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MUFF POTTER

Bei aller Liebe

Als MUFF POTTER 2018 nach neun Jahren Pause ein paar Konzerte ankündigten, waren die Tickets schnell ausverkauft. Es war offensichtlich, dass die Band vermisst worden war. Bis auf „Colorado“, eine Sammlung mit Raritäten und B-Seiten, gab es jedoch bis jetzt kein neues Album. Die Erwartungen an „Bei aller Liebe“ dürften entsprechend hoch sein. MUFF POTTER waren zwar eine wichtige Band im deutschsprachigen Punkrock, bezeichneten ihre Musik, wenn eine Einordnung denn sein musste, aber eher als „Angry Pop Music“. Auf „Bei aller Liebe“ ist „Pop“ das richtige Stichwort, MUFF POTTER setzen hier auf eine klare und saubere Produktion, sind melodisch und eingängig. Die erste Single „Ich will nicht mehr mein Sklave sein“ könnte ohne Probleme in der Indie-Disco laufen und „Der einzige Grund aus dem Haus zu gehen“, zum Beispiel, ist ein feierlicher Song, der mit einer herausragend schönen Gitarrenmelodie und einem nicht minder schönen im Chor gesungenen Ende ausgestattet ist. Wer die rumpeligeren MUFF POTTER von „früher“ vermisst (wie ich), bekommt mit „Privat“ einen kurzen, nach vorne stampfenden Punkrock-Song mit patzigem Refrain. Noch so ein Hit. Der vielleicht wichtigste und dringlichste Song jedoch ist „Nottbeck city limits“. Das Stück widmet sich dem Kontrast zwischen dem gut gelaunten und privilegierten Alltag des Albumschreibens mit selbstverständlich vegetarischem Frühstück im Kulturgut Haus Nottbeck und dem Alltag der Arbeiter:innen in der nahe gelegenen Fleischfabrik von Tönnies. Im Ox-Interview erzählte Sänger Thorsten Nagelschmidt, er habe hier zum ersten Mal für einen Song recherchiert und Interviews geführt, und so sei „Nottbeck city limits“ eher eine mit Musik untermalte Reportage denn ein klassischer Song geworden. Trotz oder gerade wegen seiner Sperrigkeit wurde „Nottbeck city limits“ zur Single mit einem Video, das auch ohne plakative Bilder aus dem Schlachthof angemessen bedrückend ist. Uff. Nagelschmidts Talent, Songtexte zu schreiben, blieb über die Jahre unverändert. Das zeigt sich an Zeilen wie „Frag nicht nach Sonnenschein / Sag einfach ‚danke gut‘“ („Nottbeck city limits“), „Dieser Schwindel auf dem schmalen Grat, den wir balancieren im wilden Spagat“ („Flitter und Tand“), „Und du haust Gefühle wie Kamelle raus“. Dass das alles recht bedeutungsschwer vorgetragen wird, muss man allerdings mögen. Gitarrist Dennis Scheider, der auf früheren MUFF POTTER-Platten einige Songs gesungen hat, hat die Band mittlerweile verlassen (dafür ist nun Felix Gebhardt dabei) und in so manchen Momenten fehlt seine Stimme schon sehr. Trotzdem ist „Bei aller Liebe“ ein wirklich ordentliches Comeback-Album geworden.