BOB MOULD

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Do you remember?

Der Meister ist nicht zurück, er war immer da, nur eben mal wieder eine Weile unterhalb meines Radars unterwegs. „Body Of Song“ ist das neue Album von Bob Mould, das dritte einer Serie, wie Bob erklärt, und es ist, das kann man so sagen, gitarrenorientierter als die beiden für HÜSKER DÜ und SUGAR gewohnte Ohren doch recht elektronischen Vorläufer. HÜSKER DÜ, das war von Ende der Siebziger bis zu ihrem Ende 1987 zusammen mit DINOSAUR JR. und SONIC YOUTH die Band, die US-Indierock, Post-Punk oder wie immer man das nun nennen mag, maßgeblich definierte, die für mich bis heute mit WIPERS und JOY DIVISION das heilige Triumvirat der ewigen Lieblingsbands darstellt. Auch wenn Mould, der seit ein paar Jahren in Washington, D.C. lebt, sich selbst längst von der Reduzierung auf eine gar nicht so glorreiche Vergangenheit gelöst hat (mit SUGAR war er Anfang der Neunziger sogar mal so was wie ein Rockstar), so ist seinen Liedern, schließlich war er Stimme und Gitarrist seiner Bands, doch immer genau anzuhören, wer da musiziert. Die Kontinuität ist also gewährleistet, auch wenn mich sein neues Album nicht übermäßig begeistert, von Track 8 mal abgesehen. Ich hatte einen gut gelaunten Bob Mitte Juni am Telefon.

Bob, „Best thing“ ist für mich der am deutlichsten an HÜSKER DÜ erinnernde Song des neuen Albums.


„Haha, das haben mir schon ein paar Leute gesagt. Aber das war mir nicht bewusst, als ich den schrieb. Im Nachhinein kann ich das schon nachvollziehen, es ist der Gitarrensound.“

Seit „Modulate“ sind drei Jahre vergangen, was hast du seitdem gemacht?

„Also ich habe an dem neuen Album schon seit einer ganzen Weile gearbeitet, und es war 2002 auch als dritter Teil einer Trilogie gedacht. Das Album stand weitgehend, aber es war noch recht akustisch, und letztlich haben davon nur ein paar Songs überlebt: ‚Circles‘, ‚High fidelity‘, ‚Missing you‘ und ‚Gauze of friendship‘. Ich war aber nicht zufrieden damit, wie seinerzeit die Dinge liefen, also kam die Platte erstmal in den Schrank. Und dann war ich 2003 viel mehr mit Bootleg-Dance-Remixes beschäftigt als mit meiner eigenen Musik, hatte Erfolg als DJ mit unserer Blowoff-Party, die ich mit einem Freund zusammen hier in D.C. veranstalte. 2004 verspürte ich dann das Bedürfnis, ‚Body Of Song‘ fertigzustellen und schrieb da vor allem Gitarrensongs, ‚(Shine your) Light ...‘, ‚Paralyzed‘ und so weiter entstanden da, eigentlich der ganze Rest der Platte. Ich merkte schon selbst, dass im Vergleich zu vorher die Gitarre viel mehr im Vordergrund stand, auch wenn im Hintergrund elektronische Sachen liefen. Ich wusste, es würde eine ‚traditionellere‘ Platte werden, mit lauten Gitarren, und es war okay für mich. Manchmal brauchen Dinge eben ihre Zeit. Die Platte brauchte ihre Zeit, ich entfernte mich von ihr und näherte mich wieder an, und in all den Jahren habe ich noch nie auf diese Weise ein Album gemacht, es war verrückt. Jetzt bin ich zufrieden, es passieren viele verschiedene Dinge auf der Platte.“

Das klingt aber auch so, als ob du unschlüssig warst.

„Nein, nicht unschlüssig, sondern unzufrieden mit den ursprünglichen Sessions mit David und Matt Hammon, denn die liefen nicht so gut, wie ich mir das vorgestellt hatte. Und ich war enttäuscht von mir selbst, mit dem Songwriting nicht ganz zufrieden und obendrein erschöpft von der Tour für ‚Modulate‘. Ich war einfach nicht ganz bei der Sache. Also weg damit und später mal schauen, was damit ist, ob man was davon brauchen kann.“

Gibt es zwei Seiten von Bob Mould? Leute wie ich scheinen nur den Ex-HÜSKER DÜ, Ex-SUGAR-Musiker wahrzunehmen, während deine Hauptaufmerksamkeit in den letzten Jahren eher elektronischer Musik und dem DJing galt.

„Mein musikalisches Tun hat schon recht verschiedene Seiten. Mal habe ich Lust, mich nur mit meiner akustischen Gitarre auf die Bühne zu stellen, dann wieder stehe ich mit einer Band und elektrisch verstärkter Gitarre sowie recht lauter Musik da oben. Dann mag ich aber auch Dance- und elektronische Musik, und das ist seit fünf Jahren auch Teil meiner Arbeit. Aber ich verstehe schon, dass es schwer fallen kann, das als Musikfan unter einen Hut zu bekommen. Beim letzten Album 2002 versuchte ich krampfhaft, diese verschiedenen Seiten auseinanderzuhalten, allen Leuten zu erklären, was ich da mache, so dass es einige verwirrte Gesichter gab, und ich selbst war am Schluss nicht weniger verwirrt. Jetzt gibt es eben die Bob Mould-Sachen, die von LOUD BOMB, die sehr elektronisch sind, und die unter dem Namen BLOWOFF ... Ich mag es einfach, mit Musik und Klängen herumzuspielen. Um auf deine Frage zurückzukommen: Es gibt mindestens zwei Seiten.“

Entsprechend ist es immer noch die Musik, die dich das Jahr über beschäftigt und mit der du die Miete bezahlst.

„Ja, indem ich ständig auf einer Bühne stehe. Letztes Jahr war ich in den USA recht viel solo unterwegs, stand allein mit meiner Akustikgitarre auf der Bühne. Ich habe das bislang leider in den letzten Jahren nie in Europa gemacht, aber ich weiß, ich sollte das echt mal machen, ganz losgelöst von einem neuen Album allein auf Tour gehen. 1991 gab es mal ein paar solcher Auftritte, aber das ist ja schon eine Weile her, auch wenn mir das gar nicht so vorkommt ... Hier dagegen mache ich das recht oft, ziehe für ein, zwei Wochen los, spiele fünf bis zehn Akustik-Shows.“

Was kommen da für Leute? Junge, alte, HÜSKER DÜ-Nostalgiker?

„Sehr viele langjährige Fans, viele SUGAR-Fans, Leute, die mich aus der ‚Workbook‘-Phase kennen. Die Leute lesen meinen Namen, sind neugierig, was ich so mache.“

Du arbeitest auch als DJ.

„Ja, in den letzten Jahren hat sich das entwickelt. Ich mache das zusammen mit meinem guten Freund Richard Morel unter dem Namen BLOWOFF, auf unserer Website findest du auch Playlists, falls dich interessiert, was wir so spielen. Wir spielen Indie-Rock, französische House Music, Progressive House, Rock, was immer so gefällt, aber mit einem Schwerpunkt auf Indie-Rock, Electronica und House Music.“

Kennen die Leute, die in den Club kommen, wo du auflegst, deinen Hintergrund, oder nehmen die dich nur als Teil von BLOWOFF war?

„Das ist in der Tat ein ganz anderes, neues Publikum, die wissen nichts von meiner Vergangenheit. Mittlerweile haben Richard und ich aber auch ein Album unter dem Namen BLOWOFF aufgenommen, das nächstes Jahr erscheinen wird, und es gibt auch manchmal einen Liveauftritt von uns mitten in einem DJ-Set, was die Leute durchaus verwirrt. Das sind teilweise totale Dance Music-Fans, die sind völlig verstört, wenn da plötzlich echte Musiker mit richtigen Instrumenten stehen. Ich glaube, die realisieren gar nicht, wie Musik auf klassische Weise entsteht, hahaha. Die denken nicht darüber nach, die genießen Musik eben auf einem anderen Level. Ich selbst habe aber kein Problem mit diesen beiden Welten: Am Samstagabend legte ich noch auf, am Sonntag stand ich dann auf der Bühne in Sichtweite des Capitols, denn in Washington, D.C. war der Höhepunkt der ‚Gay Pride Week‘ mit über 100.000 Besuchern. Und da standen ein paar Leute, die mich aus dem Club kannten und völlig verblüfft waren, die hatten keine Ahnung von meinen anderen Aktivitäten.“

Wie war die Stimmung in D.C. während der „Gay Pride Week“? Spielte die Wiederwahl von Bush da eine Rolle?

„Eigentlich nicht. Es war wie immer ein Feiern unserer Community und unserer Werte. Was anders ist, ist schon seit vier Jahren anders, und man merkt aber schon, dass die Leute die Zeit unter Clinton vermissen, am liebsten aber hätten, dass es mit einem neuen Präsidenten gesellschaftlich wirklich voran geht, einem, der mit dem Land und der Welt in vernünftiger Weise kommunizieren kann. Die letzte Zeit war wirklich hart, die Leute hatten und haben wirklich Angst. Aber es wird besser werden, da bin ich ganz zuversichtlich, denn die Leute haben die Lügen durchschaut.“

Ich sprach kürzlich mit Lou Barlow, und natürlich ging es auch um die Reunion-Konzerte von DINOSAUR JR. Nun waren HÜSKER DÜ einst zusammen mit SONIC YOUTH und eben DINOSAUR JR die Heilige Dreifaltigkeit des US-Indie-Rocks. SONIC YOUTH gibt es immer noch, DINOSAUR JR wieder – was ist mit HÜSKER DÜ? Hast du jemals einen Gedanken an eine Reunion verschwendet?

„Nein, nur dann, wenn mich Leute darauf ansprechen. Für mich ist diese Zeit vorbei und dabei sollte man es auch belassen. Schön für J und Lou, dass sie es noch mal schaffen, zusammen Musik zu machen. Für mich würde das nicht in Frage kommen, und ich genieße die Arbeit mit den Leuten, die ich heute so kenne, sowohl was das DJing anbelangt wie auch die Arbeit im Studio und die Tourband. Die Zeit mit HÜSKER DÜ wünsche ich mir nicht zurück, es war gerade zum Schluss hin schwierig, und ich bin nicht der Einzige, dem das so geht. Eine Reunion wäre also keine gute Idee.“

Klare Worte, und auch wenn der Fan in einem natürlich irgendwie sich so ein Revival wünscht, so geht mir nüchtern gesehen der ganze Revival- und Reunion-Quatsch auch auf die Nerven. Und man reißt Bands und Musik durch so etwas ja auch immer völlig aus dem ursprünglichen Kontext.

„Da stimme ich dir absolut zu! Dazu kommt, dass jemand, der HÜSKER DÜ 1986 sah und hypothetisch irgendwann jetzt, wohl nicht wirklich glücklich wäre, denn das käme nicht ansatzweise an das heran, was du in deiner Erinnerung hast. Vielleicht wäre es okay für Leute, die uns nie gesehen haben, die würden denken, das hätte was mit der Band von damals zu tun, aber du und ich, wir wüssten das besser. Warum also sollte ich meine Zeit mit Gedanken an eine Reunion verschwenden?“

Aber zumindest gab es doch einen Mini-Auftritt in Minneapolis letztes Jahr.

„Ja, ich spielte zusammen mit Grant Hart zwei Songs anlässlich eines Benefiz-Konzertes für den SOUL ASYLUM-Bassisten Karl Mueller, der an Kehlkopf-Krebs erkrankt ist und Geld für seine Krankenhausrechnungen braucht. Man hatte mich eingeladen, ich sagte natürlich zu, und wie ich an dem Nachmittag nach Minneapolis komme, klingelt mein Telefon und Grant Hart war dran. Wir hatten ewig nicht miteinander gesprochen, er hatte meine Nummer über gemeinsame Bekannte ausfindig gemacht, und er fragte mich, ob wir nicht einen Song zusammen spielen wollten. Und ich sagte ja. Und so spielten wir zwei HÜSKER DÜ-Songs zusammen, ‚Hardly getting over it‘ und ‚Never talking to you again‘. Ganz spontan, ohne Probe, wir spielten die beiden Songs, redeten backstage noch etwas und das war’s. Mehr war da nicht, keine große Sache.“

Verkaufen sich eure alten Platten denn noch? Und wie ist dein Verhältnis zu SST und Greg Ginn, man hört da ja immer wieder Klagen von Bands ...

„Haha ... Also ich sehe die Platten ständig in den Läden, habe aber seit acht Jahren keine Abrechnung mehr von SST bekommen und entsprechend auch keinen Scheck. Das ist traurig, ich wünschte, sie würden sich etwas besser um ihr Geschäft kümmern. Wir haben viel Geld für sie verdient, da sollte das anders laufen. Ich will nur meinen Anteil, und was die da machen, ist nicht richtig.“

Dabei belässt du es, oder hast du Pläne, dich darum zu kümmern, die alten Platten neu aufzulegen, wie das jetzt bei DINOSAUR JR der Fall ist?

„Nun, es ist nicht gerade leicht, die drei ehemaligen HÜSKER DÜ-Mitglieder dazu zu bewegen, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen ...“

Du willst sagen, du hast besseres zu tun.

„Ja, ich habe diese neue Platte raus, die ich liebe, ich habe das DJing, das Remixen – ich habe gerade einen sehr schönen Remix eines Songs vom neuen LOW-Album gemacht –, und nach diesem Interview gehe ich ins Fitness-Studio, treffe mich mit Freunden auf einen Kaffee, bin heute Abend bei einer Spendengala ... Das Leben ist schön! Da verschwende ich doch nicht meine Zeit damit, darüber zu grübeln, wie ich SST verklagen könnte.“

Du musst mir verraten, wieso du diesen schrecklichen Vocoder-Effekt auf dem neuen Album verwendet hast. Seit diesem Cher-Hit vor ein paar Jahren kann ich das echt nicht mehr hören.

„Okay, also dieses Ding heißt eigentlich AutoTune. Und mein Gesang war bei diesem einen Song ‚(Shine Your) Light Love Hope‘ so daneben, dass ich das bearbeiten musste. Ich hatte das früh morgens aufgenommen und lag echt daneben, aber mochte an sich die Atmosphäre. Also habe ich da eine kleine Pitch-Korrektur durchgeführt und bin vielleicht etwas über das Ziel hinausgeschossen, ich weiß. Je länger ich da saß und an den Knöpfen drehte, desto verrückter klang es, aber ich musste es einfach tun. Und ja, ich weiß auch, dass dieser Song Leute verrückt macht, aber mir gefällt es, es ist meine Platte.“

Bei ein paar anderen Songs hast du das auch eingesetzt ...

„Ja, das waren eben die ‚morning vocals‘, aber da habe ich das nicht so exzessiv gemacht. Das ist das Schöne an diesen neuen Aufnahmetechniken mit dem Computer: Wenn ein Song an sich okay ist, vom Spirit her, aber ein paar Noten nicht stimmen, dann musst du nicht alles neu machen. Und sowieso wird so eine korrigierende Technik bei 95% der Musik eingesetzt, die wir hören, also ist das echt kein großes Ding.“

Wie nimmst du denn auf? Zu Hause, im Studio?

„Ich mache zu Hause eine Menge, die Grundzüge eines Songs stehen immer schon, wenn ich in ein richtig großes Studio gehe, um Schlagzeug und einen Teil der Gitarren aufzunehmen. Bei der neuen Platte ist abgesehen vom Schlagzeug 80% zu Hause entstanden. Ich arbeitete das erste Mal so, und die meisten Sachen behielt ich so, wie sie im ersten Anlauf ausgefallen sind.“

Wie wichtig ist es für dich, in Washington, D.C. zu leben?

„Also ich lebe hier seit drei Jahren, zog aus New York weg, um mir mal eine Pause zu gönnen. Und ich vermisse New York zwar sehr, aber ich lebe hier gerne, habe viele gute Freunde. Und mit BLOWOFF haben wir hier in den letzten zweieinhalb Jahren eine gute neue Szene geschaffen, bekommen dafür viel positives Feedback, etwa dass diese Party das Beste sei, was in D.C. seit langem laufe. Rich und ich starteten das als kleine Party, nur damit ein paar Jungs zusammen Spaß haben können und gute Musik läuft, und daraus wurde dann im Laufe der Zeit diese richtig große Produktion, das ist unglaublich. Ich sah eben eine Marktlücke, die haben wir gefüllt und haben damit großen Erfolg. Unsere Party läuft zweimal im Monat im Club des ‚9:30‘, einer großen Konzerthalle. Unser Publikum ist vor allem männlich und schwul, zwischen 20 und 40, ganz normale Typen, die gerne gute Musik hören, ein paar Bier trinken und auch mal ihre T-Shirts ausziehen. Eine ganz simple Formel: Bring heiße Typen in einem Raum zusammen mit guter Musik und kaltem Bier, schalte die Klimaanlage aus und es wird lustig, hahaha.“

Vielleicht solltest du das in Europa auch mal versuchen.

„Ja, ich glaube, das würde funktionieren. Wir fangen in Berlin an, dann nach Amsterdam und Brüssel und Köln ...“

Apropos Köln: Im September gibt es zwei Deutschland-Konzerte, in Hamburg und Köln. Was können wir erwarten?

„Ich habe meine Tourband zusammen, wir sollten bald mal anfangen zu üben. Und wir müssen die Songs aussuchen, denn es wird Lieder aus allen Phasen geben, inklusive HÜSKER DÜ und SUGAR. Die Besetzung wird Gitarre, Bass, Drums und Keyboards sein, es wird laut werden und richtig gut. Außerdem wird Brendan Canty von FUGAZI Schlagzeug spielen, ich mag ihn und wir kommen sehr gut klar.“

Und er ist ja jemand, der musikalisch zu Zeiten von HÜSKER DÜ schon in der gleichen Szene aktiv war.

„Oh ja, er spielte damals bei RITES OF SPRING. Am Bass wird Jason Narducci dabei sein, mit dem ich seit Ende der Achtziger arbeite und ihm auch bei seiner Band VERBOW geholfen habe. Er ist ein großartiger Singer/Songwriter, mir stilistisch durchaus ähnlich und auch im Sixties-Pop verwurzelt, aber gleichzeitig mit einem großen Wissen um Punkrock. Und Rich ist als Keyboarder dabei. Es wird auf jeden Fall sehr interessant!“