Phil Tägert

Einen Typ wie ihn würden viele gerne auf der Mattscheibe sehen, vor allem wenn man bei Sendungen wie "Samstag Nacht" mal wieder kurz vorm einschlafen ist. Doch mit seiner Art von Stand-up-Comedy suhlt sich Phil Tägert derart tief im Underground, daß er wohl auch die nächsten Jahre nur in Kneipen von Wohnzimmergröße auftreten wird, und das ist gleichermaßen erfreulich wie bedauerlich.
Weit mehr Publikum erreicht das Berliner Multitalent mit seinen Cartoons, die in der örtlichen Stadtzeitung Zitty und in seiner eigenen Heftreihe "Always Ultra" veröffentlicht werden.
Von einem Heft mit dem Namen einer Damenbinde kann eigentlich niemand etwas Ernsthaftes erwarten, und so feuert der anerkannte Partykönig in der ersten Ausgabe auch eine volle Breitseite Schwachsinn für Fortgeschrittene ab. 100% Nonsens, manchmal voll aus dem Leben gegriffen, oft völlig durchgeknallt, immer schön abseitig, aber niemals Proll-kompatibel. Natürlich ist auch die Skandalseite mit "Frau Henkel und Frau Schmuhl" dabei, die bei ihrem Erstabdruck in der Zitty für empörte Leserbriefe und Abokündigungsdrohungen sorgte - ein Strip, den ich schon auf vielen Klos als Kopie gesehen habe. Gibt's ein besseres Qualitätsurteil für einen Zeichner?
Auch die weiteren Ausgaben von "Always Ultra" liefern ein fettes Gagfeuerwerk, aber leider füllt den Rest des Heftes jeweils eine recht episch angelegte Fortsetzungsstory über den Tod, den Teufel und einige russische Schweinehirten, die nicht jedermanns Sache ist. Was will uns der diplomierte Spaßvogel, zu dessen frühen Arbeiten übrigens die ziemlich eigenwillige Comic-Fassung von Jörg Buttgereits Film "Nekromantik" gehört, damit nur sagen? Auf dem Comicfestival in Hamburg stand Phil (30) den lästigen Fragen eines Ox-Außendienstmitarbeiters Rede und Antwort.


Hast du eigentlich eine Punkrock-Vergangenheit bzw. hast du mal ein Fanzine oder so etwas ähnliches gemacht? Ich finde, das schimmert bei deinen Arbeiten oft durch.

Na ja, irgendwie schon. Ich zeichne zwar bereits seit meiner Kindheit - mit 14 habe ich die ersten Comics veröffentlicht -, aber im Grunde war ich zu jung, um richtig Punk zu sein. Als ich 15 war, so '81, hieß es eigentlich schon: "Punk ist tot". Da hat man eher abgewartet, was so neues kommt, und da wart ick och immer noch druff.

Du machst ja viele Cartoons, die in der Berliner Stadtzeitung ZITTY abgedruckt werden. Da gibt es auch mal Widerspruch von einigen Lesern. Kannst du verstehen, wenn sich Leute über deine Sachen aufregen, und wie gehst du damit um?

Ich denke, daß beruht immer auf irgendwelchen Mißverständnissen. Die regen sich auf, weil man ein faschistisches Symbol benutzt - dann bist du bei denen gleich ein Faschist. Oder wenn irgendwelche Comicfiguren von dir frauenfeindliche Äußerungen machen, bist du das gleich selber, der das sagt. Die nehmen das Medium Comic nicht ernst und denken auch nicht genügend darüber nach, was ich damit ausdrücken will. Das ist mir aber auch egal, denn ich denke nicht weiter über diese Leute nach. Es gibt zwar immer wieder Ärger, aber solange mir keiner aufs Maul hauen will, berührt mich das nicht, was da für Leserbriefe geschrieben werden.

Du provozierst diese Reaktionen aber nicht absichtlich, oder?

Nein, auf keinen Fall. So etwas finde ich total albern, und dafür bin ich echt zu alt. Ich habe kein Interesse daran, irgendwelche Spießer zu provozieren. Wozu auch? Das ist nicht mein Ding. Ich mache Comics für Leute, die das auch verstehen.

Wenn du sagst, "für Leute, die das auch verstehen", meinst du damit, daß in deinen Geschichten eine tiefere Botschaft steckt?

Es geht um sehr viele Sachen, aber es ist in der Regel eine Message drin, im Grunde sogar mehrere. Die Hauptbotschaft meiner Comics war eigentlich über Jahre hinweg aufzuzeigen, wie sehr zwei Menschen oft aneinander vorbei reden können. Ich habe das nicht bewußt gemacht, aber mir ist irgendwann mal aufgefallen, daß 80% meiner Comics und Cartoons zwei Hauptfiguren haben, die mehr oder weniger aneinander vorbei reden: Vater und Sohn, Mutter und Tochter, oder wer auch immer. Seit drei, vier Jahren hat sich der Schwerpunkt etwas gewandelt, seitdem geht es hauptsächlich ums Alter (lacht).

Weil du dich selbst so alt fühlst?

Ja, weil ich mich, seit ich dreißig bin, so alt fühle - oder schon vorher. Eigentlich fühle ich mich schon seit drei Jahren wie dreißig.

Es geht also nicht nur um vordergründige Unterhaltung?

Ich mache jetzt für die Zitty eine Serie namens "Didi und Stulle", da geht es nur um Klamauk. Das ist ein richtiger, farbiger Zeitungsstrip, der alle zwei Wochen erscheint. Da ist sicherlich auch mal `ne Message drin, aber er soll hauptsächlich lustig sein. Man soll darüber lachen können, und ich will ebenfalls meinen Spaß damit haben. Und obwohl in meinen Heften schon eine Message drin ist, wird es da auch immer verrückter. Ich habe da eine Märchenwelt entwickelt, die ich auch weiter ausbauen will, da mir das total Spaß macht. Die Story beginnt in "Always Ultra #2", aber eigentlich ist das schon die Fortsetzung von einem Comic, den ich bereits 1988 begonnen habe. Das basiert auf "Pabel Potomkin" einem russisches Märchen, und wird ein richtig dickes, episches Werk mit mehreren hundert Seiten werden.

Du bist ja als Zeichner ziemlich aktiv, kannst du mittlerweile davon leben?

Nee, konnte ich noch nie. Wenn überhaupt, lebe ich von meinen Auftritten. Bis vor ein paar Jahren habe ich auch noch im Comicladen gejobbt. Ich strebe zwar an, davon irgendwann leben zu können, aber das ist natürlich ziemlich schwer.

Wie du eben schon gesagt hast, zeichnest du nicht nur, sondern trittst auch live auf. Wie würdest du das selber einordnen, was du da machst? Kabarett ist das ja nicht. Besitzt das denn eine ähnliche Intention wie bei den Cartoons, indem du gewisse Sachen durch den Kakao ziehst?

Ja, aber nicht so sehr. Bei der Show will ich hauptsächlich, daß es was zu lachen gibt. Klar, ganz kann man den Verstand nicht ausschalten, aber es ist zum Teil schon recht stumpf - und so soll es auch sein.

Anfangs habe ich einfach nur Gedichte vorgelesen und Lieder gesungen, die ich extra dafür geschrieben hatte. Inzwischen ist es vielleicht mehr wie bei einem klassischen Alleinunterhalter geworden. Ich weiß auch gar nicht, was es da für Sparten gibt. Es ist für mich eben eine lustige Show.

Hast du nicht auch mal als Clown in einem Berliner Varieté gearbeitet?

Nee, da war ich nicht Clown, sondern Conférencier. Aber ich habe da mit mehreren Clowns zusammengearbeitet. Das hat auch Spaß gemacht, da wir auf Tour waren, was natürlich geil war. Diese Zirkuswelt ist schon recht aufregend, vor allem Backstage, wo sich die Clowns und die anderen schminken. Aber insgesamt gesehen, war der Job als Ansager doch nicht so mein Ding. Also nichts, was ich besonders gut kann, denn das kann jeder andere genauso gut wie ich.

Für dich ist also diese Alleinunterhaltersache besser.

Ja, wenn ich alleine bin, weiß ich, daß ich jetzt zwei Stunden Zeit habe und die Leute können sich auf mich einstellen. Dann traue ich mir auch mehr zu. Wenn du eine halbe Stunde hinter dir hast, weißt du, ob die Leute auf deiner Seite sind oder nicht. Es gibt da nur Entweder-oder. Wenn sie dich Scheiße finden, dann ist es eh egal. Und wenn sie dich gut finden, kannst du dir auch mal was erlauben. Dann fallen dir spontan irgendwelche Sachen auf der Bühne ein, und das macht dann richtig Spaß.

Was hast du überhaupt für ein Publikum bzw. in was für Läden trittst du so auf?

Alles Freaks (lacht). Eigentlich ist es immer verschieden, aber hauptsächlich jüngere Leute - sogar jünger als ich, richtige Twens. Meistens trete ich in recht kleinen Läden vor 60 bis 100 Leuten auf, was in der Regel gut läuft. Es sei denn, es war wieder mal ein Artikel über mich in irgendeiner bürgerlichen Zeitung, wie im Focus, Ticket oder im Tagesspiegel. Immer wenn das passiert, dann habe eine Woche lang nur Lehrer im Publikum. Das ist Scheiße, denn die bringen keine Stimmung mit. Es war mal ein Artikel im Tagesspiegel, in dem stand, ich wäre "der neue Tucholsky", worauf nur noch diese Idioten kamen. Das war wirklich schrecklich.

Bist du gut ausgelastet mit Auftritten?

Ich bin beinahe zu gut ausgelastet mit Auftritten, weshalb ich im Moment etwas die Schnauze voll habe, da es letztes Jahr ziemlich viele waren. Eigentlich würde ich dieses Jahr am liebsten gar nicht mehr auftreten. Ich hätte gerne wieder mehr Ruhe, um mich aufs Zeichnen zu konzentrieren. Das Verhältnis muß schon ausgewogen sein, da ich nicht von einer Sache abhängig sein möchte. Wenn du von den Comics leben willst, mußt du dauernd Kompromisse bei deinen Zeichnungen eingehen. Und wenn du von den Auftritten leben willst, ist es ähnlich. Genau das will ich nicht. Dann mußt du immer dranbleiben und drin bleiben - das ist mir irgendwie suspekt. Ich bin jetzt vier Monate nicht mehr aufgetreten und vermisse das auch nicht. Ich könnte auch mal ein oder zwei Jahre nicht auftreten.

Was bei den Auftritten ziemlich Scheiße ist, daß du irgendwann mal im Café oder auf der Straße erkannt wirst. Das stellt man sich vielleicht schön vor, aber das ist eigentlich eher unangenehm. Das sind leider nicht nur schöne Mädchen, die sagen, "du bist der Größte", sondern oft ziemlich üble Leute, mit denen du dich gar nicht unterhalten willst beziehungsweise von denen erkannt werden möchtest. Ich bleibe lieber inkognito. Dieses Jahr fällt es mir zum ersten Mal richtig unangenehm auf, aber zum Glück passiert das nicht jeden Tag. Am Anfang war ich auch noch sehr überrascht. Aber inzwischen ist es schon ziemlich oft vorgekommen und das gefällt mir überhaupt nicht. Ich will ja nicht so bekannt wie DIE ÄRZTE werden oder so etwas. Das wäre mir dann doch etwas zuviel.

Bernd Frenz