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MOLCHAT DOMA

Monument

Spannendste Band seit langem oder Web-Hype? MOLCHAT DOMA aus der belarusischen Hauptstadt Minsk sind vor allem ein ziemlich unglaubliches Phänomen und der Beleg dafür, wie unplan- und unkontrollierbar der Erfolg, die Karriere einer Band sich mittlerweile entwickeln kann. Egor Shkutko (voc), Roman Komogortsev (gt, key, dr) und Pavel Kozlov (bs, key) gründeten die Band 2017, im gleichen Jahr erschien das Debüt „S krysh nashikh domov“, es folgte 2018 „Etazhi“, wobei ich hier die Schreibweise in lateinischen statt in den originalen kyrillischen Buchstaben gewählt habe. Den Weg nach Westen fanden MOLCHAT DOMA, die bis heute bei Russisch als Gesangssprache geblieben sind, über das Berliner Label Detriti, ihr drittes Album „Monument“ jedoch wurde nun über das US-Label Sacred Bones veröffentlicht, wo auch die beiden ersten Alben schon Anfang 2020 auf Vinyl neu aufgelegt wurden. Dort war man wie zig andere Menschen aus der Musikbranche auch darauf aufmerksam geworden, dass eine quasi völlig unbekannte Band aus einer Post-Sowjet-Diktatur bei Bandcamp und vor allem YouTube mit einem Sound, der weder Rap noch Pop ist, völlig durch die Decke gegangen ist. Das „Etazhi“-Album etwa steht bei YouTube bei über zwei Million Aufrufen, einzelne Stücke auch, speziell der Song „Sudno (Boris Ryzhy)“ steht aktuell sogar bei unglaublichen 6,5 Millionen. Womit wiederum TikTok etwas zu tun hat, wo die Musik von MOLCHAT DOMA als Untermalung landete – sowas plant man mit keinem Marketing, das passiert einfach, das geht viral. Wobei das Verbinden der Musik von MOLCHAT DOMA, deren Name übersetzt „schweigende Häuser“ bedeutet, mit den Quatschvideos auf TikTok natürlich eines jener absurden Webphänomene darstellt, über die man nicht nachdenken will. Denn das hat was davon, sagen wir JOY DIVISION ernsthaft als Untermalung von Beachparty-Szenen einzusetzen. Da passt es zum düsteren Charakter der Musik schon eher, dass die Web-Community der Doomer – in Kürze: der Weltuntergang im Sinne eines Zusammenbruchs der Zivilisation steht unweigerlich bevor wegen Klimawandel, Umweltverschmutzung, sogenannter Überbevölkerung, etc. – MOLCHAT DOMA ebenfalls über deren Playlists verbreitet hat, so dass hier irgendwann eine ganz anderen kritische Masse erreicht war, als wenn nur die üblichen Fans von Post-Punk, New Wave und Cold Wave über ihre Zirkel eine Band bekannt machen. MOLCHAT DOMA, die immer wieder mit der russischen Achtziger-Jahre-Legende KINO in Verbindung gebracht werden, erinnern mich stark an die altgediente russische Wave-Pop-Formation MOTORAMA, an die DEPECHE MODE der Achtziger, an THE SMITHS, an frühe NEW ORDER, sind für meinen Geschmack allerdings zu wenig gitarrenlastig, ja eine Spur zu „leicht“. Aber was weiß ich schon ...