AMERICAN FOOTBALL

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Die Rückkehr der Emo-Legende

Sie gelten als der Inbegriff der „Midwest 90s Emo“-Band und genossen schon nach ihrem ersten selbstbetitelten Album eine Art Legendenstatus. Wohl jeder Emorocker wird sich mindestens einmal vorgestellt haben, wie es wohl im berühmtesten Haus des Genres und damit auch in den Köpfen von Mike Kinsella, seinem Bruder Nate sowie Steve Holmes und Steve Lamos aussieht. Zwanzig Jahre nach dem Debüt veröffentlichen AMERICAN FOOTBALL nun ihr drittes selbstbetiteltes Album und dafür haben sie mal ordentlich durchgelüftet. Hier klingt nichts angestaubt oder gar uninspiriert. Im Gegenteil: „American Football (LP3)“ ist offener als seine Vorgänger. Wie es dazu kam und warum es die Band nach ihrer langen Pause jetzt erst recht wissen will, beantwortet Sänger und Gitarrist Mike Kinsella im Interview.

Mike, der Name AMERICAN FOOTBALL ist einer der ersten, der bei der Auflistung einflussreicher Emo-Bands fällt. Ihr habt nach eurer langen Pause im Vorfeld an die Veröffentlichung eures Debüts 1999 in den letzten drei Jahren ganze zwei Alben herausgebracht. Der Vorgänger zum jetzt erscheinenden dritten Album klingt so, als hätte es diese Unterbrechung von 17 Jahren gar nicht gegeben. Auch „American Football (LP3)“ kann man eindeutig anhören, dass es eine AMERICAN FOOTBALL-Platte ist. Würdest du sagen, dass ihr eine Formel gefunden habt, die ihr für eure Musik anwenden könnt?


Für mich galt eigentlich immer, dass, sobald ich eine Gitarre in die Hand nahm, auch ein Song entstand, mit dem ich zufrieden war. Irgendwie hat sich dieser Ansatz oder besser gesagt mein Anspruch an meine Musik seit der zweiten AMERICAN FOOTBALL-Platte und während des Schreibens an Songs zu meinem anderen Projekt OWLS weiterentwickelt. Es fühlt sich jetzt irgendwie mehr nach einem Job an, den ich professionell und gut machen möchte. Ich probiere neue Dinge aus und verwerfe mehr Ideen als vielleicht zu Beginn meiner musikalischen Karriere. Ich habe die Formel von früher über Bord geworfen und will jetzt offen für Neues sein. Vielleicht ist es auch das Gefühl, dass ich ein paar Dinge mit AMERICAN FOOTBALL nachholen möchte, die wir in den letzten zwanzig Jahren nicht ausprobieren konnten.

Hat sich deine Beziehung zu eurer Musik in den letzten Jahren geändert?

Wie gesagt, der Ansatz ist in den letzten Jahren viel professioneller geworden. Zum einen mag das an den Erwartungen an uns liegen und dass wir irgendwie für ein paar Leute eine wichtige Band geworden sind. Zum anderen hatten wir in den letzten vierzehn, fünfzehn Jahren genug Zeit, um uns Gedanken darüber zu machen, ob wir AMERICAN FOOTBALL wirklich brauchen oder ob es auch reichen würde, mit unseren anderen Projekten Musik zu machen. Irgendwann ist die Entscheidung gefallen, die Sache durchzuziehen. Jedoch nur unter der Bedingung, dass wir uns keine Grenzen setzen und uns nicht noch mal wiederholen wollen. Unsere ersten Songs haben uns unglaublich viel ermöglicht und bedeuten uns logischerweise eine Menge. Alles Neue hingegen ist reizvoll und perfekt für uns.

Kannst du die Unterschiede zwischen der Produktion eures ersten Albums im Jahr 1999 und eurer jetzigen Veröffentlichung beschreiben?

Sehr unterschiedlich, das beschreibt das Ganze wohl am besten. Mir fallen so viele unangenehme und skurrile Dinge ein, wenn ich über die Aufnahmen zum Debüt nachdenke. Wir hatten zum Beispiel nicht mal alle Songs fertig, als wir ins Studio gingen. Wurde ein Ton mal nicht richtig getroffen, war das für uns damals überhaupt kein Problem. Wir hatten ja als unbekannte neue Band auch überhaupt keine Ambitionen. Alles ging so schnell und wirkt von meiner heutigen Perspektive zum Teil echt unbeholfen und überstürzt. Damals hat es sich aber echt und gut für uns angefühlt. Und vielleicht war es auch gerade dieses Unperfekte, was AMERICAN FOOTBALL für manche Leute so sympathisch macht. Für „American Football (LP3)“ haben wir vor unserem Studioaufenthalt sogar zwei Demo-Aufnahmen in zwei unterschiedlichen Studios aufgenommen und quasi fertige Songs mitgebracht. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, viel mehr auf Details zu achten und vor allem auch neue Sachen auszuprobieren. Man kann schon sagen, dass sich unser erstes und das aktuelle Album wie Tag und Nacht unterscheiden.

Kommen wir noch mal auf eure Bedeutung für die Emo-Szene zurück. Da du auch Teil von CAP’N JAZZ warst, würde mich interessieren, ob es für dich Momente gab, in denen du gemerkt hast, dass du Teil von etwas Besonderem bist?

Für mich war es definitiv etwas Besonderes, dass Musik den Mittelpunkt meines Lebens dargestellt hat und irgendwie auch immer noch darstellt, neben meiner Familie. Mit CAP’N JAZZ haben wir gespürt, dass bei den ganzen Kellershows oder in den kleinen Clubs eine besondere Energie entstanden ist. Aber damals war alles wild und überhaupt nicht so mit Bedeutung aufgeladen. So wie damals macht es auch heute immer noch Spaß, Musik zu machen und Shows zu spielen. Mein Leben wäre sicher anders verlaufen, hätten ein paar Vierzehnjährige nicht Bock darauf gehabt, ihr kaum vorhandenes Talent an die Öffentlichkeit zu bringen. Bis zu dem Moment, dass Leute sich auf ein neues AMERICAN FOOTBALL-Album freuen, ist auf jeden Fall einige Zeit vergangen.

Wie kommt es, dass auf dem Cover von „American Football (LP3)“ zum ersten Mal das berühmte Haus weder von außen, „LP1“, noch von innen, „LP2“ zu sehen ist? Hat sich sonst noch etwas geändert?

Für uns war klar, dass unser zweites Album auf jeden Fall noch in einer Beziehung oder besser gesagt, Verbindung zum Debüt stehen würde. Tatsächlich fühlten wir uns am Ende der Produktion zur zweiten Platte auch erleichtert. So als hätten wir ein Kapitel abgeschlossen, dass wir damals als Zwanzigjährige begonnen haben. Aus diesem Grund handelten die beiden Alben auch von ähnlichen Themen. So konnten wir Platz für neue Sachen machen und quasi noch mal neu starten. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass „American Football (LP3)“ nach einer ganz anderen, einer neuen Band klingt. Funktionierten die ersten beiden LPs noch am besten, wenn man sie sich allein und über Kopfhörer angehört hat, so wirken die neuen Songs dann fantastisch, wenn du sie dir laut und unterwegs anhörst. Das sollte sich auch im Artwork widerspiegeln.

Eine Besonderheit eurer neuen Platte sind drei Gastsängerinnen – unter anderem Hayley Williams von PARAMORE. Wie kam es zu den Beiträgen und seid ihr euch bewusst gewesen, welchen Effekt vor allem Hayleys Name auf euren Bekanntheitsgrad haben würde?

Irgendwie habe ich beim Schreiben meiner Songs regelmäßig Bereiche dabei, bei denen ich sofort weiß, dass sie wie für eine Frauenstimme gemacht scheinen. Viele der Bands mit denen ich groß geworden bin, hatten Frontfrauen. Das hat mich natürlich sehr geprägt. Wir haben gemeinsam überlegt, wen wir uns in den Songs als Unterstützung vorstellen könnten und haben dann auch unter anderem Hayley für „Uncomfortably numb“ gefragt, die sofort zugesagt hat. Uns war klar, dass ihr Beitrag den Song irgendwie auch auf ein anderes Level heben würde. Schließlich ist sie die Sängerin von PARAMORE. Am Ende ist es aber ihre Stimme, die perfekt zu diesem Song passt.

Bereust du die Entscheidung, damals vor der Veröffentlichung eurer ersten Platte die Band aufgelöst zu haben?

Es war damals auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Vor allem war es überhaupt nicht dramatisch, da wir ja eigentlich gar nichts vorzuweisen hatten oder auch niemanden enttäuschen konnten, da wir ja noch vollkommen unbekannt waren. Für uns war das damals überhaupt keine große Sache. Ein paar Dinge in unserem Leben haben sich verändert und das Bestehen der Band eher erschwert. Wir sind in der Stimmung auseinandergegangen, dass wir eine gute Zeit hatten und mit dem zufrieden sein konnten, was wir als AMERICAN FOOTBALL fabriziert haben. Gefühlt haben wir durch die Pause auch keine Zeit verloren. Jeder von uns hat seine eigenen Ziele weiterverfolgt und kann sich nun auf die Band konzentrieren. Es hat uns immer geholfen, dass wir uns selbst nicht so wichtig nehmen. Zum einen lässt das keinen Druck entstehen und zum anderen hilft es dabei, mit beiden Füßen auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben.