. Er unterschreibt einen Haufen Platten für mich, schenkt mir viel mehr von seiner Zeit, als ich erwartet habe. Es scheint ihn wirklich zu freuen, dass man sich in Deutschland immer noch für NOMEANSNO interessiert, und er gibt seine ganz speziellen Lebensweisheiten zum Besten, besonders später, als wir ihn zu Hause besuchen. Bevor wir Powell River verlassen, kaufe ich ein Wildwood Pub-T-Shirt und stelle anschließend bei Punk-Konzerten in Vancouver fest, dass der eine oder andere es erkennt und grinst.

Wir sollten endlich dazu kommen, über „Mama“ zu sprechen. Das Cover der originalen Privatpressung ist total einzigartig. Ich habe noch nie so ein Papier bei einem Albumcover gesehen.
Das lag daran, dass wir es nicht von einer Plattenfirma herstellen ließen. Wir haben die Alben pressen lassen, aber das Cover wurde in Victoria gedruckt, von einer Druckerei, die wir bezahlt haben.

Wer hat das Artwork in der Art eines Rorschach-Tests gestaltet?
Robbie hat das gemacht – er hat ein paar Rorschachs gemacht, und es sah dann so aus, als wäre es ein Baby. Und das da unten sieht irgendwie aus wie ein Becken, also ist es fast so, als würde ein Baby herauskommen. Aber es hat auch oben diese Augen, und man kann es auch als eine Kreatur ansehen ... Es ist einfach ein interessantes Bild, und es passte irgendwie zum Titel.

Aber das entstand durch Zufall? Er hat es nicht so entworfen, dass es ein Baby und ein Becken ist ...?
Nein, nein, er hat eine Menge Varianten gemacht. Ich bin mir nicht sicher, ob er sie speziell für das Albumcover gemacht hat; ich kann mich nicht erinnern. Aber es wurde aus mehreren ausgewählt.

Zuerst entstand aber die Single „Look, Here Come The Wormies“, richtig?
Ja. Robbie und ich hatten seit Ende der Siebziger Jahre im Keller unserer Mutter Sachen aufgenommen. Er kam von seinem Aufenthalt in Calgary zurück, begeisterte sich für die RAMONES und kaufte sich einen TEAC-Vierspur Kassettenrecorder. Vierspur-Bänder waren damals schon ein wenig antiquiert, aber es war eine Qualitätsmaschine. Dann haben wir uns ein bisschen Equipment besorgt, ein paar billige Mixer und billige Mikrofone, und haben angefangen, uns zu Hause aufzunehmen. Und wir wurden besser, und die Songs wurden ein wenig durchdachter oder ernster; wir gingen mehr in Richtung Punkrock, und wir hatten eine Menge dieser Songs geschrieben und im Keller aufgenommen. „Wormies“ war einer davon. Das ist technisch gesehen unsere erste Veröffentlichung unter dem Namen NOMEANSNO. Das war im März 1980, also können wir sagen, dass das der Anfang war. Und dann haben wir die „Fear, Anger, Hatred, Betrayal“-EP veröffentlicht mit „Try not to stutter“. Und das waren wiederum vier andere Songs, die wir im Keller aufgenommen hatten. Und dann kam „Mama“. Uns wurde klar, wenn wir live spielen wollten, dann würde es wahrscheinlich mit Bass und Schlagzeug gehen müssen, weil wir keine Gitarristen kannten, die sich uns anschließen konnten. Also fing Rob an, speziell Songs für Bass und Schlagzeug zu schreiben, oder nur für den Bass, und dann fügte ich das Schlagzeug hinzu, wenn wir probten. Und das war das Ergebnis. Und wir dachten, lasst uns tatsächlich in ein richtiges Studio gehen. Wenn wir für Bass und Schlagzeug Musik schrieben, wurden die Songs sehr unterschiedlich, und so bekamen wir unseren eigenen Sound. Denn der Bass wurde zum Lead-Instrument, und der Gesang entstand wirklich um die Basslinien herum. Und ich musste als Schlagzeuger mehr tun, um es interessanter zu machen. „Jazz“ ist das, was jedem dazu einfällt, aber ich sehe es eher als etwas orchestrierter an. Ohne Gitarre musste also ein bisschen mehr los sein. Als Andy Kerr schließlich dazukam und wir die Gitarre integrierten, dann nur in das, was schon da war. Es begann also nicht sofort als gitarrenbasierte Musik, wie der meiste Punkrock zu der Zeit. Und Andy war die perfekte Ergänzung, er hatte einen großartigen Rhythmus – er war in der Schule eigentlich Schlagzeuger gewesen, und er hatte einen Gitarrenstil, der einfach gut zu dem passte, was wir machten. Und er mochte keine Klischees, er mochte es, kreativ zu sein. Also hatten wir den perfekten überwältigenden Sound beisammen, der diese seltsame, originell klingende Band ausmachte.

Was ist Andy Kerr geworden, der Anfang der 90er die Band verließ?
Die Band nahm uns irgendwie komplett in Anspruch, und ich glaube, das gefiel ihm nicht wirklich. Er mochte das ständige Touren nicht und die Jahre 1986 bis 1990 waren in der Hinsicht sehr heftig. Er sah das einfach nicht als sein Leben an; er sah nur, dass es immer mehr busy busy busy war, wobei das Touren zwingend notwendig wurde. Und er hat die Musikindustrie total verabscheut, was eigentlich kein großes Problem war. Doch dann traf er die Frau, die die Touren für uns in Europa buchte, und verliebte sich in sie, und beschloss, dass er lieber dort bleiben und mit ihr zusammen sein wollte. Vielleicht hat er einfach eine zu große Dosis Rob und John abbekommen, zu viele Touren. Es gab keinen großen Streit. Ich meine, es war schon ein bisschen ärgerlich, weil wir eine Menge Erfolg hatten. Aber niemand war „angepisst“, aber es war blöd, weil wir gerade erst richtig durchstarteten. Es waren jetzt zehn Jahre vergangen und er hatte doch eine Menge seiner Zeit investiert. Aber wir mussten uns umorientieren.

Hast du seitdem noch mal mit ihm Musik gemacht?
Nein. Er hat uns bei einer Show unterstützt, Anfang 2000, in Amsterdam. Wir spielten unser Set und er kam dazu und wir spielten weitere sechs oder acht Songs mit ihm. Er und Tom spielten beide zusammen. Es war großartig. Und wir haben diese Show aufgenommen, aber ich weiß nicht, wo der Mitschnitt ist. Ich glaube, er ist auf einem DAT-Band, das ich vielleicht noch habe. Mit etwas Glück findet man heutzutage noch einen DAT-Player – falls das Band noch funktioniert ...

Es wäre toll, ein weiteres Live-Album zu haben – es gibt ja nur das eine, „Live + Cuddly“ von 1991 ...
Ich habe eine großartige Aufnahme von einer Show, die wir in Seattle im Offramp mit Tom auf der „No Means No One“-Tour gemacht haben. Das muss so um 2001 gewesen sein, eine großartige Aufnahme einer wirklich guten Show, der ganzen Show. Ich habe die Datei auf meinem Computer.

Um auf „Mama“ zurückzukommen – sind einige dieser Songs von dir?
„Living in Détente“ war mein Song. Der Rest ist von Rob.

Es gibt es noch einen Song, nach dem ich dich fragen muss: „No sex“. Als „Mama“ 1982 herauskam, gab es noch kaum Transgender-Aktivismus, keine nicht-binären Geburtsurkunden oder die singuläre Verwendung des Pronomens „they“, also scheint der Song seiner Zeit in gewisser Weise vier Jahrzehnte voraus zu sein. Er ist es auch insofern, da er direkter ist, als es NOMEANSNO sonst sind, was politische Kommentare angeht.
Es ging um Sexualpolitik. Robs Freundin Emily war eine ziemlich engagierte Feministin. Meine Schwester auch. Feminismus war eine wichtige politische Kraft in unserem Leben, als wir aufwuchsen. Wir waren keine feministische Band – wie sollten wir auch, wir waren drei Jungs. Aber diese Perspektive hinsichtlich Gleichberechtigung war sehr prominent in vielen unserer frühen Texte: Emily setzte sich sehr für die Rechte von Gefangenen ein, und Politik spielte überhaupt eine bedeutende Rolle im Punkrock, Alternative Tentacles waren ein sehr politisch ausgerichtetes Label. Politik war definitiv die ganze Zeit um uns herum, als Teil der Szene, aber wir waren keine offensiv politische Band. Aber die Politik deiner Zeit infiltriert durchaus deine Gedanken und Gefühle. Es ist ziemlich einfach zu sagen, dass wir bis zu einem gewissen Grad links von der Mitte stehen, und „No sex“ soll einfach sagen: Fick dich und deine Stereotypen!

Wer war dein Lieblingsdrummer, als du angefangen hast?
Oh, das werde ich oft gefragt, aber es ist wirklich schwer, einen einzelnen Drummer zu nennen. Ich mag die großen Jazz-Schlagzeuger. Ich habe als Teenager mal Buddy Rich gesehen, weil ich in der Schule in einer Jazzband spielte. Es war fantastisch, ihn live zu sehen, einfach ein unglaublicher Schlagzeuger. Aber ich neige nicht wirklich dazu, irgendwelche Musiker zu sehr zu vergöttern. Bei den besten Schlagzeugern denke ich nur: Das ist großartig, aber ich werde nie in der Lage sein, das nachzumachen, das ist zu schwer für mich. Aber als ich zum Punkrock kam, gefiel mir zum Beispiel Pete Thomas, der Schlagzeuger von Elvis Costello. Ein erstaunlicher Drummer. Oder wie beim englischen Ska-Revival Schlagzeug gespielt wurde. Oder Tommy Ramone. Oder auch Terry Bozzio, der ist einfach wahnsinnig gut, er kann vier verschiedene Songs mit jeder Hand und jedem Fuß zur gleichen Zeit spielen.

James Joyce, Zen-Buddhismus, Golf – teilst du diese Leidenschaften mit Rob?
Na ja, ich teile eine Menge der Ideen und der Diskussionen. Ich habe mich nie mit Buddhismus beschäftigt. Ich habe ein paar Mal Golf gespielt, haha. Weißt du, ich genieße philosophische Gespräche und Gedanken, aber ich bin nicht besonders belesen.

Du hast „Ulysses“ nicht gelesen?
Nein. Ich habe James Joyce nicht gelesen. Das ist kein besonders schwieriges Buch, ich würde es wahrscheinlich bewältigen, allein weil ich Rob schon so oft darüber reden gehört habe. Eigentlich ist „Finnegans Wake“ das unlesbare Werk. Aber ich habe die Zitate aus „Finnegans Wake“ immer genossen; sie sind einfach großartig, oder? Mein Bruder ist enorm interessiert, was das angeht; er hat sie alle gelesen. Er ist mir da weit voraus.

Hast du ein Lieblingsbuch?
Am meisten mag ich die Bücher von Patrick O’Brian. Ich habe sie alle gelesen, es sind zwanzig Stück, und es ist nicht ein schwaches darunter. Sie sind wundervoll geschrieben, wunderbar unterhaltsam. Ich liebe Geschichten über die Seefahrt und das sind die besten, denke ich.

Hast du C. S. Forester gelesen?
Ich habe es versucht, aber ich bin nicht sehr weit gekommen. Sie sind mir einfach ein wenig zu altmodisch, denke ich. Bei Patrick O’Brian scheint es ein modernerer Blick auf die Zeit zu sein, auch romantisch bis zu einem gewissen Grad, aber nicht ganz so wie die Horatio Hornblower-Geschichten von Forester, die ein bisschen „romanhafter“ sind. Aber die Bücher von Patrick O’Brian sind fantastisch; er hatte Zugang zum Royal Naval Museum, zu allen Logbüchern, in denen er das las, was an der Wende zum 19. Jahrhundert tatsächlich aufgeschrieben wurde, so dass die Sprache und das, was real auf den Schiffen in ihrem täglichen Leben passiert, direkt aus dem Mund der Leute – oder zumindest der Kapitäne – entstammt, die es erlebten. Es hat diesen Hauch von Authentizität. Er ist ein kluger Autor, seine Charaktere sind großartig, die Geschichten sind sehr interessant ...

Gibt es einen besonders fesselnden Band, mit dem die Leute anfangen sollten?
Das erste Buch, „Master and Commander“. Du fängst mit einem an und liest alle zwanzig!

In dem Song „Rags and bones“ gibt es einige nautische Anspielungen: „Who would have thought that I would be / A sailor on the deep blue sea“. Stammt das von dir?
Nein, das war Rob.

Kannst du uns ein wenig über den Standort deiner Bar Wildwood erzählen?
Das Gebäude wurde in den Vierziger Jahren gebaut, glaube ich. Es war ein Gemischtwarenladen, ein Lebensmittelgeschäft, eine Metzgerei; Anfang der Siebziger wurde es ein Pub, nachdem Dave Barrett von der NDP die Alkoholgesetze reformiert hatte. Davor gab es nur die „Bierhalle“ oder „Lounge“ und die musste an ein Hotel angeschlossen sein. Nach der Gesetzesänderung waren auch unabhängige Pubs erlaubt, und dies war eines der ersten, das eine Lizenz erhielt. Ich bin mir nicht sicher, ich glaube, das war 1973 oder 1974.

Und das war das Red Lion?
Das war die letzte Inkarnation, bevor wir es gekauft haben. Wir haben es eine Zeit lang betrieben und dann wegen Renovierung geschlossen. Es sieht jetzt völlig anders aus!

Diese riesige Holzschnitzerei hier an der Wand, was ist das für ein Kunstwerk?
Das stammt von einem lokalen Künstler, Ivan Rosypskye. Er ist kein Coast Salish, er stammt nicht von hier, er wurde oben in Bella Bella geboren; aber er hat die meiste Zeit seines Lebens hier verbracht. Er ist ein wunderbarer Schnitzer. Ich habe ihn vor Jahren kennen gelernt. Und diese Holzplatte stammt von einer uralten Zeder, die im Toba River trieb. Es war eine Gefahr für die Schiffe, also wurde sie zu einem Dock geschleppt. Und da war ein Typ, der ein Wassertaxi betrieb, das Holzfäller transportierte, und er sah diesen Baum und sagte: „Heilige Scheiße, ich kenne jemanden, der aus diesem Baum gerne ein Kanu schnitzen würde!“ Gemeint war ein lokaler Künstler hier in Tla’amin. Also schleppten sie den Baum mitsamt Wurzeln nach Lund, zu Jack’s Boatyard. Der hat einen Schlepper für Schiffe, also konnte er den ganzen Baum herausholen. Sie sägten zwölf Meter aus der Mitte heraus, die immer noch dort liegen, den Rest haben sie der Werft gegeben, und das hier war das Ende des Baumes, das übrig geblieben war. Er hatte wahrscheinlich zwei Meter Durchmesser um den Boden herum und ungefähr anderthalb Meter weiter oben. Ich habe einen Freund, der einen tragbaren Fräser hat, und ich arbeite ab und zu für ihn und verdiente ein paar Dollar. Und Dean, dessen Familie Jack’s Boatyard besitzt, meinte: „Hey, denkst du, Steves Fräser passt um diesen Stamm? Wir wollen die Dinger fräsen lassen.“ – „Oh, das können wir wahrscheinlich.“ Und dieser tragbare Lukas-Fräser passte gerade noch um den Stamm. Wir frästen ihn bis zur Mitte und dachten: „Mensch, wir müssen eine Platte aus diesem Ding fräsen; das ist eine einmalige Gelegenheit, eine riesige Platte aus altem Baumbestand zu bekommen.“ Wir drehten das ganze Ding um und sägten den Stamm auf der anderen Seite ab – oder einfach aus der Mitte heraus; bemerkst du die Furche? Aber wir nahmen fünf Zoll aus der Mitte des Dings – das war auch ein bisschen länger an jedem Ende – und kauften es Dean ab für kleines Geld.

Wann war das?
2017. Wir waren gerade dabei, die Bar zu übernehmen. Es war eigentlich einer der letzten Jobs, die ich mit Steve gemacht habe. Also hatten wir nun diese Platte und wir wollten sie irgendwie in der Bar verwenden, aber wir hatten keine Idee. Ich fand, sie sollte aufrecht stehen, mit Schnitzereien verziert sein und das Herzstück werden. Und dann begannen wir mit der Renovierung und sprachen schließlich mit Ivan darüber. Ich stellte mir irgendwie ein Rad vor, aber als er hier war, hatte er diese Zeichnung – er hatte sie schon seit Jahren und wollte sie umsetzen, wusste aber nicht wo oder warum oder was oder wann oder wie; und dann sah er diese Platte. Das Bild heißt „Mutter Bärin füttert ihre Jungen“, und es ist typische Salish-Kunst. Was er mir erzählt hat, ist, dass die Salish immer drei Motive in ihre Schnitzereien einbauen, du hast die Bärenmutter mit dem Lachs, aber da sind auch die beiden Jungen, die sich den Lachs teilen. Also hast du die Bärenmutter, die beiden Jungen und den Lachs alle in einem Bild.

Gibt es in deiner Bar noch etwas, worüber wir reden sollten?
Der Pizzaofen kam aus Vancouver, aus dem alten Incendios in Gastown; es ging vor Jahren pleite und wir haben es geschafft, den Ofen aus zweiter Hand zu kaufen. Das war das Konzept: Die Pizza und das Craft Beer. Ursprünglich wollten wir hier eine kleine Brauerei einbauen und es zu einem Braulokal machen, aber uns ging einfach das Geld aus. Und tatsächlich auch der Platz. Als alle Renovierungsarbeiten abgeschlossen waren, stand fest, dass in diesem Gebäude kein Platz mehr für eine Brauerei ist. Ein großes Gebäude, aber ich glaube nicht, dass wir noch eine Brauerei unterbringen können.

Ihr habt hier ja schon Konzerte veranstaltet. Wer hat da gespielt?
Meistens lokale Künstler, einzelne Solomusiker und Duos. Vor Corona fing es gerade an, sich zu entwickeln, es kamen viele Leute von der Insel und tourende Musiker. Bevor es zum Wildwood wurde, hatten wir D.O.A. zu Gast, das war lustig. Aber Punkrock ist ein bisschen heftig für die Nachbarn – super laute Musik – und wir müssen da vorsichtig sein. Letzte Weihnachten hatten wir die ANGRY SNOWMANS aus Victoria hier – die waren witzig! Aber es gibt kein großes Publikum in Powell River für diese Art von Musik.

Also ist es mehr Rootsmusik?
Ja, und Reggae ist hier angesagt. DJs natürlich auch. Auch für die Folk-Sachen kommen die Leute. Es gibt eine Menge Musikliebhaber in Powell River, und auch gute Musiker; ich habe angefangen, ein paar von ihnen zu treffen.

Hat Tom hier schon gespielt?
Ja, er hat hier gespielt, nur er alleine.

Du auch?
Ja, ich und ein paar Freunde hatten eine Band namens GODZBALLZ, nur eine Spaßband, und am Tag, bevor wir den Laden wegen Renovierung geschlossen haben, Silvester 2017/18, gab es hier eine Silvesterparty und anschließend haben wir die Bar dichtgemacht. Es war eine tolle Show.

Wie das TAD Album „God’s Balls“?
Aber G-O-D-Z-B-A-L-L-Z buchstabiert. Das war mit Craig Vishek von PIGMENT VEHICLE, denn er lebte eine Zeit lang hier; jetzt ist er zurück in Victoria. Er brachte einen Haufen Songs mit und wir haben ein paar Coversongs gespielt; außerdem mit Colin MacRae, ebenfalls PIGMENT VEHICLE, der einer meiner Partner hier ist, ihm gehört auch Base Camp Coffee. Ich habe ihm geholfen, das in Gang zu bringen. Und Musik ist eigentlich das, worauf wir unseren Ruf aufbauen müssen, denn ein Pub an sich bringt kaum noch Geld ein. Die Leute können nicht trinken und fahren, also leben wir tatsächlich eher vom Restaurant. Aber die Musik und die Veranstaltungen sind das, was die Leute anlockt. Sobald sie wieder ausgehen dürfen, drehen garantiert alle durch – und wir müssen bereit sein.

Ich sehe, du hast das allgegenwärtige Fat Tug IPA hier. Magst du Bier mit viel Hopfen? Ich kann das Zeug nicht trinken, der Hopfen ist zu stark für mich.
Ich bevorzuge Lagerbier, am liebsten deutsches Lagerbier. Ich braue den ganzen Winter über, na ja, ich braue das ganze Jahr über, aber wenn es wärmer ist, braue ich wieder Ales. Aber ja, ich mag alle Arten von Bier.

Wie viel Bier machst du?
Genug, um Wendy und mich mit Bier zu versorgen, haha.

Kommen oft Fans von NOMEANSNO hierher, um dein Bier zu probieren oder es zu kaufen?
Ich kann es nicht verkaufen – es ist mir nicht erlaubt und so viel habe ich auch nicht, aber ich hatte schon ein paar Fans, die in der Bar vorbeikamen. Ich erinnere mich an diese beiden aus Boston oder New England oder so. Sie waren in Seattle, er war mit seiner Familie unterwegs, und er und sein Sohn kamen hier hoch. Der Sohn hatte gemeint: „Wir sind so nah dran, es ist gleich hinter der Grenze; John Wrights Bar ist genau dort!“ Ein junger Kerl; er hatte uns nie live gesehen, er war nur ein Fan. Also fuhr ihn sein Vater her, ohne zu wissen, ob sie mich antreffen würden oder nicht, aber zufällig war ich da. Wir haben eine Weile geplaudert. Es waren nette Leute und sie waren happy.

Anschließend laufen wir über Johns Grundstück und er zeigt mir Sachen, die er reparieren oder bauen muss. „Hier oben geht die Arbeit nie aus“, sagt er. Das Grundstück ist etwa zwei Hektar groß und umgeben von Bäumen. Es liegen Austernschalen auf den moosigen Feldwegen zwischen den Gebäuden, um den Weg zu markieren. „Austernschalen sind gute Reflektoren“, erklärt Wright, „man kann sie sogar mitten in der Nacht sehen.“ Wir kommen am Schuppen vorbei, in dem er Brennholz stapelt, und er erklärt: „Es ist mein Projekt für das Frühjahr, genug Holz für zwei Winter zusammenzubekommen, weil das Holz so viel besser ist, wenn es über ein oder anderthalb Jahre trocken liegt. Es ist viel besseres Feuerholz, wenn man es länger liegen lässt.“ Das Holz ist seine primäre Wärmequelle, zusammen mit ein paar Fußbodenheizungen („aber Strom ist teuer“) und einem Propangasherd zum Kochen. Er hat auch eine Wasserpumpe, die über Strom läuft, und ein Plumpsklo. „Wenn also der Strom ausfällt, haben wir kein fließendes Wasser.“
Erika erzählt John und Wendy von einem Weihnachten, das wir ohne Strom bei ihren Eltern verbracht haben, wo ich Wasser aus einem Bach holen musste, damit wir die Toilette spülen konnten, und das Abendessen auf dem Holzofen im Keller gekocht werden musste. John lacht und nickt: „Weißt du, für mich ist es gut, näher an den Dingen zu sein, die du in deinem Leben brauchst“, sagt er, „denn wenn sie mal nicht da sind, weißt du sonst nicht, wie du damit klarkommen sollst, oder? Wir haben den Luxus, dass wir keine Probleme mit der Holzheizung haben, hier gibt es einfach viel Holz.“ Er zeigt auf die Bäume. „Aber in der Stadt hat man diese Möglichkeit nicht unbedingt. Ich denke, dass sich Kinder, falls sie die Gelegenheit haben, ein wenig mehr mit ihrem Essen beschäftigen sollten oder wie man ein Haus beheizt, einfach um besser zu verstehen, woher Dinge kommen und welchen Wert sie haben.“

Habt ihr hier Internet?
Nein. Kein Handyempfang oder Internet, was manchmal ein Segen und manchmal eine Qual ist. Ich mag die Tatsache, dass ich, wenn ich nach Hause komme, keine Arbeit mitbringe. Es sei denn, jemand ruft mich auf meinem Festnetz an, sonst bin ich nicht erreichbar. Das ist auch nervig, denn wenn mir etwas einfällt und ich eine E-Mail oder eine Nachricht schicken muss und nicht auf der Arbeit bin, muss ich warten und dann vergesse ich es. Ich muss Dinge tun, wenn sie mir einfallen, oder sie sind raus meinem Gehirn. Aber das ändert sich jetzt, sie stellen einen Mobilfunkmast auf, also denke ich, dass wir hier bald ziemlich guten Handyempfang haben.

Wir kommen in Johns Schlagzeugschuppen an, ein wenig chaotisch, mit einem vertrauten Drumset in der Ecke.
Hier liegt viel Müll, der aus dem Red Lion stammt, wir haben die ganze Isolierung aus dem Pub gerissen. Aber das meiste Holz, das du hier siehst, wurde direkt auf dem Grundstück geschlagen. Ich habe es selbst geschlagen. Und mein Schlagzeug habe ich hier aufgebaut und meinen Computer. Ich mache mir ein wenig Sorgen, denn das Programm Garageband, das ich benutze, ist circa von 2009: Wann wird es also nicht mehr lesbar sein? Ich habe auch Logic Pro da drauf. Garageband ist verdammt einfach zu bedienen, aber es ist auch erstaunlich, wie ausgereift es ist. Es ist eine wirklich gute Plattform. Das Garageband, das du kostenlos als App bekommst, würde die Studios von 1975 wegpusten. Aber Logic Pro ist das professionelle Aufnahmeprogramm, es ist Apples Version von Pro Tools, und ich habe eine 2009er Version davon, und es öffnet alles, was ich in Garageband mache. Ich kann also alles in Logic Pro mischen, und es ist ein anspruchsvolles Programm. Man muss viel lernen. Ich kann mit Logic Pro nicht gut editieren, es ist wie Pro Tools. Man muss sich wirklich anstrengen, um es richtig zu verwenden oder zumindest alles aus ihm herauszuholen, was es tun kann. Aber ich halte es simpel, also meine Drums sind nur in Stereo aufgenommen, ganz oldschool, und dann baue ich die Songs einfach am Computer. Was ich also brauche, sind echte Gitarristen, die vorbeikommen und mein schreckliches Gitarrenspiel überarbeiten.

Würdest du sie hier aufnehmen?
Ich habe kein Geld, ich kann nicht in ein Studio gehen. Ich würde es einfach hier machen. Aber die Technik hat extrem gute Qualität, solange ich darauf achte, wie ich es aufnehme.

Hast du schon mit Musikern in diesem Raum gejammt?
Nein, ich habe nur einen anderen Musiker in diesem Raum gehabt, meinen Klempner. Er spielt auch Gitarre. Er ist sehr gut, sehr bluesrockig. Das andere Projekt, an dem ich hier arbeite, ist Musik für den Pub. Ich habe ungefähr fünf Songs geschrieben, die alle irgendwie verrückt sind. Meine Schwester meinte: „Oh, das muss ein NOMEANSNO-Song sein.“ – „Na ja, NOMEANSNO-Songs passen nicht unbedingt zur Demografie von Powell River und dem Wildwood Pub!“ Aber ich dachte, dass es durchaus einen Song gibt, der zu einem Pub passt, „Hello/Goodbye“ von „One“, denn der handelt von dem, was einen Pub ausmacht: Leute kommen und gehen, ihre Wege kreuzen sich, man trifft Freunde. Ich habe jetzt nur ein paar Worte geändert, nicht dramatisch. Ich habe also diesen Song neu aufgenommen. Und ich habe einen Ska-Song gemacht und einen, der von den TV-Titelthemen der Siebziger Jahre beeinflusst ist, wie ein Late-Night-Johnny-Carson-Titelsong. Kürzlich bekamen wir einen Zuschuss von der Regierung, den „Small Business Recovery Grant“. Wir bekamen 30.000 Dollar, aber wir mussten bei der Antragstellung angeben, wofür wir das Geld ausgeben wollen. Also werde ich 5.000 Dollar in Werbung investieren und ein Video produzieren. Wir werden es in der Bar drehen, mit vielen Drohnenaufnahmen und Bildern des Pizzaofens ...

Das ist also das Schlagzeug, an dem ich dich vor zehn Jahren gesehen habe?
Ja. Das habe ich schon seit 1989.

Hast du das auch mit nach Deutschland genommen?
Nein. Ich habe es ein einziges Mal mit nach Europa genommen, 1994, als wir zwei Schlagzeuger hatten – mit Ken Kempster. Wir haben ein Drumkit für Ken gemietet und ich habe meins rübergeschickt, was irgendwie eine Zeitverschwendung war.

Ich erinnere mich gerade daran, dass ich gelesen habe, wie toll „Joyful reunion“ live mit zwei Schlagzeugern klang.
Oh ja, bei bestimmten Songs war das einfach fantastisch. Wir haben das ungefähr drei Jahre lang gemacht und irgendwie hatte es sich erledigt. Sobald man ein weiteres Schlagzeug hat, ist es eine ganz andere Logistik: Die Soundchecks werden doppelt so lang, auch die Rider für die Clubs, man muss ja genug Equipment für das alles haben. Nach einer Weile waren wir einfach wieder zu dritt.

Du hast auf mich nie wie jemand gewirkt, der einen zweiten Schlagzeuger braucht.
Nun, er hat auch nicht die ganze Show gespielt. Zwei Schlagzeuger gab es nur bei speziellen Songs. Und als Tom in Andys Fußstapfen trat, war er nervös, also dachten wir: Lasst uns das ändern, damit nicht alles auf Tom als den neuen Gitarristen fokussiert ist. Man sollte einfach denken: Oh, die Band ist jetzt irgendwie anders!

Was ist dein Moment als Schlagzeuger, auf den du am stolzesten bist, wo du denkst, dass du da besonders gut warst?
Ich weiß es nicht, da fragst du den Falschen, weil mir Dinge auffallen, die andere Leute nicht bemerken. Es gibt Stellen, die ich vielleicht ganz gut finde, aber für andere sind die großartig. Das ist schwer zu sagen. Das ist eine Frage, die du dem Mann auf der Straße stellen musst. Ich könnte die Platten heute wahrscheinlich alle besser spielen. Ich denke, „Wrong“ ist solide von Anfang bis Ende. Es ist alles da. Aber ich glaube, ich habe immer zu schnell gespielt; ich habe nie gelernt, wie ich meinen Rhythmus halten kann, weil der Song in meinem Kopf langsamer läuft als für den Rest der Welt. Und wenn ich die Aufnahme höre, denke ich „Fuck, ich war viel zu schnell!“, aber währenddessen kommt es mir überhaupt nicht schnell vor. Du bist in einem ganz anderen Bewusstseinszustand. Die Zeit hat einen ganz anderen Rahmen, wenn du voller Adrenalin bist. Die Welt verlangsamt sich, das ist absolut wahr. Es gibt also eine Menge, was ich neu aufnehmen würde. Vor allem aber würde ich die meisten unserer Alben gerne neu abmischen. Ich denke, wir haben nicht immer den besten Mix hinbekommen.

Ist das etwas, was bei den geplanten Album-Wiederveröffentlichungen auf Alternative Tentacles möglich wäre?
Wir haben nur einige der Original-Multitracks, nicht alle. Ich meine, sie sind größtenteils in Ordnung. Beim NOMEANSNO-Album „One“ weiß ich, dass wir das in Pro Tools haben. Ich würde den Mix am liebsten noch mal komplett neu angehen. Ich höre es mir an und bemerke einfach die Mängel. Die musikalischen Performance ist insgesamt ziemlich gut. Es ist ein wirklich starkes Album, eigentlich ...

Um auf Jello zurückzukommen. Ihr habt zusammen das Album „The Sky is Falling And I Want My Mommy“ gemacht. Das ist wirklich einzigartig, denn bei den meisten von Jellos Kollaborationen, wie mit D.O.A. oder den MELVINS, verschwindet die Band irgendwann in der Rolle von Jellos Begleitung, aber hier kann man die Präsenz von NOMEANSNO wirklich spüren.
Es trafen auch einige ausgeprägte Charakters aufeinander. Wir sind, wie wir sind, und im Guten wie im Schlechten sind wir dabei nicht sehr flexibel. Aber ich denke, Jello hatte auch einen gewissen Respekt, auch vor Rob; Rob ist älter als Jello. Es geht nicht um Dominanz, es geht um Respekt. Aber es gab gewisse Dinge bei diesem Album, die ich nicht mochte. Bei einige Songs sind die Drumspuren die Demo-Takes, die ich für ihn gemacht habe, damit er die Lyrics dazu schreiben kann. Oder er machte es so, dass er irgendwie „die Musik singt“, und du musstest das Stück von dort aus erschließen, bestimmte Songs waren auch ganz von ihm. Dann hatte ich ein paar dieser irgendwie schrägen Songs, die schließlich auf dem Album gelandet sind. Und Jello kam dann ins Studio und sang alle seine Vocals über meine Demo-Drum-Tracks. Ich sagte: „Jello, das ist kein fertiger Take, das sollte nicht auf dem Album sein.“ Und er meinte: „Also, ich kann das nicht noch einmal machen!“ Das bedeutet, es gibt bestimmte Stücke auf dem Album, bei denen ich denke, dass sie besser sein könnten, und wo ich nicht wollte, dass es die finale Version ist. Aber Jello hört Musik nicht auf diese Weise, was auch völlig in Ordnung ist. Für ihn ist es so: „Das hat genau die Energie, die ich will.“ Ich sage: „Ja, okay, das verstehe ich, aber es ist nicht die Performance, die ich will, oder der Sound, den ich will.“ Aber das Argument verfängt nicht bei ihm, ihm geht es nur um die eingefangene Energie. Am Ende kamen wir gut miteinander aus; es gab keinen Stress.

Was Allison und Southern Records angeht – das Label, auf dem ihr jahrelang veröffentlicht habt und dessen Besitzer John Loder vor einer Weile starb – , so möchte ich eine Beziehung, die bereits schlecht zu sein scheint, nicht weiter verschlechtern, aber soweit ich weiß, ist Discogs ein Marktplatz für gebrauchte Platten; John Loders Witwe Allison produziert also keine extra dafür, um sie auf Discogs zu verkaufen, oder? Es sind nur alte Restbestände?
Nun, mir wurde gesagt, dass Allison jetzt in Florida lebt, Immobilien verkauft und Platten auf Discogs vertickt. Okay, gut. Dann, ganz zufällig, ein oder zwei Wochen später, sehe ich einen Post in der Facebook-Gruppe „We’re So Wright, We’re Wrong“: „Ich habe gerade eine brandneue Kopie der Techno-Tour-EP-3 von NOMEANSNO auf Discogs gefunden.“ Und ich denke nur: Verdammt, das muss Allison sein. Das muss aus unserem Backkatalog stammen.

Mit „Tour EP 3“ meinst du sicher „Butchering The Sacred Cows Volume One – Nomeansno Remixes“. Ich glaube nicht, dass ich die jemals gesehen habe. Das letzte, was ich gefunden habe, war „Tour EP 2“, mit „Jubilation“ und „Perambulate“. Gibt es eine Veröffentlichung von NOMEANSNO, von der ich nichts weiß?
Als Rob so ziemlich total auf elektronische Musik und Techno abfuhr, holte er sich am Ende eine Reihe dieser Künstler – er sagte, dass es nicht so schwer war, weil sie sich alle als Ex-Punkrocker entpuppten, die NOMEANSNO aus ihrer Teenagerzeit kannten – und brachte sie dazu, vier Songs zu remixen. „The river“ ist einer von ihnen. und vielleicht „Rags and bones“. Er schickte diesen Jungs die Multitracks und sie legten los und machten echt verrückte Sachen damit.

Ich habe das mal online gehört, aber es nie als Platte gesehen. Um die Wahrheit zu sagen, ich mochte es eigentlich nicht besonders – es war sehr seltsam, Techno-NOMEANSNO zu hören.
Manches davon gefiel mir gut. Ich mochte „The river“. Bei den letzten paar Touren, die wir gemacht haben, haben wir unser Set mit diesem Song begonnen, nur über die PA, aus der Konserve, und Rob kam raus und fing an, „The river“ darüber zu singen, und dann kam ich an den Drums dazu und trommelte live zu dieser Techno-Version des Songs, und das ging ein paar Minuten lang. Und wir richteten es so ein, dass es an einem bestimmten Punkt stoppt und wir setzten ein und spielten „The river“. Wir fingen bei der zweiten Strophe an, mit einem Schlagzeugsolo. Es gibt ein YouTube-Video davon, „NOMEANSNO Live in Kopenhagen, 2013, im Loppen“. Damit haben wir die Tour eröffnet. Der Sound ist okay, man bekommt einen Eindruck davon.

Für mich ist „The river“ Robs Meisterstück als Texter, es ist pure Poesie. Was ist dein Lieblingssong von Rob?
Das wäre einer, und „I need you“ auch. Für mich ist unser bestes Album „Why Do They Call Me Mr. Happy?“. Ich würde sagen, es hat von Anfang bis Ende ein wirklich gutes Songwriting und einen wirklich guten Sound. Ich fühle mich ein bisschen schlecht, das zu sagen, weil es nur zwei Alben gibt, die Rob und ich selbst gemacht haben, „Mama“ und dieses, aber das ist keine Kritik an Andy oder Tom, es ist nur Zufall; jeder von ihnen hätte beteiligt sein können und ich würde es immer noch als unser bestes ansehen. Robbie spielte Gitarre, und ich meine, er sagte sogar, dass er sich wünschte, wir hätten tatsächlich einen Gitarristen dabeigehabt.

Sind einige der „Mr. Happy“-Songs von dir?
Bei „Madness and death“ ist es meine Musik. Ich bevorzuge übrigens die englische Pressung des Albums, sie ist besser gemastert.

Warum fehlt eigentlich der Song „Lost“ auf dem Vinyl-Rerelease von „The Worldhood Of The World (As Such)“?
„Lost“ passte nicht mehr auf das Vinyl, also war der Song nur auf der CD. Tatsächlich existieren noch eine Menge solcher Stücke. Ein anderer Song, den ich wirklich mag und der irgendwie in Vergessenheit geriet, ist „Life like“.

War das dein oder Robs Stück?
Es war meine Musik und Robs Worte, aber es war einfach nicht geeignet für eine dreiköpfige Rockband. Live funktionierte es nicht wirklich. Es endete als Bonustrack auf der Doppel-LP „Dance Of The Headless Bourgeoisie“. Ich habe den Song immer gemocht. Also mache ich jetzt eine andere Version, sie ist mehr Keyboard-getrieben und hat viel mehr Stimmen, eine poppigere Chorversion davon, und ich singe die tiefe Stimmlage, aber ich hoffe, dass ich Selena Martin dazu bringe, die höhere Stimmlage zu singen. Ich habe sie durch Tom kennen gelernt, das Problem ist nur, dass sie in Frankreich lebt. Sie ist total begeistert, aber es könnte ein bisschen schwierig werden, das alles zu koordinieren. Ich möchte auch, dass der Song irgendwie geschlechtsneutral ist, in dem Sinne, dass es eine Mischung aus männlichen und weiblichen Stimmen ist. Es gibt einen Teil, wo ich denke, Scheiße, das erfordert eigentlich einen Knabenchor wie in der Kirche für die wirklich hohen Sopranstimmen. Aber wer zum Teufel soll das singen?

Und es ist einer von Robs besten Texten.
Oh ja, der Song hat einen tollen Text. Deshalb möchte ich auch versuchen, ihm ein zweites Leben zu geben.

Eine letzte Frage. Ich habe unserem Herausgeber Joachim Hiller Fotos von eurer Speisekarte gemailt. Er ist Veganer und er möchte wissen, ob du schon darüber nachgedacht hast, eine vegane Pizza-Option im Wildwood anzubieten?
Ich glaube, du kannst sie vegan und glutenfrei bekommen – wenn du es bestellst –, als käselose vegetarische Pizza.