DER SCHWARZE ENGEL

Wer nicht gerade ein profunder Kenner der argentinischen Kriminalgeschichte ist, dürfte noch nie von Carlos Eduardo Robledo Puch gehört haben, einem der berüchtigtsten Serienkiller Argentiniens, der wegen elf Morden, einem Mordversuch, 17 Raubüberfällen, einer Vergewaltigung, einem Vergewaltigungsversuch, zwei Entführungen und zwei Diebstählen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, die er immer noch absitzt, da er immer noch als Bedrohung für die Gesellschaft angesehen wird.

Was den aus einer Arbeiterfamilie stammenden und eher schüchternen Robledo Puch abgesehen von seinen Taten so bemerkenswert macht, ist sein engelshaftes Äußeres bei völliger Abwesenheit moralischer Skrupel, was ihm die Spitznamen „The Angel of Death“ und „The Black Angel“ einbrachte.

Insofern ist der deutsche Titel „Der schwarze Engel“ von Luis Ortegas Biopic korrekter als der Originaltitel „El Angel“, „Der Engel“. „Der schwarze Engel“ ist auch das Spielfilmdebüt von Lorenzo Ferro, der Puch verkörpert und dessen unschuldigem, knabenhaften Äußeren erstaunlich nahe kommt.

Puch beging seine Taten in den Jahren 1971 bis 1972, als er gerade 19 war, sah aber damals deutlich jünger aus. Ortega arbeitet sich in knapp zwei Stunden durch Puchs kurze Karriere als Krimineller, doch trotz flotter Inszenierung und schönem Retro-Flair kratzt diese „Journey into the Mind of the Serial Killer“ insgesamt nur an der Oberfläche von Puchs Psyche.

In dieser dennoch gelungenen Mischung aus True Crime-Thriller und Coming-of-Age-Charakterstudie wird die Motivation für Puchs Mordlust zwar nicht nachvollziehbarer, dafür gelingt Hauptdarsteller Ferro auf beeindruckende Art das Porträt eines empathielosen, durchaus sensiblen und erschreckend jungen Kriminellen und Mörders, der zudem mit seiner sexuellen Identität haderte.