ELECTRIC FRANKENSTEIN

Kung-Fu Fighting

Im Wettstreit um den Titel „Most ass-kicking band in the world“ gibt es derzeit reichlich Favoriten: BOTTOM FEEDERS, ZEKE, HELLACOPTERS, GLUECIFER, TURBO A.C.s und was weiß ich, wer noch alles brät dieser Tage, gnadenlos sein saftiges Drei-Akkord-Schweinerock-Steak, nicht zu vergessen natürlich ELECTRIC FRANKENSTEIN, um die es hier gehen soll.

Die Band aus New Jersey, die ein Faible dafür hat, ihre Songs im 7“-Format auf Kleinlabels in aller Welt zu veröffentlichen, trat dieser Tage mal wieder mit einer CD namens „Action High“ an die Öffentlichkeit, die es dem Vorgänger „The Time Is Now!“ gleichtut und ebenfalls eigentlich „nur“ eine handliche Sammlung von Single-Tracks ist. Da Singles heutzutage aber nur noch Insider zu interessieren scheinen und anders als ’77 ohne Album niemand mehr Notiz von einer Band nimmt, tun wir mal so, als sei das auf One Louder erschienene Werk ein ganz normales. Und darüber sprach ich mit EF-Gitarrist Sal, der übrigens nicht nur in Punkrock-Kreisen einen guten Namen hat, sondern auch ein ausgewiesener Experte für die Geschichte des Kung-Fu-Kampfsports ist.
Wie passen Kung-Fu und Punkrock zusammen, frage ich ihn. „Eigentlich ganz gut“, lautet die Antwort. „Man muss einigermaßen diszipliniert sein, wenn man ein Instrument spielen will, und ebenso bedarf es bei Kung-Fu sehr viel Selbstdisziplin. Bei beidem braucht man aber auch Kreativität, und schnelle Auffassungsgabe, denn sowohl im Kampf, wie auf der Bühne muss man schnell und umsichtig reagieren.“
Wie andere asiatische Kampfsportarten hat Kung-Fu aber eine starke mentale Komponente, die Meditation und viel Ruhe beinhaltet. Punkrock hat nun aber nicht gerade was mit Ruhe und Meditation zu tun – wie geht das beides zusammen? Sal: „Das ist meiner Meinung nach nur ein scheinbarer Gegensatz. Im Kung-Fu muss man sich sehr stark auf seine Bewegungen konzentrieren, um den Gegner besiegen und zerstören zu können. Auf der Bühne machst du nichts anderes: Du konzentrierst dich auf die Musik und dein Ziel – die Zerstörung des Gegners: Das Publikum. Meiner Meinung nach schließen sich übrigens auch exzessiver Drogengebrauch und gute Musik aus: Total zugedröhnt kannst du kein guter Musiker sein und scheiterst früher oder später.“
Ein Statement, das einige Leute verwirren dürfte, die angesichts der wilden, ungezügelten Musik auch entsprechende Typen dahinter vermutet haben. Sal freilich sieht darin keinen Gegensatz – man könne ja wohl auch ohne Sprit Spaß haben: „Wir brauchen keine künstlichen Hilfsmittel, um uns wild zu machen – wir toben auch ohne Alk wie blöd über die Bühne. Ich kann es einfach nicht leiden, halte es für sehr schwach, wenn Leute nur mit Hilfsmitteln etwas erreichen oder leisten können, und Alkohol ist so ein Hilfsmittel.“
Liest man sich die gesammelten Reviews der bisherigen EF-Releases durch, tauchen dabei ständig die New Yorker Punkpioniere DEAD BOYS als Referenzpunkt auf. Nervt dieser Vergleich auf Dauer? „Schon, ja“, meint Sal. „Denn er trifft ja nur auf einen Teil unserer Musik zu, das ist nur ein Einfluss, auf den wir nicht ständig reduziert werden wollen.“
Musikalisch legt der neue Sänger Scott einen anderen Vergleich nahe, war der doch einst bei der metallischen HC-Combo VERBAL ABUSE. Kein Problem, kommentiert Sal: „Auf Platte mögen da Unterschiede bestehen, aber live unterscheiden sich die beiden Bands nicht groß, wie ich finde. Scott passt jedenfalls sehr gut zu uns, und außerdem sind wir, auch wenn das immer wieder behauptet wird, gar keine reine Garage-Band. Vielmehr mischen wir verschiedene Stile: Hier ein bisschen BLACK FLAG, da etwas MISFITS, ’ne Ladung Punkrock quer durch alle Stilarten, etwas Rock’n’Roll, und das ergibt dann unseren Sound. Wenn ich eines nämlich nicht leiden kann, dann wie heutzutage eine Musikrichtung, wie zum Beispiel Punk, ständig in noch kleinere Sub-Richtungen unterteilt wird. Das ist doch völliger Blödsinn. Wir haben nämlich keinerlei Berührungsängste – wenn uns jemand leiden kann, dann ist es egal, ob der jetzt Punk- oder Metalfan ist.“
Im November ist es endlich soweit: ELECTRIC FRANKENSTEIN, die auf dieser Seite des Atlantiks erst ein paar Shows in Schweden spielten, werden auf Europatour kommen und in der Vorweihnachtszeit der Milchschnitte Knecht Ruprecht zeigen, wie man richtig Ärsche tritt.
Und ein neues – ein „richtiges“ – Album haben die Frankensteins derzeit auch in Arbeit. Die Ankündigung im letzten Visions, dieses werde auf Epitaph erscheinen, ist allerdings mit extremer Vorsicht zu genießen. Als chronische Labelhopper haben sich EF diesbezüglich nämlich noch nicht entschieden und lassen sich von Major- wie Indie-Labels derzeit fleißig Angebote machen. Sal: „Uns geht es bei einem Plattendeal vor allem darum, dass die Platten überall erhältlich sind, dass der Vertrieb funktioniert. Geld ist für uns eher zweitrangig, uns liegt nichts daran, durch unsere Musik reich zu werden. Wir wollen nur nicht das Gefühl haben, dass statt uns jemand anderes viel Geld mit unserer Musik verdient.“