POGENDROBLEM

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Gegen die Pimmelhaftigkeit

Die Punkband POGENDROBLEM aus Bergisch Gladbach hat gerade ihre Doppel-EP „Ich-Wir“ bei This Charming Man Records veröffentlich und fast zeitgleich dazu erschien auch die Doku „Auf der Suche nach der Utopie“. Darin macht sich die Band, gemeinsam mit der DIY-Szene, Gedanken darüber, wie wir miteinander leben könnten. Eines ist klar: anders. Obwohl der Bandname nach Saufen und Ein-zwei-eins-zwei-Punk klingt, scheint sich die Band doch gerne weitere Gedanken zu machen. Wir sprachen mit Georg, Frieder und dem Neuzugang Benta.

Ihr kommt aus Bergisch Gladbach, wann steht der Umzug in die große Stadt an? Das folgt doch zwangsläufig, weil man dort auf entsprechende Strukturen trifft.

Georg: Ich würde nicht sagen, dass das automatisch so sein muss. Aber wegen Arbeit oder Ausbildung ergibt sich das meistens. Ein Mitglied von uns wohnt auch noch dort und eines ist wieder zurück nach Bergisch Gladbach gezogen.

Ist die Stadt Teil euer musikalischen DNA?
Georg: Es ist eher entscheidend für unsere Identität, aber nach der Platte und dem Film wird sich das vielleicht langsam ändern. Ich wohne seit fünf Jahren in Köln und jetzt spielt es nicht mehr eine so große Rolle.

Benta, du bist neu bei POGENDROBLEM, warum hast du dich dieser Band angeschlossen?
Benta: Das war eher Zufall. Meine letzte Band hat sich letztes Jahr aufgelöst und danach kam eine Phase, in der ich immer mal wieder mit verschiedenen Leuten Musik gemacht habe, aber es ist nie etwas Festes draus geworden. Durch einen Bekannten habe ich davon erfahren, dass POGENDROBLEM jemanden für die Drums suchen, und ich habe die Band aus Spaß mal angeschrieben. Die Saufhymne „Schales Bier“ hat es mir direkt so sehr angetan, dass ich jetzt schon seit einem halben Jahr dabei bin.

Auf eure aktuelle 12“ „Ich-Wir“ habt ihr die ältere EP gepackt und neue Lieder, die Unterschiede sind deutlich hörbar. Das neue Material klingt konstruktiver, woher kommt das?
Georg: Durch den Umgang mit der DIY-Szene haben sich schon transformative Perspektiven für uns eröffnet. Aber das kommt durch die intensivere Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen und eine stärkere, politische Aktivität, und das ist theoretisch eigentlich auch von Bergisch Gladbach aus möglich. Der Song „Ich“ ist zum Beispiel auch gar nicht so konstruktiv, sondern eher destruktiv und abgrenzend.

Das Gitarrenriff von „Ich“ erinnert mich tatsächlich an Black Metal, so viel zur Eigenschaft „abgrenzend“.
Georg: Haha, das ist eine gute Frage für Frieder, der das Lied singt und geschrieben hat. Das freut ihn sicher, da er eine Vorliebe für antifaschistischen Black Metal hat.
Frieder: Es kann gut sein, dass in die Gitarrenriffs von „Ich“ ein klein wenig von meiner Affinität für Black Metal eingeflossen ist. Wenn, dann geschah das allerdings unbewusst. Zu der Zeit habe ich mich noch nicht so sehr mit Black Metal beschäftigt. Ist auch schon eine Weile her. Allerdings gibt es seit kurzem ein Bandprojekt, in dem ich mich diesbezüglich austoben kann.

Black Metal und Punk haben einiges gemeinsam, gerade was Abgrenzung, kompromissloses Vorgehen von Rumpelbands und auch Nihilismus angeht.
Frieder: Einige Parallelen sehe ich da auch. Die Wichtigste dabei für mich ist, dass sich Bands klar antifaschistisch und antirassistisch positionieren, um den rechtsradikalen und menschenverachtenden Gedanken und Strukturen, die leider auch innerhalb der Szene vertreten sind, etwas entgegenzusetzen. Ansonsten würde ich diese Musik nicht hören.

Eure Platte heißt „Ich-Wir“. Habt ihr euch bei der Anordnung was gedacht? Zum Beispiel, dass jeder Einzelne sich darüber im Klaren sein muss, was er will, damit es zu einem guten Wir führen kann?
Georg: Es ist eher Singular-Plural, das war der Grund und es gibt ja auch Referenztitel von anderen Bands. „Ich/Wir. Was macht das für ein Unterschied“ von SCHEISSE GEFÄHRLICH oder „Ich vs.Wir“ von KETTCAR.

Habt ihr auf die eigenen Fragen wie „Sag doch mal, was du denkst. Sag doch mal, was du willst. Sag doch mal, was du fühlst“ gute Antworten? Das ist gar nicht so einfach.
Georg: Bei der Doku sprechen ja ganz viele andere Leute, damit wir nicht so viel Raum einnehmen, den wir sowieso schon haben. Und es ging eher um die Suche und um die Schwierigkeit, sich Utopien, Zukunft oder ein Miteinander vorzustellen. Es ist interessant zu sehen, was nicht nur durch kognitive Prozesse entsteht, sondern dann, wenn man sich auf die Gefühlsebene begibt. Das ist ein wichtiger Punkt, um zu merken, wie man sich selbst und mit anderen fühlt und wie so was sein kann, um gut zusammen zu leben. Ich finde das selbst superschwierig zu beantworten und deshalb haben wir es an Leute weitergegeben, die gefühlt schon etwas weiter sind als wir selber, haha.

Kanntet ihr die beteiligten Bands alle vorher und waren sie vorbereitet?
Georg: Ja. Manchmal waren auch nur Teile der Bands zu sehen, die sich aber vorher im bandinternen Plenum auf Antworten geeinigt haben.

Ihr habt euch aber auf eure Szene beschränkt. Gerade die Ideen vieler zusammenzubringen, das ist doch das größte Problem.
Georg: Genau. In dem Film geht es auch nicht darum, eine einzige Utopie zu formulieren. Aber die DIY-Szene ist ein Ort, an dem man Sachen ausprobieren und Ideen umsetzen kann oder wo Gefühle und Begehren eher entstehen als in anderen Filterblasen. Und natürlich finden wir die Leute auch nett, haha. In der Szene ist Potenzial für spannende Perspektiven. Und zu den anderen Szenen haben wir auch nicht so guten Zugang.

Ist das Zulassen und Schaffen von Utopien fester Bestandteil der Punk-Szene?
Georg: Ja, würde ich schon sagen.

Selbst wenn ich mich nicht als stramme Punkerin bezeichnen würde ...
Georg: Ich mich auch nicht, haha.

... dann habe ich trotzdem den Eindruck, dass die Szene manchmal eine Art Etikett ist, mit fest definierten Grundsätzen, die man nur wiederholen, aber nicht fühlen muss. Gerade Sabrina von LÜGEN hat das vor kurzem sehr gut zusammengefasst und online gepostet.
Georg: Also mit unserer Doku sprechen wir die selbst organisierte, stark politisch engagierte und eng miteinander verknüpfte DIY-Punk-Szene an. Punk als Trend nehme ich aber auch wahr. Eine Szene, die gerade Mittelstandskids als ihre eigene ansehen, weiß und stark männlich geprägt. Das ist ein Problem und gerade Sabrina von LÜGEN hat das echt gut zusammengefasst. Es geht da ja gar nicht mal so stark um Konsum oder politische Bildung, sondern um die Pimmelhaftigkeit vom Ruhrpott Rodeo.

Ist Punk, der abseits des DIY stattfindet, ein Paradoxon?
Benta: Nein, das würde ich nicht sagen. Wenn man sich zum Beispiel das Ruhrpott Rodeo anguckt, das hat ja nichts mit DIY zu tun, und trotzdem sind die Bands, die da spielen und die Leute, die dort hingehen, Punk. In den Anfängen war DIY sicher ein definierender Aspekt, aber Kommerzialisierung und kapitalistische Verwertung haben über die letzten vierzig Jahre viel Veränderung reingebracht. Es ist ja dem Kapitalismus inhärent, dass man aus allem versucht, Profit zu schlagen. Ich denke nicht, dass irgendeine Bewegung oder Jugendkultur davor sicher ist, egal, ob sie ursprünglich mal für eine befreite Gesellschaft standen. Die SEX PISTOLS und der ganze Mode-Hype kamen ja auch schon sehr früh, also war Kommerz irgendwie schon immer ein Teil von Punk. Mittlerweile kann man GREEN DAY-Stadionrock genauso darunter fassen wie die vegane Kochgruppe im AZ. Ich finde, das ist nicht paradox, sondern das ist der zu erwartende Lauf der Dinge.
Georg: Ich würde sagen, dass alles ein Paradoxon ist, haha. Es gibt kein richtiges Leben im falschen und alles ist ja in Widersprüche verstrickt. Gerade im neuen Song von DIE ÄRZTE geht es ja darum, dass Punk ein leerer Signifikant ist und alles Punk sein kann. Und wenn man etwas als Punk etikettiert, kann das auch niemand widerlegen und sagen, dass das nicht so ist. Deshalb ist Punk schon witzig. Aber wenn Punk, warum auch immer, ein Vehikel sein kann, um emanzipatorische Impulse zu setzen, dann finde ich es auf jeden Fall gut.

Kennt ihr solche Büros, wie ihr sie in „Focault im Großraumbüro“ beschreibt?
Georg: Ich war immer nur kurz an solchen Orten, kenne aber viele, bei denen es so ist. Aber auch das ist widersprüchlich. Einerseits ist das Großraumbüro ein Post-Panoptikum und mich irritiert es, wenn Leute das positiv bewerten. Aber es kann ja sein, dass es bei denen wirklich so ist und sie die Yoga-Ecke total dufte finden. Kann ja auch schöner sein als ein Beamtenbüro aus den Fünfziger Jahren, aber es macht Überwachung und emotionale Angreifbarkeit viel leichter.