SLIME

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... im Detail

Parallel zum Live-Interview mit Tex und Alex schickte ich Elf, Chris und Nici Fragen zu weiteren Aspekten aus dem Bandkontext. Wie war das über die Jahre mit Songwriting? Wie arbeiten SLIME im Studio? Und was geht am Bass?

Elf, Gitarre
Elf, SLIME haben sich über die Jahre personell stark verändert, geblieben sind von den „Ur-SLIME“ nur du und Chris. Kannst du sagen, was das für das Songwriting bedeutet hat über die Jahre und ganz aktuell?

Die Musik für die letzten drei Alben ist größtenteils von mir. Auf der „Sich fügen heißt lügen“ sind noch fünf Songs von Chris dabei, bei den anderen zwei Scheiben hat er sich beim Komponieren dann rausgehalten, wobei seine Ideen für seine Gitarrenparts natürlich auch immer ein guter und wichtiger Beitrag sind. Das war auch früher bei Songs, die Stephan Mahler geschrieben hat, natürlich absolut entscheidend, dass wir, also Chris und ich, uns die Gitarrenparts selbst ausgedacht haben. Mit zwei anderen Gitarristen wäre der Sound mit Sicherheit ein ganz anderer geworden. Auf der aktuellen Scheibe sind fünf Songs, die komplett von Tex geschrieben wurden, wobei wir seine ursprünglich nur für Akustikgitarre gedachten Nummern natürlich noch mit der gesamten Band entwickeln und arrangieren mussten. Die restlichen zehn Songs sind dann musikalisch größtenteils von mir, wobei wir anders als früher mit Dirk jetzt einen sehr musikalischen Sänger haben, der sich seine Gesangsparts selbst ausdenkt. Dirk hat von mir immer Demos mit meinem Gesang drauf gekriegt, die er dann mehr oder weniger nachgesungen hat. Wobei von ihm durchaus auch die eine oder andere eigene Idee dazu kam, was beispielsweise Melodielinien anbelangt. Also heute gibt es wieder mehr gemeinsame Arbeit an den Songideen als auf den letzten drei Alben.

Nimm uns mal mit in die Frühphase der Band: Wie habt ihr damals Lieder geschrieben, wie hat sich wer eingebracht?
Anfang der Achtziger haben wir mehr oder weniger alles zusammen im Proberaum erschaffen. Wir waren sicher so drei, vier Tage in der Woche im Proberaum und haben gespielt. Wobei einige Grundideen für die Musik und auch Texte vor allem schon zu Hause entstanden sind. Die hat man dann in den Proberaum mitgebracht, den anderen vorgespielt und dann zusammen ausprobiert, wie das am besten funktioniert.

Und wie war das dann bei „SLIME II“ von 1990 bis 1994?
In der Zeit hatte ich dann schon ein Tascam-Achtspur-Kassettendeck und einen Roland R-8-Drumcomputer und habe damit meine Songideen und auch etliche mit Stephan in Rohversionen zu Hause aufgenommen. Diese Demos haben wir dann als Vorlage genommen und im Proberaum in die endgültigen Versionen gebracht. Diese Arbeitsweise verkürzte die Zeit, die man in stinkenden Bunkerräumen verbringen musste, auf ein erträgliches Maß. Heute funktioniert das ähnlich, wobei die Demos, die man mit dem Rechner machen kann, noch viel besser klingen und wesentlich näher an einer Endversion dran sind.

Im Wikipedia-Eintrag zu SLIME steht im Kontext eures 2012er-Comeback-Albums, auf dem ihr ja „nur“ Lieder von Erich Mühsam gespielt habt, der Satz: „Die Band hatte aus der Not, ohne Mahler keinen veritablen Songwriter mehr zu haben, eine Tugend gemacht.“ Welche Rolle spielte Stephan Mahler also als Songwriter, und wie konnte es, wie ihr ja bewiesen habt, auf nunmehr drei Alben mit neuen, eigenen Songs auch ohne den weitergehen?
Was so alles bei Wikipedia steht, na ja ... Ist nicht von uns der Eintrag. Klar hat Stephan einen ganzen Haufen wichtiger, guter Songs für SLIME geschrieben, aber er war nie der alleinige Songwriter. Bei dem „Schweineherbst“-Album hatte er einen guten Lauf und hat zwei Drittel der Musik und alle Texte geschrieben. Insgesamt sind aber schon knapp die Hälfte aller alten SLIME-Songs von mir, wenn ich mich nicht irre, und von Chris kam auch immer mal die eine oder andere Nummer dazu. Bei „Alle gegen Alle“ ist zum Beispiel Musik von ihm. Letztendlich bringt jeder in der Band immer irgendeine Idee für sein Instrument mit ein, die wichtig sein kann und einen Song erst zu dem macht, was dann am Ende auf dem Album zu hören ist.

Welche Rolle spielte Dirk/Diggen als Texter und Songwriter?
Als er 2020 seinen Ausstieg verkündete, dachten ja viele, das war’s in Sachen SLIME. Oft werden Stimme, Texte und Musik ja mit der Person am Mikro verknüpft. Dirk spielt kein Instrument und hat daher auch nie eine musikalische Idee mitgebracht. Bei den Texten hat er sich natürlich hier und da mal eingebracht, einzelne Zeilen geändert, die ihm nicht passten oder auch eine Idee, wie die, aus der berüchtigten Abkürzung „A.C.A.B.“ mal einen Song zu machen. Zwei Texte hat er komplett geschrieben. „1,7 Promille“ und „Guter Rat ist teuer“ von der „Alle gegen Alle“ sind von ihm. Natürlich ist eine markante Stimme wie die von Dirk ein wichtiger Teil des Bandsounds, vor allem wenn nur diese eine Stimme auf allen bisherigen Scheiben zu hören war. Zum Glück sind wir nie so groß geworden wie etwa DIE TOTEN HOSEN, so dass wir kein Riesenproblem damit hatten, uns die Band mit einem anderen Sänger vorstellen zu können. So was wie die Hosen ohne Campino ist wirklich schwer vorstellbar. Für uns sehen wir das anders. An den Reaktionen der allermeisten auf die ersten veröffentlichten Songs mit Tex kann man schon sehen, dass das funktionieren kann. Wenn man das Glück hat, einen so fantastischen Sänger zu finden, der auch noch seine Texte selbst schreibt und insgesamt sehr musikalisch ist, muss man das einfach machen. Es geht auch immer um den Spaß an der Sache und eben nicht um den „Regenhund“, der das große Geld sucht.

Und wie anders, wie neu war nun das Arbeiten am neuen Album mit eurem neuen Sänger Tex? Der hat ja eine eigene Geschichte als Musiker, Sänger, Texter, Songwriter, wie hat das das Bandgefüge verändert, zudem ihr ja mit eurem Drummer Alex einen weiteren Kreativen in der Band habt?
Wir haben in erster Linie wieder mehr zusammen an den Songs gearbeitet bei Proben zum Beispiel in einem Probestudio in Nordfriesland, und das mit einer Menge Spaß dabei. Wenn dann Abends nach einem langen Probetag Tex noch zur Akustikklampfe gegriffen hat und wir zusammen ein paar alte Gassenhauer gespielt haben, war das schon eine ganz andere Nummer als in den Jahren davor. Wir sind als Band wieder mehr zusammengewachsen, kann man sagen.

Und so ganz generell, wie lautet jetzt, kurz vor Release von „Zwei“, dein Fazit zu SLIME 3.0?
Vorläufiges Fazit ist, wir haben eine unserer besten Scheiben ever gemacht und sind sehr gespannt, wie das gesamte Teil bei den Leuten ankommt. Auf die ersten Live-Shows freuen wir uns sehr, weil wir uns sicher sind, dass die Leute Tex lieben werden. Er kann natürlich auch die Klassiker, die wir immer spielen werden, richtig gut singen und rüberbringen. Daran zweifele ich keinen Moment.

Christian Mevs, Gitarre
Chris, kannst du uns bitte erzählen, wie du einst zur Technik kamst? Weil irgendwer sich eben bei SLIME um den Aspekt kümmern musste?

So wie Holger Czukay bei CAN? Nein, ganz so war es nicht. Mein Interesse für Sound in der Musik entstand bereits im Alter von 14 Jahren. Auslöser war der meiner Meinung nach schlechte Sound der Musiksendungen im TV und bei Produktionen deutscher Bands. Gerade die Gitarren waren mir immer zu leise und die Drums krachten nicht. Ich dachte, warum können die Engländer und Amerikaner das besser? Also habe ich angefangen, selbst daran zu drehen. Erst mit zwei Tapedecks, mit denen ich bei jeder Kopie eine neue Spur hinzufügen konnte. Dann ab 1981 das erste Kassetten-Vierspur-Gerät, eine TEAC 144. So hatte ich dann schon gewisse Kenntnisse und davon abgeleitete Vorstellungen für unseren Sound. Und immer noch: RAMONES, SEX PISTOLS, GANG OF FOUR, alles viel geiler. Die anderen bei uns waren anfangs eher technikfeindlich eingestellt, überall Scheuklappen. Bewusster Umgang mit Hall und Delay beispielsweise waren ein No-Go. Das willst du jetzt aber nicht immer benutzen, war der Kommentar, als ich irgendwann 1982 mit meinem ersten Analog-Delay in den Proberaum kam. Lustig aus heutiger Sicht. Die ersten vier Alben sind in relativ professionellen Studios aufgenommen worden, und ab 1986 hatte ich mein eigenes Studio, das später zum Soundgarden Tonstudio wurde. In dem haben wir dann auch ab dem Album „Die Letzten“ immer wieder aufgenommen.

Du stellst dich auf der Website deines Studios Salon Berlin als „Tonmeister und Produzent“ vor. Wie sah denn einst deine Ausbildung aus?
Grundsätzlich hatte ich in jungen Jahren kaum Selbstbewusstsein, und die Vorstellung, mich in einem Lehrer-Schüler-Verhältnis wiederzufinden, behagte mir überhaupt nicht. Außerdem hatte ich die fixe Idee, dass mich jeder Lehrer verformt und mich von meiner eigenen Kreativität entfernt. Im Nachhinein betrachtet hat für mich deshalb alles länger gedauert. Ich wollte alles selbst entdecken und habe immer nur häppchenweise Inspirationen und Wissen von andern angenommen. Es waren die Achtziger und ich stand auf große Sounds in Rock einerseits, andererseits fraß ich mich begeistert durch neue, elektronische Klangmöglichkeiten: THE RESIDENTS, SWANS, aber auch Klaus Schulze. Außer einer Ausbildung zum Elektroniker mit anschließender Fachoberschule für Elektrotechnik habe ich dieser Richtung nichts gemacht, alles DIY. Deshalb habe ich auch schon ab 1986 im Proberaum meiner Band GEORGE & MARTHA ein Studio eingebaut, natürlich auch einfach drauflos, und die Wände schimmelten irgendwann, aber es klang gut, weil großer Raum und sehr offen, nix akustisch behandelt. Das erste Album von C3I habe ich dort produziert und auch die genialen FEUER & HANSEKRACH. Wirklich beeindruckt hat mich 1988 ein Besuch in London in den BBC Studios. Wir waren mit GEORGE & MARTHA von John Peel zu einer Session eingeladen worden. Unser Produzent war der Drummer von MOTT THE HOOPLE. Und es gab eine SSL-4000-Konsole, nur feinste Technik. Aber das allein war es nicht, sondern die Art, wie dort gearbeitet wurde. Niemand dort hat versucht, Einfluss zu nehmen oder einen wie auch immer gearteten Standard zu verlangen. Die haben einfach versucht, die Session so gut wie möglich klingen zu lassen, und haben uns kleine Hamburger Band absolut ernst genommen. Nach Ausflügen in die Theater- und Filmmusik bin ich beim Mehrkanalton gelandet und hatte zunehmend Kontakt zur Audiowelt, war auf Branchentagungen und habe Leute kennen gelernt. Zum Tonmeister bin ich dann 2005 auf Empfehlungen hin vom Verein deutscher Tonmeister/VDT berufen worden.

SLIME-Alben, auch schon die frühen, zeichnet aus, dass sie „gut gealtert“ sind. Während mancher Punk-Klassiker darunter leidet, dass die Aufnahmequalität durch knappe finanzielle Ressourcen wie bisweilen auch mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten begrenzt war, ist das bei euch explizit nicht der Fall. Gab es also schon früh die Erkenntnis, dass – Punk hin, Punk her – so eine Platte auch einfach gut klingen muss?
Gut gealtert? Wenn du meinst. Da ist natürlich auch Glück dabei gewesen, aber klar, ein technisch gut ausgestattetes Studio war damals wichtig. Die ersten beiden Alben haben wir im Raubbau Studio in der Nähe von Hamburg aufgenommen. Mir war ein Flyer in die Hände gefallen, mit einem Komplettangebot: 1.000 LPs gepresst inklusive Cover, sieben Tage Studio für 5.000 DM. Das Studio gefiel mir, zwei 1/2“-Achtspur-Maschinen gekoppelt und ein Soundworkshop-Pult. Wir haben zusammengelegt und das gemacht. Ein Bewusstsein dafür, wie Punk klingen muss, hatten wir damals noch nicht. Also ob unser roher, direkter Sound auch schlecht klingen muss oder ob das nicht auch provokanter ist, wenn der Sound dabei einfach geil ist. Es gab also in diesem Sinne keine künstlerische Ebene, sondern es sollte authentisch sein. Wir hatten auch nie einen Produzenten in dem Sinne, dass jemand sich über Sound, Image und so weiter eines Albums Gedanken gemacht und uns Wege aufgezeigt hätte. Wollten wir am Anfang natürlich auch nicht, weil DIY. Und später hat sich die Frage auch nie gestellt.

Kannst du mal einen Versuch wagen, ganz technisch zu erklären, was „den“ SLIME-Sound ausmacht, was sich verändert hat, was geblieben ist, auch durch die personellen Veränderungen?
Technisch ist das sicher nur unzureichend zu erklären. Der Toningenieur Bruce Swedien, bekannt unter anderem für seinen großartigen Chorsound, wurde einmal gefragt, wie er den technisch hinbekommen würde. Seine Antwort war: Nimm den besten Chor, den du kriegen kannst. Bei uns hat natürlich Dirk mit seiner Stimme das Bild entscheidend geprägt, und auch jetzt mit Tex ist das nicht anders. Der Sound der beiden Gitarren lebt von den gänzlich unterschiedlichen Auffassungen, das Instrument zu spielen. Elfs präzises Timing, stark vom Rock’n’Roll beeinflusst, und meine eher wilde und freie Art des Spielens münden noch immer in dem Wunsch, pure Aggressivität zu erzeugen.

Manche Bands arbeiten immer mit externen Produzenten und Studioleuten, andere wie ihr haben jemand Kundiges in den eigenen Reihen. Wo siehst du Vor- und Nachteile?
Vorteil ist sicherlich die Unabhängigkeit und die Tatsache, die Band sehr gut zu kennen. Nachteil kann der eigene Blick sein, da ich natürlich immer auf eine Art „befangen“ bin. Allerdings ist das heute nicht mehr so ein Problem, da ich durch meine zahlreichen Erfahrungen in allen möglichen Produktionskonstellationen mögliche Stolperfallen recht gut kenne und zudem niemanden mehr etwas beweisen muss, vor allem nicht mir selbst.

Der markanteste „Bruch“ ist nun, dass ihr mit Tex einen neuen Sänger habt und an der Stimme, am Gesang immer viel „aufgehängt“ wird. Wie bist du, seid ihr das im Studio angegangen? Wie lief die Arbeit an „Zwei“?
Ich hatte bis zur Aufnahme von „Zwei“ schon etwa zwei Jahre mit Tex im Studio gearbeitet, da war also schon eine gute Grundlage da. Und als Band hatten wir bereits Proben und Demos hinter uns. Was sich durch Tex geändert hat, war natürlich sein Gesangsstil und seine Art, Songs zu schreiben. Dazu stellte sich im Studio heraus, dass jeder von uns auch für sich persönlich Ansprüche an die „neuen“ SLIME stellte, und die wollten erst mal unter eine Hut gebracht werden. Am Ende der Aufnahmen dachte ich, eigentlich sind wir immer noch in einem Findungsprozess, der nicht abgeschlossen ist. Irgendwie klang es nicht rund. Dafür aber unglaublich frisch und energiegeladen. Wir haben uns dann auch nicht einigen können und deshalb den Mix an Jörg Umbreit von den Prinzipal-Studios abgegeben. Das Ergebnis ist auch richtig gut geworden.

Nici, Bass
Nici, du bist seit 2010 bei SLIME am Bass. Vorher warst du bei denn MIMMI’S. Erzählst du uns, wie du einst zum Musikmachen kamst, warum es der Bass wurde, und was deine Bandstationen waren?

Ich habe mit acht Jahren angefangen, klassische Gitarre zu lernen, bis ich so 16 war – mehr oder weniger erfolgreich. Aber auch nur, weil meine Eltern das bezahlen konnten. Vom Staat gab es da gar nichts. Zum Bass bin ich gekommen, weil ein Kumpel von mir einem Junkie einen geklauten Bass für zehn Mark abgekauft und mir geschenkt hat. Meine erste richtige Band Mitte der Neunziger hieß KISS DADDY GOODBYE. Nach der Geschichte habe ich dann mit Ole, Gitarre, und Ladde von den DIMPLE MINDS als Sänger GREASEBALL gegründet. Das war so Ende der Neunziger für circa drei Jahre. Dann kam Fabsi auf mich zu, weil er eine neue Bassistin für die MIMMI’S gesucht hat, und ab 2000 war ich dann dabei.

Was macht der Bass bei SLIME? Wie spielst du den, welchen Platz nimmt der im Bandgefüge ein?
Ich spiele einen nach vorne treibenden Bass, würde ich sagen, mit Plektrum, nicht mit den Fingern. Punkrock, wie wir ihn spielen, funktioniert nicht ohne Bass, deshalb ist der natürlich genauso wichtig für die Musik wie etwa die Gitarren.

Mit „Sarah (Frau, auch in ner Band)“ haben AKNE KID JOE ein Thema sichtbar gemacht, das wohl viele Musikerinnen umtreibt: In einer männlich dominierten Rockmusiklandschaft maximal als „Hilfskraft“ für Merch, Catering etc. wahrgenommen zu werden, aber „selbstverständlich“ nicht als Musikerin. Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht, kannst du die Wut von Sarah und anderen nachvollziehen, wie gehst du mit dem Thema um?
Ich habe solche Erfahrungen nicht gemacht, kann das aber nachvollziehen, wenn Frauen, die selbst Musik machen und dabei so was erleben müssen, wütend darüber sind und finde es gut, wenn die das in Songtexten ausdrücken. Wenn mir mal jemand querkommt, gibt’s erst ’ne verbale Schelle, und wenn das nicht reicht, greife ich zu meiner Ausbildung in Selbstverteidigung, das heißt ein dezenter Tritt in die Eier und Tschüss!

2021 brach unter dem Hashtag #PunkToo eine Diskussion über machistische Verhaltensweisen in der Punk-Szene los. Wie hast du diese Diskussionen wahrgenommen?
Da ich nicht in den so genannten sozialen Medien unterwegs bin, kein Facebook etc., habe ich das nur über Dritte mitgekriegt. Kommt mir sehr klein vor unter diesem Hashtag. Was ist denn die sogenannte Punk-Szene überhaupt? Bei #MeToo ging es ja wohl um sexuelle Übergriffe bis hin zu Vergewaltigungen. Wenn das in irgendeiner „Szene“ stattfindet, muss man am besten direkt was unternehmen, wobei es nicht falsch ist, das auch im Netz zu diskutieren.

Wie stehst du zu einer wie auch immer gearteten Quote etwa auf Festivals, beziehungsweise woran liegt deiner Einschätzung nach der unbestritten geringe Anteil von FLINTA*-Menschen in Punk/Rockmusik-Kontexten?
Es sollte bei Festivals immer um gute Musik gehen und nicht darum, wie viele Frauen oder Männer in irgendwelchen Bands spielen. Jeder Veranstalter sucht sich die Bands aus, die er gut findet und die auch zu seinem Festival passen, und muss auch noch sehen, dass die bezahlbar sind und bekannt genug, um ausreichend Publikum zu ziehen. Wenn es nun mal so ist, dass die allermeisten Bands, die als Headliner funktionieren, eben Männerbands sind, dann ist das so. Ich höre ja selbst auch nicht nur Frauenbands, weil ich eine Frau bin. Das wäre lächerlich. Wenn es Aktivistinnen gibt, denen das zu wenig ist, dann sollen die doch mal ein eigenes Festival ins Leben rufen, wo dann nur Frauenbands spielen. Könnte sehr spannend sein ,wie das funktioniert. Ich glaube nicht, dass eine Quote irgendwas bringen würde. Wie soll das denn aussehen? Zählt man dann den Frauenanteil aller Bands zusammen, oder zählen nur Bands ,wo mehr als eine Frau dabei ist, oder nur reine Frauenbands? Warum es schon immer einen geringen Anteil an Frauen in Rockmusik-Kontexten gibt, kann ich nicht beurteilen. Ich glaube, im Pop- und Singer/Songwriter-Bereich gibt es viel mehr erfolgreiche Frauen als Männer oder zumindest ist es da 50/50 verteilt. Allgemein fände ich es gut, wenn die Kulturpolitik sich mal dahin bewegt, wo skandinavische Länder schon länger sind. Nämlich Jugendliche viel mehr zu supporten, indem sie Geld raustun für gute Proberäume, die ersten Musikinstrumente etc. Gibt es in Deutschland wahrscheinlich gar nicht, könnte aber mehr Kids aller Geschlechter inspirieren, mit dem Musikmachen anzufangen, egal in welcher Richtung.

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Rum Bumpers
„Auf die Fresse gibt’s umsonst, für den Rest musst du bezahlen.“


Wer in Bremen unterwegs ist und ein, zwei Bier trinken möchte, kommt um das Kneipenviertel Ostertor/Steintor nicht herum. Hier findet sich die moderne Cocktailbar neben der alteingesessenen Schänke und auch für die Subkultur ist hier einiges los: Im Haifischbecken und im Eisen gibt’s Getränke zu Punkrock-Klängen und im Lagerhaus oder in der Friese finden auch Konzerte statt. Keinesfalls verpassen sollte man aber die Bar Rum Bumpers am nördlichen Ende des Viertels.
Du machst die Tür der Bar auf und dir schallen THE STOOGES entgegen, im gedämmten Licht siehst du Menschen, die Lederjacken oder Bandshirts tragen, und auch wenn du es nicht tust, weißt du, dass du hier (trotzdem) willkommen bist – was willst du an einem Freitagabend mehr? Für viele fehlt da nur noch ein kaltes Bier, ein guter Rum oder ein ausgesuchter Kräuterschnaps – und den bekommst du im Rum Bumpers von keiner Geringeren als Nici, der Bassistin von SLIME. Und womöglich triffst du auch noch auf Elf, der mit einem der Barkeeper in einer WG über der Kneipe wohnt. Oder den Kellner Ole, der bei den DIMPLE MINDS Gitarre spielt. Auf jeden Fall aber triffst du auf eine Kneipenszene, die in Bremen zusammenhält: Man hilft sich gegenseitig mit Personal aus, wenn mal jemand ausfällt, oder empfiehlt sich gegenseitig weiter, wenn wegen Personalmangels früher geschlossen werden muss. Auch innerhalb des Rum Bumpers-Teams haben sich mehrere Menschen zusammengetan, um den Laden während der Lockdowns durch Soli-Aktionen am Laufen zu halten und Kohle für Filteranlagen zusammenzuschmeißen. Das Bier gibt’s hier zwar nicht für einen Euro, dafür aber zu fairen Preisen, von denen die Miete gezahlt und das Personal anständig entlohnt werden kann. Du hast aber keinen Bock auf solche Preise, willst deinen Impfstatus nicht vorzeigen oder lässt rassistische Scheiße ab? Dann folgt Chefin Nici ihrem Motto: „Auf die Fresse gibt’s umsonst, für den Rest musst du bezahlen.“
Fabi Schulenkorf
www.fb.com/rumbumpers
Rum Bumpers, Humboldtstr. 34, Bremen


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Mille von KREATOR
über SLIME
Was ist deine erste Erinnerung an SLIME? Eure Wege haben sich ja immer wieder gekreuzt, vor Jahren habt ihr „Alle gegen Alle“ gecovert. Wie kamst du als Metaller zu SLIME?

Die Übergänge sind ja fast fließend von Punk und Metal. Mein erstes SLIME-Album war die „Pankehallen“-Live-LP. Und ich weiß noch, als wir 1986 „Pleasure To Kill“ aufgenommen haben, da fand ich heraus, dass Harris Johns auch SLIME produziert, da habe ich ihn total danach ausgefragt. Ich glaube, ich war erst SLIME-Fan, bevor ich amerikanischen Hardcore gut fand. Ich bin mir nicht sicher, ob ich erst DIE TOTEN HOSEN oder SLIME gut gefunden habe, aber auf jeden Fall fand ich SLIME danach umso besser, weil das war ja die Extremversion. Sie sind für mich eine der wichtigsten Bands in Deutschland, ganz unabhängig vom Genre.

Ihr wart zudem quasi auf dem gleichen Label. Zuerst existierte Aggressive Rockproduktionen, das war das Label von SLIME. Danach entdeckte Karl-Ulrich Walterbach Hardcore und dann Metal und gründete Noise International und signte unter anderem KREATOR.
Ich habe den Walterbach damals nach SLIME ausgefragt, wie die Typen so drauf sind, und ich glaube, da waren die schon fast aufgelöst. Das war nur noch ein Mythos, und ich habe mich lange darauf gefreut, dass die mal wiederkommen. Es hat gefühlt zwanzig Jahre gedauert, bis es eine Reunion gab, aber es war 1990. Das kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich endlich mal SLIME live gesehen habe.

Als es dann 2009 die Reunion gab und 2010 Alex Schwers als Drummer einstieg, gab es zudem diese regionale Connection, denn der ist aus Gelsenkirchen, das ist von Altenessen aus einmal über die Emscher. Ihr kennt euch ganz gut, und du warst wohl einer der ersten, der um Feedback zum neuen Sänger gebeten wurde, der die neuen Songs hörte. Wie war dein Eindruck?
Ich hatte schon das erste Demo mit dem neuen Sänger gehört und mich mal mit Alex getroffen. Damals wusste noch keiner, dass es einen neuen Sänger gibt, und er hat mich einfach mal gefragt, wie ich den finde. Ich habe ihm gesagt, das ist gut, das ist ein Neuanfang, das ist der richtige Schritt und das wird die Band auf ein anderes Level heben. Und ich hatte recht. Ich habe das Album gehört und ich muss sagen, damit hätte ich niemals mehr gerechnet. Nicht dass ich SLIME jemals nicht gut fand. Ich fand die immer gut, aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich die letzten Alben ein bisschen zu seicht fand. Die hatten nicht mehr das, was ich früher an denen so toll fand. Irgendwie ist das ein totaler Neustart. Ich habe heute das neue Video gesehen, das Kollek gemacht hat, und du siehst das im Video, dass die total Spaß haben. Das ist jetzt wieder wie eine junge Band. Tex, der Sänger, schreibt super Texte. Der ist einfach genau der Richtige.