BERLIN BLACKOUTS

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Die wilden Jahre sind vorbei

Wenn Mike Ness nervös seinen Chihuahua im Nacken krault, Paul Simonon anerkennend durch die Zahnlücke pfeift und noch schnell zum Telefon greift, weil er Michael Monroe wenigstens Bescheid sagen will, dass da gerade die Fanfaren des Hammersmith Palais erklingen, dann kann man davon ausgehen, dass sie irgendwie des „Bonehouse Rendezvous“-Debüts der BERLIN BLACKOUTS habhaft wurden. 100 Club on Monday, Wild at Heart am Dienstag, lautet dementsprechend die Devise, von mir aus auch Freitag, Samstag und Sonntag. Angesichts dessen hatte ich keine andere Wahl, als mit Sänger und Gitarrist Bev über die Ankunft der neuen Guitar Mafia zu sprechen.

Nachdem ihr alle schon auf eine teilweise recht produktive musikalische Vergangenheit zurückblicken könnt, stellt sich natürlich die Frage, was nun speziell die BERLIN BLACKOUTS als neue Band für euch auszeichnet.


Jede Band ist immer ganz anders als die davor. Das liegt einfach daran, dass du dich mit anderen Leuten zusammenraufst und du als Teamplayer wieder ganz anders agieren und reagieren musst. Vorher hab ich bei den RADIO DEAD ONES in einer Art Sandkastenliebe-Band gespielt. Wir kannten uns seit frühester Kindheit und nach zwanzig Jahren gehst du anders miteinander um, als du es mit ganz neuen Leuten tust. Wir haben in der kurzen BERLIN BLACKOUTS-Bandgeschichte von einem Dreivierteljahr schon ein paar Änderungen im Line-up gehabt und es fühlt sich mit jedem Ab- und Zugang einzelner Mitglieder wieder wie ein Neuanfang an. Ich glaube, wir sind jetzt ein rundes Team, um die Sache zu schaukeln.

Oftmals ist es ja so, dass man irgendwann an den Punkt kommt, dass man aus den verschiedensten Gründen – ob Stillstand, Frust oder schlicht Langeweile – einfach keinen Bock mehr hat, überhaupt noch Musik zu machen.

Nee, Musik ist für mich immer wichtig gewesen, das mache ich, solange ich es kann. Das kann ich wohl auch von den anderen drei behaupten. Ich drehe durch, wenn ich mehr als zwei oder drei Tage keine Gitarre in den Händen halte – auch ein Grund, warum ich in den letzten 15 Jahren nur zweimal für zwei Wochen im Urlaub war. Musik ist nie langweilig. Aber mit der Band haben wir uns dennoch soundmäßig und generell ganz neu orientiert.

Wie kann man es vermeiden, als Band an einen solchen Punkt zu kommen oder anders gefragt, warum seid ihr zuversichtlich, dass es mit den BERLIN BLACKOUTS anders laufen wird?

Du kannst es ganz einfach vermeiden: Kümmere dich um die Musik und nicht den ganzen Schnickschnack ringsherum. Die Motivation, Musik zu machen, sollte die Liebe zur Musik sein und nicht die, sich darzustellen, etwa im Internet, was ich jedoch leider oft so beobachte. Es werden zum Beispiel Platten aufgenommen, um auf Tour gehen zu können, nicht um gute Songs zu veröffentlichen. Ob es mit BERLIN BLACKOUTS anders laufen wird, weiß ich nicht, ich bin ja kein Hellseher. Ich bin gerade damit beschäftigt, die Songs für die nächste Platte zu schreiben, der Rest ist mir momentan egal.

Man denkt ja immer, dass es in einer Stadt wie Berlin nicht schwer sein sollte, Leute zu finden, mit denen man etwas Neues auf die Beine stellen kann. Wie habt ihr euch gefunden?

Es gibt Leute wie Sand am Meer, die in Bands spielen wollen, aber fast keine Leute, für die Musik wirklich wichtig ist. Du kommst nur mit den richtigen Leuten zusammen, wenn du konstant an deinem Vorhaben arbeitest. Ich habe mich hingesetzt und allein Demos aufgenommen, um sie dann Leuten vorzuspielen, mit denen ich mir vorstellen konnte, es zusammen zu machen. Bei uns hat niemand einen Fulltimejob, sonst würde die Band nicht funktionieren.

Inwiefern spiegelt sich das Leben und euer persönlicher Alltag in der Musik wider?

Im Punkrock schreibst du über das, was dich beschäftigt, somit ist natürlich ganz viel Alltag in der Musik. Es ist aber nicht so, wenn mich ein Cop auf dem Weg zum Proberaum gestresst hat, dass ich automatisch einen Anti-Bullen-Song schreibe. Es geht am Ende doch nur um Songs und nicht um autobiografische Abhandlungen.

Kann aus eurer Sicht eine bestimmte Stadt Einfluss auf eine Band nehmen und einen speziellen Stil hervorbringen, den man mit dieser Band verbindet, wie etwa London bei THE CLASH oder New York bei den RAMONES?

Heute ist es nicht mehr ganz so wichtig, woher du kommst. Die Städte werden ja immer gleicher. Kommerz verdrängt Subkultur. Früher warst du in einer Großstadt viel mehr am Puls der Zeit als in der Provinz, wo du keinen Plattenladen hattest, nicht an alle Musikzeitschriften kamst und es auch keine Clubs gab. Heute ist durchs Internet immer alles präsent und du kannst dir vielmehr aussuchen, was dich beeinflusst und formt. Ich denke zum Beispiel, Berlin wird immer überlaufener von langweiligen und uninspirierten Leuten. Da kann man langsam nicht mehr von einem urbanen Schmelztiegel an Inspiration reden. Aber einer Band wie FEINE SAHNE FISCHFILET merkst du natürlich an, woher sie kommen, wenn du weißt, wie stark faschistische Strukturen in Meck-Pomm sind. Somit wirkt sich natürlich deine Herkunft aus, aber lange nicht mehr so prägend, wie bei den von dir angeführten Bands.

Irgendwie spielt dabei ja auch immer der Status einer Stadt als Rückzugs- oder Sehnsuchtsort eine Rolle, an dem man etwas geboten bekommt, wo man zwar unendliche Möglichkeiten hat, aber ebenso grandios scheitern und völlig abstürzen kann. Welche Erfahrungen habt ihr da gemacht?

Wenn du jung bist und ziellos nach Abenteuern und Exzessen suchst, macht die Großstadt ein, zwei Jahre Spaß, doch dann bist du ausgebrannt und sehnst dich nach etwas, an das du glauben kannst. Die Masse der Möglichkeiten ist völlig wertlos, wenn du nicht weißt, was du willst. Wir haben alle unsere Lehrzeit gehabt. Ich glaube, unsere ganz wilden Jahre sind langsam vorbei, hehe.

Wenn ich mir in diesem Zusammenhang eure Texte durchlese, beispielsweise zu „Slay the demons“ oder „Fade & fallin’“, scheint es solche Momente der Isolation und Hoffnungslosigkeit durchaus zu geben. Spielen da persönliche Erfahrungen eine Rolle?

Unser alter Gitarrist Chrissi und ich haben die Texte zur Platte geschrieben und wir hören beide wenig lustige Musik. Somit kommen die Texte auch nicht in den schillerndsten Farben daher. Obwohl ich jedoch sagen muss, dass wir textlich viel fokussierter auf das „Sich-selbst-Motivieren“ sind als auf das „Sich-Hängenlassen“. Hauptsächlich machst du die Musik für dich, also ist sie auch persönlich. Ohne Musik würde ich die Fähigkeit verlieren, mich auf die guten Dinge im Leben zu konzentrieren.

Wie wichtig ist es euch als Band, die eigenen Ideale, wie bei der Zusammenarbeit zwischen euch und DNA Merch für ein Bandshirt, auch durch direkte Aktion in die Tat umzusetzen? Welche Bands würdet ihr diesbezüglich als „Vorbild“ betrachten und welche Art von Band hängt euch mal so richtig zum Hals raus?

DNA Merch fangen gerade erst an, ihre Ideen umzusetzen. Das sollte man sich mal anschauen, wenn man noch nichts davon gehört hat. Wenn wir bei so was mitmachen, muss das auf natürliche Weise passieren. Anton, der DNA Merch mit aufzieht, spielt auch Schlagzeug und wir haben mit seiner Band zusammengespielt, dadurch ist der Kontakt entstanden. Aber zwanghaft jedem „guten“ Projekt hinterherzurennen, um seinen eigenen Namen zu profilieren, find ich affig. Ich habe da keine Vorbilder, und einzelne Bands aufzuzählen, deren überzogenes Engagement mich nervt, finde ich auch doof, weil sie es ja vielleicht sogar mit wirklich ehrlichen Intentionen machen und es einfach nur affektiert wirkt.

Denkt ihr, dass ihr euch da in den letzten Jahren verändert habt, dass ihr früher manche Dinge lockerer gesehen habt, bei denen euch heute die Galle hochkommt?

Ich würde es eher genau andersrum beschreiben. Früher, mit Anfang zwanzig, wollte ich gegen alles rebellieren und hatte ständig mit jedermann Stress, weil ich mich mit nichts abfinden konnte. Das Älterwerden macht einen milder. Ein Zitat von Bertolt Brecht bringt das ganz gut auf den Punkt: „Was, meinst du, ändert sich leichter, ein Stein oder deine Ansicht darüber?“