T-KILLAS

Foto

Kein ruhiges Hinterland

Die Dorfpunks und Schulfreunde Schnalli und Till aus Wörth am Main gründeten die Band T-KILLAS 2003 mit dem Ziel, Ska und andere Stile miteinander zu kombinieren. 2009 veröffentlichten sie in Eigenregie ihre erste EP „Rude And Smart“. Mangels Musiker*innen pausierte man anschließend für zwei Jahre und spielte derweil in diversen Punk-Projekten. 2014 erschien bei Rocking Records das erste Album „It’s Up To You“. Mittlerweile ist man in Aschaffenburg ansässig und es gibt seit 2017 eine feste Besetzung mit Till (gt, voc), Frank (bs), Hendrik (org), Maurice (dr) und Schnalli (sax). Die EP „Kicking The Pressure“ und das aktuelle Album „Awareness“ wurden eingespielt. Es ist ein gelungener Mix aus Ska, Mod, Punk und Reggae, wie ihr in meinem begeisterten Review in Ox #150 nachlesen könnt. Ich möchte im Gespräch mit Schnalli mehr darüber erfahren.

Schnalli, wer oder was steckt hinter der Kommune 2010 in Offenbach, wo ihr das Album aufgenommen habt?

Die Kommune 2010 umfasst eine Kulturstätte in Offenbach auf einem Gelände von einem Hektar. Dort werden In- und Outdoor-Konzerte veranstaltet, man kann Ateliers und Proberäume mieten und in einem schönen Tonstudio aufnehmen. Unser Tontechniker und Kumpel hatte mal in dem Studio gearbeitet, in dem wir bereits unsere EP „Kicking The Pressure“ produzierten. Die Zeit verging sehr schnell. Wir haben viel gespielt und währenddessen das aktuelle Album „Awareness“ aufgenommen, das wieder bei Fire And Flames und Grover Records veröffentlicht wurde. Danke an dieser Stelle an diese sehr engagierten und tollen Menschen!

„Awareness“ ist ja jetzt zu einem äußerst ungünstigen Termin erschienen, in der man keine Konzerte spielen, geschweige denn eine neue Platte promoten kann. Wie nutzt ihr stattdessen die Zeit?
Wir richten unseren neuen Proberaum schick ein und arbeiten schon wieder an neuen Songs für das nächste Album. Daneben hat sich ein Teil der Combo mal intensiver mit Social-Media-Plattformen beschäftigt und übt sich darin, um das Album zu promoten. Danke auch hier an unsere Kumpels von DEFENDERS OF THE UNIVERSE, die uns immer mit Rat und Tat unterstützen.

Was soll das Coverartwork in Verbindung mit dem Titel aussagen?
Das Album ist, samt Cover und textlichem Inhalt, die Weiterführung unsere EP „Kicking The Pressure“. Die Songs handeln von realen Personen oder persönlichen Erfahrungen, Entwicklungen oder Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen. Die Überlegung war, eine vom System gebrochene Person darzustellen, die von einem revolutionären Geist eine Utopie oder Lebensalternative gezeigt bekommt. Es wird ein Bewusstsein geschaffen, um zu handeln. Bei der künstlerischen Umsetzung des Artworks hatte unsere Freundin Chiccha Savino natürlich freie Hand. Nur die Sterne waren uns wichtig. In dem Lied „Calling for stars“ geht es um Arbeit, Machtverhältnisse und soziale Ungleichheit. Wir setzen uns damit auseinander, wie ein emanzipatorisches, solidarisches Leben unter einer direkten demokratischen Selbstverwaltung gestaltet werden könnte, bei der bedarfsgerecht und nachhaltig produziert wird und Besitzverhältnisse infrage gestellt werden. Jeder einzelne Song hängt auf seine Weise mit dem Albumtitel zusammen. Bei „Dandy and rude“ geht es um Menschen, die sich aufgrund ihres politischen Bewusstseins mit ihren Lebensentwürfen klar von der gängigen Gesellschaftserwartung abwenden, ihre Ideen jedoch auch teilen und den Menschen eine Alternative zum Mainstream, sowohl politisch als auch in Form einer alternativen Hedonismuskultur aufzeigen. Der Song ist eine Hommage an eine Crew, mit der wir lange befreundet sind, die für uns inspirierend und bereichernd ist und für deren Freundschaft wir sehr dankbar sind.

„Do you eat“ beschäftigt sich mit Monsanto und Co. Eure Konsequenz daraus?
Wir sind keine Dogmatiker und Nahrungsmittel haben ihren Preis. Das können Menschen durch ihr unterschiedliches Konsumverhalten beeinflussen. Das Thema Essen und die wirtschaftlichen Mechanismen, auch im Kontext sozialer Ungerechtigkeiten, besitzen für uns eine große Relevanz. Es muss sich die Frage gestellt werden, wie in Zukunft gute Nahrungsmittel produziert werden können, die für alle verfügbar sind. Also entweder nachhaltig und bedarfsorientiert oder weiter in einem kapitalistischen System, das beispielsweise große Agrarkonzerne subventioniert, die Gifte einsetzen, Menschen das Trinkwasser verwehren und zudem für die Mülltonne produzieren.

Wenn ich den Text bei „Rudie’s struggle“ richtig interpretiere, geht es darin um das Machogehabe in der Szene, oder?
Das Lied handelt davon, die Strukturen, in denen du dich bewegst, und deine eigene Rolle in diesem sozialen Konstrukt zu reflektieren. Was möchtest du? Eine Gegen- oder Subkultur, die weiterhin die gängigen Rollenklischees bedient und eine Blaupause der patriarchalen Gesellschaft ist, oder eine diskriminierungsfreie, offene und tolerante Szene? Es fängt ja schon mit den Songtexten an, beispielsweise welche Personen du ansprechen möchtest und wer sich damit identifizieren könnte. Wir sind da auch nicht frei von Selbstkritik, da wir lange in unserem Logo einen Rudeboy verwendet haben, was uns selbst irgendwann sauer aufgestoßen ist, da wir nicht nur Cis-Männer ansprechen wollen. Wir haben uns dann für das genderneutrale Rudie entschieden. Es ist nach wie vor erschreckend und nicht zu tolerieren, wie alltäglich machomäßig und übergriffig agiert und im schlimmsten Fall von Umstehenden weggeschaut wird. Hier gilt es, einzugreifen und Betroffene zu unterstützen sowie Freiräume zu schaffen und zu erhalten, wo für ein solches Verhalten keinerlei Toleranz besteht. Wir bewegen uns ja in einer Sub- und/oder Gegenkultur, in der es möglich ist, aktiv zu werden, diese mitzugestalten und zu erhalten.

Corona hat ja gezeigt, dass Verschwörungserzählungen auch vor den vermeintlich eigenen Kreisen keinen Halt machen.
Die „Hygienedemos“ wurden ja von Rechten jeglicher Zugehörigkeit instrumentalisiert und ähneln nicht nur in der personellen Zusammensetzung PEGIDA. Doch was bekommen die Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer dorthin verirren und keine Faschisten oder Neonazis sind, dort für Inhalte vermittelt? Die sozialen Themen werden größtenteils außen vor gelassen, was Gegenproteste umso wichtiger macht, um die Menschen anzusprechen, die für rationale Argumente noch empfänglich sind. Es geht bei diesen Veranstaltungen nicht um die soziale Ungerechtigkeit, nicht um die Stärkung von Arbeitnehmer*innen, deren Berufe als systemrelevant eingestuft wurden, die durch das Raster von Hilfsprogrammen fallen oder trotz Gesundheitsgefahren zur Arbeitsstelle gehen müssen. Es ist klar, dass im Kontext Corona Grundrechte beschnitten wurden, und dies auch zeigt, wie fragil gewisse Freiheiten in diesem System sind. Wie auch die Diskussion über innerdeutsche Bundeswehreinsätze. Es ist interessant, aber wenig verwunderlich, dass sich der Freiheitsbegriff besorgter Bürger*innen besonders auf individuelle Rechte wie Konsum und das Ankurbeln des Wirtschaftssystems reduziert. Dagegen finden beispielsweise die durch Polizeigewalt aufgelösten Seebrücke-Proteste, der unmenschliche Umgang mit Geflüchteten in der EU und auch in deutschen Unterkünften kaum öffentliche Resonanz.

Was tut sich neben den T-KILLAS in Sachen Mod, Punk, Ska sonst so in Aschaffenburg?
Die Szene hier ist klein und überschaubar, aber gut vernetzt und mensch hilft sich untereinander. Aschaffenburg ist auch noch nicht lange Hochschulstadt. Es gibt ja bekanntlich kein ruhiges Hinterland und so findest du aktuell auch hier so genannte Hygienedemos, entsprechende Parteien und Umtriebe von Grauzone bis rechtsextrem. Aber es gibt vor allem, und das ist wichtig, aktiven Widerstand und zahlreiche politische Projekte wie die Seebrücke, das Welcome Café oder das Stadtmagazin 361°, herausgegeben durch die Interventionistische Linke, außerdem Stern e.V., eine Kneipe, in der auch Konzerte, Vorträge oder Workshops stattfinden, und natürlich das Hannebambel, ein linkes Kneipenkollektiv.