AGNOSTIC FRONT

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New York City Hardcore Warriors

Roger Miret hat gute Laune. Entgegen allen Klischees eines polternden Proleten, an deren Wahrheitsgehalt ich nebenbei nie wirklich geglaubt habe, ist der seit 25 Jahren amtierende AGNOSTIC FRONT-Vorstand nicht nur höflich wie eh und je. Er lacht auch sehr viel und argumentiert im Laufe unseres Gespräches immer wieder auf eine sehr differenzierte Weise, die viele vielleicht gar nicht von ihm erwarten würden. Einfach, weil man dieses vorgefertigte Bild von AGNOSTIC FRONT und der Person Mirets hat. Nun, allen, die noch daran glauben, dass der frisch von New York nach Arizona gezogene Miret ein ungehobelter Raufbold ist, sei gesagt, dass dieser Mann einer der höflichsten und redefreudigsten Interviewpartner ist, die man sprechen kann. Und zu besprechen gab es einiges, als wir an einem regnerischen Oktoberabend telefonierten. Zunächst das furiose neue AGNOSTIC FRONT-Album „Warriors“, das nach dem eher durchschnittlichen, weil penetrant metallischem „Another Voice“ wieder in eine etwas punkigere Richtung umschwenkt. Auch wenn man auf „Warriors“ einen deutlichen Metal-Einfluss hört, so findet man auf dem Album doch auch gut gesetzte Chöre und das gewisse Quäntchen Catchyness, das gerade die Hellcat/Epitaph-Alben der Band so gut machte. Darüber hinaus sind die zahlreichen Nebenaktivitäten Mirets auch 2007 interessant, hat er doch gerade eine neue Klamottenmarke gegründet und steht er immer noch neben AF auch den DISASTERS und dem Rumblers-Autoclub vor. So kam es, dass wir uns am Ende über allerlei Dinge unterhielten und das neue AF-Album vielleicht sogar etwas zu kurz kam. Sei es drum, „Warriors“ spricht als Hardcore-Fels in der Trend-Brandung ohnehin für sich selbst.



Roger, 25 Jahre AGNOSTIC FRONT – welche Frage kannst du in Interviews nicht mehr hören?

Haha, das ist eine sehr gute Frage! Hm, ich weiß nicht, eigentlich gibt es keine Frage, die mich extrem nervt ... Doch, warte, eine Frage ist wirklich schlimm: „Erzähl’ mir alles von AGNOSTIC FRONT – vom Anfang bis heute.“ Das kann ich wirklich nicht mehr hören. Ich meine, hey, erstens reichen die 30 Minuten, die ein Interview in der Regel dauert, niemals aus, um alles zu erzählen, was die Band ausmacht. Zweitens: wenn du ein Interview mit uns machst, dann solltest du doch ohnehin über die wichtigsten Ereignisse der Bandgeschichte Bescheid wissen, oder?!

Wohl wahr. Heute las ich ein älteres Interview mit dir, in dem du bemängelst, dass viele Kids in der amerikanischen Hardcore-Szene sehr viel Gangsta-Rap hören. Nun muss das Interview gute drei bis vier Jahre her gewesen sein, aber wie ist das heute: ist Gangsta-Rap in der US-Hardcore-Szene noch sehr populär?

Ich denke, dass die damalige Popularität von Gangsta-Rap in der amerikanischen Hardcore-Szene viel mit der Teilung der Szene in Old- und Newschool-Kids zu tun hatte. Die Oldschool-Kids haben damals weniger Gangsta-Rap gehört, denke ich, während diese Musik unter Newschool-Anhängern ziemlich populär war.
In den letzten zwei Jahren habe ich aber immer weniger Kids getroffen, die Gangsta-Rap gehört haben. Was ich sehr positiv finde, weil ich hoffe, dass diese Musik weniger in der Hardcore-Szene gehört wird.

Siehst du denn eine Verbindung zwischen Hardcore auf der einen und Rap/HipHop auf der anderen Seite?

Ich habe kein Problem mit gutem Rap und gutem HipHop. Schließlich gibt es ja Rapper und HipHopper, die – genau wie Hardcore-Bands – durchaus Songs mit Message schreiben, etwa KRS ONE. Aber speziell Gangsta-Rap hat nicht nur keine Verbindung zu Hardcore, die Musik hat auch jeglichen Bezug zum ursprünglichen Rap verloren. Bei Rap ging es doch darum, positive Musik zu machen, die aus den Straßen kam – genau wie Punk und Hardcore auch. Aber jetzt hast du diese Gangsta-Rapper, die über Morden und Geld singen und darüber hinaus die Missachtung von Frauen glorifizieren und diese Vorstellungen in die Köpfe der Jugend pumpen. Ehrlich gesagt, es wundert mich nicht, dass es unter Jugendlichen zu Straßenkämpfen und Mordfällen kommt, weil die Jugend von populären Musikern vorgelebt bekommt, dass ein solches Verhalten cool wäre. Außerdem: es gibt noch zwei weitere Dinge, die mich an Gangsta-Rap richtig nerven. Erstens sind diese Rapper doch nicht echt. Ich meine, wenn du jemanden umgebracht hast, dann wirst du das doch nicht an die große Glocke hängen und einen Song darüber schreiben, oder? Jeder vernünftige Mensch würde doch verdammt noch einmal seinen Mund halten, wenn er so etwas getan hätte! Zweitens ist die Art und Weise, wie Frauen in den Texten thematisiert werden, mir völlig zuwider. Wie kann man Menschen „Schlampe“ und „Hure“ nennen? Das will nicht in meinen Kopf.



In den letzten Monaten und Jahren haben sich viele Bands aus Punkrock und Hardcore zurückgezogen. Mit „Warriors“, den DISASTERS, dem Rumblers-Autoclub, dem du vorstehst, sowie deiner eigenen Klamottenmarke Dirty Devil Apparel bist du aber aktiver denn je.

Dass ich so aktiv bin, liegt vor allem daran, dass ich älter geworden bin. Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, ich liebe AGNOSTIC FRONT und die Wichtigkeit, die diese Band für mein Leben hat, kann man kaum in Worte fassen. Nachdem ich mich aber über Jahre nur auf diese Band konzentriert hatte, wuchs mein Wunsch, mich musikalisch beziehungsweise künstlerisch zu erweitern. Musikalisch ging es mir darum, dass ich etwas andere Songs schreiben wollte, als AGNOSTIC FRONT spielten. Zwar war uns allen Vieren klar, dass wir mit AGNOSTIC FRONT und dem "Another Voice"-Album weg vom Sound der vorangegangenen drei Alben wollten, was wir ja auch sind. Meine Streetpunk-lastigen Songideen waren aber nicht das, was die anderen drei wollten. Um die Songideen nicht einfach wegzuschmeißen, habe ich dann die DISASTERS gegründet und mich musikalisch neben AGNOSTIC FRONT ausgetobt. Gleichzeitig zu dieser persönlichen musikalischen Entwicklung suchte ich aber auch nach weiteren Wegen, um mich künstlerisch auszudrücken. So wurde ich Präsident der Rumblers und gründete auch Dirty Devil Apparel, einfach, um weitere Wege für meine künstlerische Selbstreflexion zu schaffen.

Was macht denn den Stil aus von Dirty Devil Apparel?

Man findet mich in jedem einzelnen Stück wieder. Alles, was ich gemacht habe und was mein Leben beeinflusst hat, ist auf die eine oder andere Weise in die Gestaltung der Shirts, der Jacken und der anderen Bekleidungsstücke eingeflossen. Da findest du alles: Hardcore, Punk und Außenseiterdasein. Wie auch bei AGNOSTIC FRONT und den DISASTERS kommt bei Dirty Devil Apparel alles direkt aus meinem Herzen. Es ist eine ehrliche Marke, im Gegensatz zu den vielen Trendmarken da draußen, die dir etwas als Punk zu verkaufen, was aber nicht Punk ist. Und weißt du, genau das ist auch der Grund, warum AGNOSTIC FRONT es geschafft haben, ein Vierteljahrhundert zu existieren: Wir sind echt, wir spielen dir nicht vor, irgendjemand zu sein. Ehrlichkeit ist in meinen Augen der Kern von Hardcore und der ganzen Szene, die die Musik umgibt.

Designst du denn alles selbst?

Haha, nein, das kann ich nicht, weil ich viel zu schlecht im Malen oder Gestalten von Dingen bin. Ich denke mir aber das Design jedes einzelnen Stücks in groben Zügen aus und mache eine Skizze, die ich dann an einen Designer übergebe, mit dem ich zusammenarbeite. Gemeinsam arbeiten wir dann das finale Motiv aus, solange, bis es mir gefällt und alles eingeflossen ist, was ich für wichtig halte. Aber etwas zeichnen oder selber gestalten, das kann ich einfach nicht. Haha, gib mir ein Mikrofon, denn singen, das kann ich!



Was treibt dich eigentlich an, alle diese Dinge zu tun? Ich meine, du bist 42, gerade von New York nach Arizona gezogen und vor wenigen Monaten wieder Vater einer Tochter geworden. Hat man da nicht manchmal den Wunsch, sich eine Ruhepause zu gönnen?

Ganz einfach: Ich glaube an Karma, daran, dass du alles, was du im Leben tust, eines Tages zurückbekommst. Deswegen suche ich nach einer sehr positiven Art und Weise, um mich selber zu verwirklichen. Weißt du, ich habe keinen Bock darauf, immer der angepisste, negative Typ zu sein. Mir geht es darum, positive Energien freizusetzen, weil ich eines Tages auch positive Energien zurückbekommen möchte. Daher suche ich diese kreativen Wege, um einen nützlichen Beitrag in die Welt zu setzen, denn eines Tages wird all das auf mich zurückkommen, was ich in meinem Leben getan habe.

Hast du schon immer an Karma geglaubt?

Ja, wobei ich betonen will, dass ich nicht religiös bin, da ich an keinen Gott glaube, sondern nur daran, dass es eine Macht gibt, die jenseits des menschlich beherrschbaren Bereiches existiert. Wenn ich tot bin, dann werde ich ja sehen, ob es den lieben Gott oder Allah wirklich gibt. Glaub mir, ich bin wirklich neugierig, ob man nach dem Tod auf eine dieser personifizierten Machtfiguren trifft. Dann wüsste man endlich, ob einer dieser ganzen Götter, wegen denen hier unten Kriege gestartet werden, wirklich existiert. Gäbe es ihn, würde ich ihm sagen: „Hey, what the fuck are you doing? Go down and show who you really are, because everybody believes you are a different person!“ Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Bereits meine Eltern haben mir beigebracht, dass man immer so handeln sollte, wie man sich selber wünscht behandelt zu werden. Gerade in den letzten Jahren meines Lebens habe ich verstanden, was sie damals wirklich gemeint haben: Karma. Wenn du gute Freunde haben möchtest, dann musst du auch anderen ein guter Freund sein. What goes around, comes around.

Gerade diese positive Herangehensweise an Dinge sieht man bei älteren Menschen in der Szene heutzutage immer weniger ...

Genau! Viele Mitglieder gerade älterer Bands regen sich über die Trends auf, beklagen, dass junge und vielleicht etwas andersartige Bands auf einmal in der Szene und im Mainstream Erfolg haben. Sie resignieren, gehen keinen Deut positiv an die Sache ran und sind nur noch verbittert. Das wird man bei mir aber vergeblich suchen, weil ich diese Grundhaltung nicht mag.

Guter Punkt: Wie schätzt du denn die Veränderungen in der Szene durch Emo, Screamo und so weiter ein?

In meinen Augen hat dieser Trend zu einer ganz entscheidenden und bedauernswerten Verdrehung geführt: die Musik ist wichtiger als die Texte. Das ist schade, weil die Texte in den Anfangstagen von Punk und Hardcore das zentrale Merkmal der Bewegung und der wichtigste Bestandteil der Songs waren. Bands wie die DEAD KENNEDYS oder die CIRCLE JERKS hatten etwas zu sagen und ihre Musik diente dazu, dieser Message eine Begleitung zu geben und den musikalischen Stil der Bands letztlich zu definieren. Heutzutage kümmern sich aber nur noch sehr wenige Menschen darum, was eine Band zu sagen hat. Die Texte und damit der Ausdruck der Werte von Punkrock und Hardcore, gehen leider an den meisten Musikhörern vorbei. Und das ist das, was ich an den jüngsten Veränderungen in der Szene wirklich schade finde.

Trotzdem klingst du, wie soll ich sagen, unerwartet ausgeglichen?

Was soll ich großartig Bands angreifen. Ich meine, sicher, es gibt derzeit unübersehbare Trends in der Hardcore-Szene. Aber weißt du was, nur weil eine Band derzeit populär ist, ist das kein Grund, sie schlecht zu machen. Manche der gegenwärtig populären Bands haben ja sogar eine Message, und da ist es doch gut, wenn sie die ihren Fans mitteilen. Letztlich wird die Zeit das entscheidende Kriterium sein, an der sich eine Band messen lassen muss. Wie lange eine Band besteht, auch dann, wenn der Popularitätsschub vorbei ist und es bergab geht, wenn nicht mehr tausende Menschen zu den Shows kommen, und wie gut und solide die Band dann noch daran festhält, was sie in populären Tagen gemacht hat, das wird zeigen, wie ernst und ehrlich eine Gruppe ist.



War deine unvoreingenommene Art gegenüber jungen und sehr erfolgreichen Bands auch der Grund, warum du mit den DISASTERS als GOOD CHARLOTTE-Support getourt bist und deren Angebot nicht ausgeschlagen hast?

Ja, wobei ich dieser Tour zunächst etwas skeptisch gegenüber stand. Es war so, dass GOOD CHARLOTTE mich anriefen und sagten, dass sie die DISASTERS lieben und dass sie uns als echte Punkrock-Band gerne einem größeren Publikum vorstellen wollten. Ich war mir nicht ganz sicher, ob dieses Tour-Package, bei dem auch LESS THAN JAKE dabei waren, so gut funktionieren würde. Je mehr ich aber darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich jemand bin, dem es darum geht, seine Message so vielen Menschen wie möglich mitzuteilen. Die Tour mit GOOD CHARLOTTE gab mir die Möglichkeit, jeden Abend vor gut 20.000 Menschen zu spielen und ihnen unser Anliegen vorzutragen. Deswegen sagte ich zu. Sicher, nicht jeder GOOD CHARLOTTE-Fan wurde dadurch zum DISASTERS-Fan. Aber ich habe einige Menschen getroffen, die mir sagten, dass sie durch diese Tour mit den DISASTERS in Berührung kamen, wir sie wirklich inspirierten und sie dankbar sind, dass wir da mitgefahren sind. Du siehst, ich bin nicht einmal dagegen, mit einer Band wie GOOD CHARLOTTE zu spielen, haha.

Nach all dem, was du zu den letzten Fragen gesagt hast, könnte man den Eindruck gewinnen, du wärst weniger wütend als früher.

Das ist aber nicht so. Was meine Meinung zu den eben gesagten Dingen angeht, so war diese eigentlich schon immer so. Was meine Musik und mein anderweitiges künstlerisches Schaffen angeht: Ich bin heute etwas smarter als früher, wenn es darum geht, meine Wut auszudrücken. Aus meiner heutigen Perspektive gesehen, habe ich früher wirklich sehr viele, sehr dumme Dinge getan. Dinge, die ich heute nicht mehr auf dieselbe Weise machen würde wie früher.

Nämlich?

Früher habe ich zum Beispiel einmal eine Mülltonne genommen und sie durch ein McDonalds-Fenster geworfen, das war mein politisches Statement. Ich habe das mitten am Tag gemacht, wurde festgenommen und habe alle Konsequenzen, die diese Aktion hatte, in Kauf genommen, weil ich dachte, dass sie nötig wären. Hauptsache war für mich, dass ich mein Statement gemacht hatte. Heute sehe ich das anders: es ist immer noch ein Statement, eine Mülltonne durch ein McDonalds-Fenster zu werfen. Aber heute weiß ich, dass es ziemlich doof war, es mitten am Tag zu machen, wo die Cops sofort da waren und mein Gesicht bei strahlendem Sonnenschein von der Überwachungskamera aufgenommen wurde. Früher habe ich keine Sekunde darüber nachgedacht, wie ich etwas machen sollte. Heute denke ich, bevor ich handle, und überlege, wie ich meine Wut geschickt ausdrücken kann. Viele Menschen denken ja, alle Amerikaner sind Idioten, weil George W. Bush der Präsident dieses Landes ist. Was viele aber übersehen, ist, dass viele Amerikaner ihn gar nicht gewählt haben - und ich bin einer von ihnen. Aber ich informiere mich darüber, was darüber hinaus noch in der Welt geschieht. Ich schaue kein MTV und keine Reality-Shows, ich finde das bescheuert. Ich schaue sehr viel Nachrichten auf CNN und gehe mit offenen Augen durchs Leben und versuche, so viele tagespolitische Informationen aufzusaugen, wie es geht. Aus ihnen nährt sich meine Wut, weil es viel zu viele Dinge da draußen gibt, die mich frustrieren! Diese Informationen verdichten sich heute zu meiner Wut, aber ich kanalisiere sie hauptsächlich in meinen Texten, und weniger in solchen Aktionen wie der, die ich dir gerade beschrieben habe. Daher trage ich nicht mehr ganz soviel Aggression in mein Alltagsleben, wenn man von meinen Songs absieht.

Ergo kann man sich den Familienvater Roger Miret als recht friedlichen Zeitgenossen vorstellen?

Haha, ja, das ist tatsächlich so. Wenn ich mit meiner Frau und meiner Tochter zu Hause bin, versuche ich, ein möglichst ruhiges und entspanntes Familienleben zu führen. Es geht mir gerade im Bezug auf meine Tochter darum, ihr etwas Positives zu geben, deswegen bin ich kein notorisch aggressiver oder wütender Vater. Das hätte auch gar keinen Sinn, weil man dadurch die Welt ja kein Stück verbessert.

Glaubst du daran, die Welt verändern zu können?

Hm, nein, ich denke nicht, dass ich die wesentlichen Mechanismen, die das Alltagsleben der Gesellschaft steuern, ändern kann. Das heißt aber nicht, dass ich meine Meinung dazu nicht sagen würde! Ich habe zum Beispiel mit PETA2, der Jugendkampagne der Tierrechtsorganisation PETA, zusammengearbeitet. Sie machen ja diese Kampagne gegen die Schnellimbiss-Kette Kentucky Fried Chicken, weil sie die Hühner, die sie zu Gerichten „verarbeiten“, unter erschreckenden und für die Tiere qualvollen Bedingungen halten. Im Zuge der Kampagne schrieb mir PETA2, ob ich ein Fotomotiv mit ihnen machen würde, das sie auf ihrer Website, auf anderen Seiten und in diversen anderen Medien veröffentlichen würden. Klar habe ich das gemacht! Ich habe meine Meinung dazu gesagt, was ich von dieser Art der Tierquälerei halte, auch wenn ich weiß, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass KFC meinetwegen aufhören wird, die Tiere so zu behandeln.



Neulich sprach ich mit Al Barr von den DROPKICK MURPHYS, der sagte, dass das Leben mit seinem Sohn sein Verhältnis zu Punk neu belebt hat, dass er durch das Heranwachsen seines Sohnes und dessen Liebe zur Musik erneut fühlt, wie wichtig ihm die Musik und die Bewegung sind. Wie ist das mit deiner Tochter, gibt sie dir ähnliche Gefühle?

Nein, das Leben mit meiner Tochter beeinflusst mein Verständnis von Punk nicht unbedingt in derselben Weise, wie du es gerade von Al beschrieben hast, mit dem ich übrigens sehr gut befreundet bin. Das liegt denke ich daran, dass Jungs und Mädchen unterschiedlich sind: Mädchen sind in meinen Augen intelligenter als Jungen und werden sehr viel schneller erwachsen. Während Jungs oft sehr begeistert von dem sind, was ihre Väter tun, sind Mädchen da etwas distanzierter. Zwar wuchs Nadja, die ältere, in New York und gewissermaßen auch im CBGB’s auf. Für AGNOSTIC FRONT hat sie aber gar nicht viel übrig. Sie steht eher auf die DISASTERS, was wohl daran liegt, dass die Band etwas melodischer ist als AF. Haha, was meine jüngere Tochter mag, das kann ich dir leider noch nicht sagen, sie ist gerade drei Monate alt.

Du sprachst vorhin an, dass Punk und Hardcore für dich im Wesentlichen durch die Texte, die Bands schreiben, transportiert wird. Inwiefern siehst du diesen Aspekt auf „Warriors“, eurem neuen Album?

Der Titeltrack des Albums porträtiert haargenau, was ich bin und was mein Leben ausmacht. Es geht darin um Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Familienwerte und darum, nicht aufzugeben. Das sind für mich die grundsätzlichen Werte von Punk und Hardcore. Und auch wenn sie in jedem Song von „Warriors“ auf die eine oder andere Weise thematisiert werden, so findest du sie im Titeltrack in der stärksten Konzentration.

Insgesamt sehe ich in dem Album auch eine Art Synthese eures bisherigen Schaffens, auch wenn sich das auf die Musik und nicht nur auf die Texte bezieht.

Das sehe ich ähnlich. „Another Voice“, der Vorgänger, war ein Album, mit dem wir ein Statement gemacht haben, indem wir Songs schrieben, die absichtlich sehr an unsere Frühphase erinnerten. Jetzt geht es uns aber darum, zu den metallischen Elementen, die man nach unseren frühen Alben und „Another Voice“ auch auf „Warriors“ wieder findet, auch wieder die Punk-Elemente unserer Hellcat-/Epitaph-Phase hinzuzufügen. Also mehr Singalongs, mehr Chöre und mehr Soli in die Songs einzubauen, dabei aber die Härte von „Another Voice“ nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Insofern ist dies ein Album für einen echten AGNOSTIC FRONT-Fan, denn auf „Warriors“ findet man Parallelen zu allen unseren Alben.

Hast du eigentlich „American Hardcore“ gesehen?

Nein, aber ich habe das Buch gelesen und fand, dass darin so viele falsche Informationen waren, dass ich kein Interesse mehr daran hatte, mir auch noch den Film anzuschauen. Ehrlich, was ich an diesem Buch wirklich hasse, ist folgendes: An dem Tag, als es raus kam, war in der Galerie des CBGB, die neben dem Club ist, eine Releaseparty für das Buch. Es war alles sehr schön aufgemacht und nett. Aber am Ende dieser kleinen Party sagte der Autor Steven Blush, dass Hardcore 1985 starb. Das war 2005, im selben Jahr spielten AGNOSTIC FRONT eine Tür weiter im CBGB-Club eine ausverkaufte Show! Wie kannst du da sagen, dass Hardcore tot sei? Hardcore lebt, ich lebe ihn und ich kenne viele, die das genauso sehen.

Roger, vielen Dank für dieses Interview.