FLAMING SIDEBURNS

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Back where we started

Die aus Finnland stammenden FLAMING SIDEBURNS sind eine klassische Rock'n'Roll-Band, stehen mit einem Bein im Sixties-Garage, mit dem anderen im Seventies-Rock, und im Gegensatz zu vielen Landsleuten fehlt ihnen, was kein Schaden ist, dieser oft auch irritierend-spleenige Finnen-Touch. Mit ihrem letzten Album unternahmen sie in Deutschland einen Ausflug zum Major Universal, der erwartungsgemäß die Platte total an die Wand fuhr, um sich jetzt mittels einer Outtakes-Zusammenstellung wieder in die Hände von Bad Afro Records zu begeben, wo im Herbst auch der neue Longplayer erscheinen wird. Jay beantwortete meine Fragen.


Schön zu hören, dass ihr zurück seid. Wie waren die letzten zwei, drei Jahre für euch?


Ich weiß nicht, ob wir jemals richtig weg waren. Wir haben fast 200 Konzerte gespielt zwischen Moskau, Texas und den Kanarischen Inseln seit dem letzten Album, das heißt, wir haben nicht wirklich faul rumgesessen. Aber ja, wir sind es in den letzten zwei Jahren etwas ruhiger angegangen und nicht rund um die Uhr getourt, wie wir es früher gemacht haben. Das hat uns auf vielerlei Weise sehr gut getan und zum ersten Mal seit Jahren hatten wir die Möglichkeit, völlig ungezwungen zu proben und rumzualbern. Außerdem haben wir zum ersten Mal ein festes Line-up, seit wir Peevo de Luxe an der zweiten Gitarre dabeihaben. Keiner will aussteigen oder hat Nebenprojekte und das ist eine ungewohnte Situation für uns, seit der Ärger mit unserem anderen Gitarristen vorbei ist.

Ihr hattet einen Majordeal, als dessen Resultat euer Album schlecht promotet wurde und schwer zu bekommen war. Wie sieht eure Version der Geschichte aus?

Es scheint, als ob einige Leute von der Tatsache angepisst waren, dass das Album über einen Major vertrieben wurde, und das ist kein Wunder, wenn man sieht, wie das in einigen Ländern schief lief. Die Sache in Deutschland hört sich an wie eine Geschichte aus dem Schulbuch, was mit einem Major schief gehen kann. Es gab zwei Leute bei der Plattenfirma, mit denen wir gut auskamen, und die wurden gefeuert. Um es abzukürzen: Wir hatten für "Sky Pilots" nicht bei einem Major unterzeichnet, in einigen Ländern wurde das Album bloß über einen Major vertrieben, aber wir hatten alles in der Hand. In anderen Ländern ist die Platte auf Independentlabels erschienen und wir mussten uns den ganzen Scheiß anhören, von wegen wir hätten bei einem Major unterzeichnet, dabei waren wir vermutlich nie unabhängiger.

Jetzt seid ihr wieder auf Bad Afro. Musstet ihr Lars überzeugen, euch wieder aufzunehmen, oder war es eher wie die Rückkehr des verlorenen Sohnes?

Lars war wohl der Erste, der an uns geglaubt hat, deshalb war es für uns wie selbstverständlich, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten. Er betreut unseren Backkatolog und deshalb waren wir über all die Jahre immer mit ihm in Kontakt. Das Gute ist, dass er nicht gefeuert werden kann, einen Tag bevor das Album rauskommt! Außerdem arbeiten wir hier in Finnland noch mit Ranch bzw. Spinefarm zusammen, die vor ein paar Jahren von Universal aufgekauft wurden. Das sind die gleichen Leute, die auch bisher unsere Platten veröffentlicht haben. Das Label hat damit angefangen, amerikanischen Punkrock nach Finnland zu bringen, ist also kein durchschnittlicher Major.

Das Album "Back To The Grave", das jetzt gerade rauskommt, ist kein wirklich neues, sondern eine Compilation mit Outtakes etc. Kannst du uns was über die Songs darauf erzählen?

Wir hatten die Idee für die Compilation, als uns klar wurde, dass wir um die 38 Tracks haben, die nie veröffentlicht wurden oder nur auf Vinyl. Wir haben genug Material für zwei weitere solcher Compilations! Auf dieser haben wir das Zeug von den "Hallelujah"- und "Sky Pilots"-Sessions zusammengefasst, und einige neuere Aufnahmen. Es ist eine sehr vielseitige Zusammenstellung, aber so sind wir halt. Wir hatten nie vor, einen Stil zu wiederholen, deshalb sind darauf viel verschiedene Seiten der Band zu hören. Es gibt ein paar Originale und einige Cover aus unseren Plattensammlungen, etwa von THE WAILERS, THE TROOGS. THE RENEGADES, GRAND FUNK RAILROAD, Little Richard, Lou Reed.

Das Coverartwork zeigt einen FLAMING SIDEBURNS-Grabstein mit der Aufschrift "1965-1975" ... Was ist damit gemeint? Dass ihr lieber in dieser Zeit gespielt hättet, dass eure Einflüsse lediglich aus diesem Zeitraum stammen, oder dass ihr Zombies seid?

Klar, es ist die Rückkehr der lebenden Toten. Tatsächlich ist der Typ, der das Bild gemalt hat, dafür verantwortlich. Da er uns schon von Anfang an kennt, weiß er, dass wir unsere ersten Singles auf 30 Jahre früher datiert haben, als das Jahr, aus dem sie wirklich sind. Die Aufnahmen für die Complitation haben wir also zwischen 1965 und 1975 gemacht, jetzt schreiben wir gerade das Jahr 1976, und Punkrock steht unmittelbar bevor. Das Furcht erregende daran ist, dass wir bald die 80er erreichen. Seid also auf die Synthies und den heftigen Schlagzeugsound gespannt ...

Ich hab gehört, euer letztes Album wurde auch in den USA und Russland veröffentlicht. Wie wurde es auf diesen völlig verschiedenen Märkten aufgenommen? Im einen Fall re-importiert ihr den Rock'n'Roll in das Land, in dem er entstand, im anderen bringt ihr ihn in ein Land, in dem er immer noch ein subkulturelles Phänomen darstellt.

Natürlich müssen unsere Platten auf dem US-Markt erscheinen! Die USA sind immer noch ein Rock'n'Roll-Land und wir sind eine Rock'n'Roll-Band. Beide Alben haben sich in den USA richtig gut verkauft, obwohl wir nie richtig dort auf Tour waren, also nie zwei Monate lang von Ost nach West. Das Großartige ist, dass sich einige Kids in den USA scheinbar richtig für so was interessieren. Wir bekommen ständig Mails, zum Beispiel von 16-jährigen Mädchen und Jungs aus Arizona, die fragen, ob wir bei ihnen spielen wollen. Russland ist natürlich eine völlig andere Welt, wie du dir vorstellen kannst. Als wir zum ersten Mal dort gespielt haben, waren die Leute entsetzt von uns und fragten, ob wir immer so ausgeflippt und laut wären. Die meisten dort assoziieren mit Rock'n'Roll immer noch BON JOVI, aber es gibt eine Underground-Szene für Garage. Wir haben eine Band namens THE CRUSHERS getroffen, deren Platte klingt nach einwandfreiem Northwest Garage-Rock. Offiziell haben wir in Russland um die 500 Alben verkauft, aber der illegale Markt ist dort auch sehr groß. Vielleicht haben wir ja 500.000 Platten verkauft.

Arbeitet ihr derzeit an dem neuen Album, das für Oktober angekündigt ist? Was können wir erwarten?

Wir sind fast damit fertig, jetzt müssen wir das Album nur noch aufnehmen. Aber das ist dieses Mal der einfache Teil, weil wir die Songs schon fertig haben. Nächste Woche gehen wir auf Tour und werden nur neues Material spielen. Wir wollen das Album auf althergebrachte Weise machen: erst die Songs live spielen und sie dann aufnehmen. Heutzutage machen viele Bands das andersrum, sie gehen erst ins Studio, spielen mit dem ganzen Technik-Schnickschnack rum und fangen erst an, die Songs zu proben, wenn das Album fertig ist. Wir haben vor, ein raues Livealbum aufzunehmen mit so wenig Overdubs wie möglich. Wenn wir mit neuem Material anfangen, weiß ich nur, dass es nicht wie "It's Time To Testify", "Hallelujah" oder "Sky Pilots" klingen wird. Es wird etwas von all diesen Alben haben und einiges Neues. Aus irgendeinem Grund sind wir nicht in der Lage, dasselbe Album zweimal aufzunehmen. An dem Tag, bevor wir ins Studio gehen, werden wir mit den STOOGES spielen, das gibt uns hoffentlich etwas Inspiration.

Joachim Hiller
Übersetzung: Chris Wilpert