NORBERT BUCHMACHER

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Der Liedermacher vom Landratsamt

„Habitat einer Freiheit“, das Debütalbum von Norbert Buchmacher, ist ein echter Exot auf End Hits Records, das sonst eher Hardcore-Bands veröffentlicht. Die Musik geht locker als melancholischer Pop durch – mit Hang zur großen Geste – und erinnert streckenweise an JUPITER JONES, UNHEILIG oder sogar den jungen Herbert Grönemeyer. Eine Stimme wie nach durchfeiertem Wochenende, Klavier und Akustikgitarre im Vordergrund und deutsche Texte mit vielen persönlichen Bezügen – das hätte sogar Potenzial für die Charts. Aber alle in der Band haben Wurzeln in der Punk- und Hardcore-Szene – THE HEARTBREAK MOTEL, ZERO MENTALITY, FINAL PRAYER, DIE NEGATION –, wie Sänger Nobert „Nobby“ Buchmacher im Ox-Interview betont.

Wie kommt ihr bei eurem Hintergrund dazu, so eine Musik zu machen?


Ich hatte einfach Bock, das mal auszuprobieren. Natürlich hatte ich auch eine Phase in meinem Leben, in der ich nichts außer Geballer gehört habe, trotzdem habe ich mich neben Hardcore und Punk schon immer generell für Musik interessiert. Ich wollte eigentlich etwas wie Tom Waits auf Deutsch machen. So hat das alles angefangen.

Das war also zuerst ein Solo-Projekt von dir. Wie ist die Band zusammengekommen?

Zuerst habe ich mir eine Akustik- und eine E-Gitarre gekauft und mir selbst Gitarrespielen beigebracht. Denn in den Bands, in denen ich vorher aktiv war, hat mir irgendwann die Abhängigkeit von Gitarristen gestunken. Ich kam mit einer Idee an und die haben immer gesagt: Nein, das geht nicht. Ich hatte gar keine Möglichkeit, bei der Gestaltung mitzureden. Dann habe ich angefangen, Songs zu schreiben. Zuerst nur für mich. Dann habe ich ziemlich schnell gemerkt, dass ich eine Band dazu brauche. So ist mir Alan Kassab wieder eingefallen, den kannte ich über seine Bands. Der hat mir dann die Songs arrangiert und geholfen, die anderen Jungs zu finden.

Deine Texte hören sich nach einem sehr persönlichen Ansatz an ...

Der Text von „OMF“ ist für meinen Sohn, der Text von „Zeitspanner und Regenfäller“ für meine Frau. Bei „Laut geträumt“ geht es eher um ein sozialkritisches Thema. Dass die Menschlichkeit immer mehr verloren geht. In der „Ballade von Willi und Walther“ singe ich von zwei Menschen, die in Wildwest-Manier erschossen wurden. Nur weil sie nicht ins System gepasst haben. Der eine war Daryl Kennedy aus New York. Ein Rastamann, der mit einem Messer herumgehüpft ist und von Polizisten umzingelt und quasi hingerichtet wurde. Der andere war ein Mann, der sich im Neptunbrunnen in Wien umbringen wollte und in einer Kurzschlussreaktion der Polizei auch abgeknallt wurde. Es muss doch auch andere Wege geben, Menschen in temporären Ausnahmezuständen in den Griff zu bekommen.

Norbert Buchmacher ist nicht dein richtiger Name, eigentlich heißt du ja Daniel Kramer. Warum das unspektakuläre Pseudonym?

Den Spitznamen „Nobby“ habe ich schon als Teenie bekommen, das hat mit einem Film zu tun, den wir damals geschaut haben. Buchmacher ist entstanden, als ich als Roadie mit EMPOWERMENT auf Tour war. Da habe ich ein Buch namens „Homunkuli“ geschrieben. Eine Art Tourbericht in Romanform. Deshalb war ich irgendwann der Buchmacher.

Früher hast du ja deine Band auch ENSEMBLE NON GRATA genannt.

Wir wollten einfach irgendwie unsere Punk-Attitüde in den Namen einbauen. Also zum Ausdruck bringen, dass wir zwar Pop machen, aber Punks sind. Es hat sich aber irgendwann erübrigt, weil der Name NORBERT BUCHMACHER UND DAS ENSEMBLE NON GRATA einfach viel zu lang und zu kompliziert ist.

Du lebst in der Heimstadt des deutschen Legolands, in Günzburg, und arbeitest dort im Landratsamt. Was machst du genau?

Ich bin für die EDV-Beschaffung zuständig. Ich kaufe also diesen ganzen Computer-Kram, den man so braucht, begleite die Ausschreibungen und kümmere mich um alles, was man an Geräten fürs Büro so braucht. Kopierer, Schreibtische und so weiter.

Wie sehen deine Ambitionen mit der Musik aus?

Momentan bekomme ich noch alles gut unter einen Hut. Zum Glück lässt mich meine Frau da einfach machen. Ich darf auch Urlaubstage dafür verbraten, solange wir noch gemeinsam Urlaub machen können. Man muss jetzt einfach mal abwarten, was mit der Platte passiert. Sollte sich irgendwas Größeres entwickeln, müssen wir einfach reden. Das lasse ich momentan noch offen.

Vor drei Jahren hast du den Rio Reiser-Songpreis gewonnen. Was bedeutet dir diese Auszeichnung?

Das war mit dem Song „Laut geträumt“. Das ist auch unsere erste Single. Die Ausschreibung für den Preis habe ich zufällig entdeckt und dann haben wir unseren Song spontan eingereicht. Die Jury wollte drei Kandidaten auswählen, die ihren Song live performen müssen, damit sie ihre Entscheidung fällen kann. Sie haben uns aber gleich mit unserem Demo zum Sieger gekürt, dann haben wir einfach nur performt. Für mich war das eine Riesensache, weil ich Rio Reiser immer geil fand, er war auch ein Punker, der später Pop gemacht hat. Mit dem kann ich mich sehr gut identifizieren.

Im März hast du einige Konzerte im Vorprogramm von Nathan Gray gespielt und bist mit dem Album auch bei seinem Label End Hits Records gelandet. Wie kam das zustande?

Der Kontakt ist über meinen Kumpel Jogges von EMPOWERMENT entstanden, der unser Demo an den Labelmanager Oise weitergeleitet hat. Oise war aber am Anfang noch unsicher, weil End Hits eben kein Pop-Label ist. Mitgeholfen hat aber auch Marco von Avocado Booking, weil er unser Video auf Facebook entdeckt hat und gleich begeistert war. Dann hat er noch mal mit Oise geredet und die Sache war geritzt. So hatten wir binnen zwei Tagen plötzlich Booking-Agentur und Label.

Eine besondere Geschichte hat auch das Artwork von „Habitat einer Freiheit“. gestaltet von Hendrik Otremba, dem Sänger von MESSER.

Man sagt doch immer, die Musiker stecken immer viel Herzblut in ihre Platten. Das habe ich dann wörtlich genommen: Hendrik hat das Cover mit meinem Blut gemalt. Ich musste mir Ampullen besorgen, in denen ein Serum drin ist, das die Blutgerinnung verhindert. Damit hatten wir 48 Stunden Zeit für den Transport nach Berlin und die Zeichnung. Wir haben also am Vormittag das Blut abgenommen, per Express nach Berlin geschickt und Hendrik musste gleich am nächsten Tag anfangen zu malen. Das war tatsächlich schwieriger als gedacht, aber es hat alles geklappt.