Dee Dee Ramone

Es gab einmal eine Rock´n´Roll-Band, die war die beste der Welt. Einfach so. Ihr Bassist hieß Douglas Colvin, aber alle nannten ihn Dee Dee. Und Ramone als Nachname gefiel Herrn Colvin besser. Die andern drei in der Gruppe fanden das ebenfalls schick und so nannten sie sich und ihre Band auch so. Die Songs der besten R´n´R Band der Welt stammten meist von Dee Dee. Außer schreiben konnte er die Songs auch anzählen. Immer. Und immer gleich. Doch anno 1989 hatte er nach 15 Jahren die Nase voll von den anderen Ramones und fing an - in dieser Reihenfolge - Rap-Musik zu machen, ein Fanzine rauszubringen, Gedichte und Bücher zu schreiben, der Malerei zu frönen, ständig seinen Wohnort zu wechseln, zu heiraten und - endlich - auch wieder den wunderbar besten Rock´n´Roll der Welt zu spielen. So auch am 5.4. im FZW in Dortmund. Zu sagen hatte er auch was. Und er redete wie ein Wasserfall, so als hätte er sich auf das Interview richtiggehend gefreut.

Wir haben vom Tourmanager eben vernommen, dass du während dieser Tour an einem neuen Buch schreibst. Worum dreht es sich?


Eigentlich wollte ich eher in Europa auf Tour gehen und ich hatte überlegt, über diese Tour einen ausführlichen Artikel zu schreiben; vielleicht für das Mojo Magazin oder so was in der Art. Aber dann änderten sich viele Dinge um mich herum, denn ich arbeite an vielen Projekten. Gestern abend rief mich mein Verlag an und fragte mich, ob ich ein kleines Buch zusammen mit Richard Hell und Lou Reed machen möchte. Ich weiß nicht, wer noch daran beteiligt sein wird. Zuerst habe ich Ja gesagt, doch jetzt überlege ich mir gerade, dass ich doch lieber ein eigenes Buch machen möchte. Die Geschichte mit Hell und Reed klingt schon verlockend. Aber wenn ich das mache, dann muss ich zurück nach New York um zu verhandeln. Jetzt ist aber erst mal die Tour hier dran. Ich arbeite viel. Ich habe schließlich acht Kinder aus drei Ehen zu versorgen.

Acht Kinder? In deiner Autobiographie "Poison Heart" schreibst du davon aber nichts.

Weil ich es nicht durfte. Ich darf ihre Namen nicht in der Öffentlichkeit nennen. Das heißt, ich muss meinen Pflichten nachkommen und manchmal arbeite ich von sechs in der Frühe bis abends um elf. Meine jetzige Frau ist sehr jung und sie mag sich nicht um all diese unerfreulichen Sachen kümmern. Viele Leute fragen mich, ob ich diese ganzen Strapazen nur noch für das Geld auf mich nehme. Yeah, ich muss arbeiten. Niemand versorgt mich. Ich habe keine Familie. Ich bin unabhängig seitdem ich 15 Jahre alt war. Die einzige Familie die ich je hatte, waren die Ramones.

Warum gibt es eine neue Edition deiner Autobiographie, mit neuen Bildern, neuem Titel, neuem Layout? Hat dir die alte nicht gefallen?

Ich arbeite viel mit Künstlern zusammen, weil ich auch selbst Maler bin. Und ich arbeite auch für einen berühmten Künstler, Mark Kostabi. Und er hat das Cover gestaltet. Die Bilder und das Layout, da hatte ich kaum Einfluss drauf. Es wurde auch umgeschrieben. Das passiert einfach. Ich habe die Druckvorlagen nie gesehen. Natürlich war ich besorgt darum, aber im Musikgeschäft wird der Künstler als letzter gefragt was er will. Mein Leben ist halt kompliziert. Mein neues Buch erscheint im Mai, ein Horror-Roman. Das ist endlich ein gutes Buch, sogar lustig. Die Handlung spielt in New York und ich erzähle die Geschichte vom auferstandenen Sid Vicious im Alter von 45 Jahren. Die Wahrheit ist, dass ich Sid seit 1978 nicht mehr gesehen habe. Genau zu dem Zeitpunkt als Sid nach dem Pistols-Split nach New York City gezogen ist, zog ich weg nach Queens. Obwohl wir eigentlich Freunde waren und ich ihn sehr mochte, konnte ich seine ewigen Telefonanrufe nicht mehr ertragen. Als er im Max´s spielte, sagte ich, ich komme; und ich kam nicht. Zu dieser Zeit hatte ich vielleicht sechs Leute, die ich als Freunde bezeichnen konnte. Aber mit Sid, das ging nicht mehr, weil ich selbst aus diesem ganzen Drogensumpf raus musste, um weiter mit den Ramones spielen zu können. Ich mußte mich vor diesem Drogen-Dämon schützen. Als Sid dann starb, habe ich mich sehr schuldig gefühlt. Aber ich war immer eingespannt mit anderen Sachen. An seinem Todestag sind wir nach Schweden geflogen.

Wie steht es um den neuen Ramones-Film?

Ja, da gibt es diesen Plan für den Film "Too Tough Too Die" vom Regisseur Ali Eckert. Die Dreharbeiten sollten bereits im Januar beginnen, aber nichts ist passiert. Es ist ein Fiasko und verdammt stressig. Er ist ein netter Kerl, es gibt aber alle möglichen finanziellen und rechtlichen Probleme und Joey wird womöglich bald sterben. Zumindest ist er sehr krank, denn er hat gerade eine Krebsbehandlung hinter sich. Er kann keinen Film drehen. Wenn es ihm wirklich besser gehen sollte, vielleicht nur eine kleine Verbesserung, dann würde mich das sehr freuen. Aber es ist unverschämt ihn zu fragen ob er nicht noch einen Film machen will. Man sollte ihn erst mal in Ruhe lassen. Ich könnte $250.000 mit diesem einen Film machen. Das ist mehr als ich jemals in meinem ganzen Leben mit den Ramones gemacht habe.
[Anmerkung: Genau zehn Tage nach diesem Interview starb Joey. Dass der geplante Film den Titel "Too Tough Too Die" tragen sollte, ist nun etwas... makaber]

In der letzten Zeit gibt es immer mehr Retrospektiven, die die RAMONES ehren und die gesamte Musikgeschichte der letzten 25 Jahre auf sie zurückführen, wie z.B. neulich im Mojo oder Spin Magazine. Was hältst du davon?

Ich mag es. Ich fühle mich sehr geschmeichelt. Die RAMONES waren halt nie ein wirklicher Erfolg. In den etwa letzten vier oder fünf Jahren fühle ich mich auf einmal erfolgreich. Das empfinde ich natürlich als sehr angenehm, denn so was passiert einem Freak wie mir nicht sehr oft. Normalerweise ist dieses Geschäft einfach hässlich; lächerlich. Man muß sich aber bewusst werden darüber, dass Rock´n´Roll einfach überholt ist. Soziologisch gesprochen, es passt einfach nicht zu modernen Lebensstilen.

Aber was ist mit den vielen Punk- und Alternative-Bands in den Charts?

Nun, ich sage den Leuten immer, es ist gut zu singen, Musik zu machen. Aber als Realität ist es eine Illusion (sic!). Zumindest in den USA ist Punkrock in den letzten Jahren wirklich groß geworden; besonders in Südkalifornien. Aber es ist eine Outlaw-Kultur. Ich würde nicht wollen, dass meine Kinder so leben. Ich liebe diese jungen Punk-Kids. Aber sie sind oft sehr gewalttätig. Ich sorge mich um sie. Sie tun mir persönlich nichts, aber sie machen mir Angst. Manchmal könnte ich weinen, weil ich weiß was mit ihnen passieren wird: Das Gleiche was mit mir passierte. Und das tut weh! Ich war ein Junkie, ein Street Kid. Ich bin nie wirklich zur Schule gegangen. Ich wurde oft verletzt. Meiner Frau haben sie erzählt, sie solle die Finger von mir lassen. Ich war oft im Krankenhaus. Wie oft haben sie erzählt, dass ich bald sterben werde. Und ich bin immer noch da! Ich weiß aber, dass ich ´ne Menge Glück hatte. Wenn du an diesem Punkt bist, brauchst du nicht mehr viel um glücklich zu sein. Andere hatten nicht so viel Glück, und es bereitet mir Sorgen, wenn ich an diese jungen Leute denke. Ich bin glücklich darüber einen Job zu haben, auch wenn es manchmal zu viele sind. Was ich meine ist: Ich repräsentiere wohl die Vergangenheit.

Noch nicht ganz, oder?

Nun, jeder sagt mir, oh, das war ein prima Konzert, Dee Dee. Es war genau wie bei einer alten RAMONES-Show [lacht]. Und ich kriege auch das Gefühl, dass sich nichts ändert.

Wird es dir langweilig, die alten Stücke immer wieder zu spielen?

Nein! Ich mochte sie nicht, als ich die RAMONES verlassen habe, damals wäre es unmöglich für mich gewesen den alten Kram zu spielen. Das hätte mich verrückt gemacht. Dafür habe ich alle anderen verrückt gemacht, wenn ich meine Konzerte mit "The Midnight Hour" oder Chuck Berry-Zeugs eröffnet habe. Wenn ich heute alte Stücke wie "Mr. Postman" spiele, fragen mich viele Leute, warum spielst du nicht deine eigenen neuen Sachen? Nun, meine Solo-Sachen sind sehr gut; noch viel besser live mit meiner Band I.C.L.C. Aber es waren eben quasi RAMONES-Songs, jeder Song klang gleich, der gleiche Key und so weiter. Ich liebe das, verdammt. Aber jetzt spiele ich lieber gleich alte RAMONES-Stücke. Eigentlich will ich die Musik zum Hobby machen, damit ich Leuten keine Zugeständnisse machen brauche und blöde Platten aufnehmen muss. Zumindest sind wir jetzt nach Kalifornien gezogen und sind sehr glücklich. Und erst in der letzten Zeit geht mir auf, wie wunderbar das Leben eigentlich ist. Bis jetzt hatte ich ja gar kein Leben.

Wo du nun in LA wohnst, siehst du Johnny gelegentlich?

Ich sehe ihn manchmal. Er ruft mich aber nicht an. Aber eigentlich mache ich mir mehr Sorgen um Joey, mehr als irgendwer sonst.

Irgendwann wolltest du doch auch nach Berlin ziehen.

Nein, Hannover. Berlin wäre auch nicht schlecht. Ich kann aber keine Aufenthaltserlaubnis kriegen, obwohl meine Mutter Deutsche ist. Aber irgendwie muss wohl der Vater Deutscher sein. Es ist schwierig. Sowas hat mich schon immer verrückt gemacht. Stattdessen bin ich nach Holland gezogen, Amsterdam hat mich wegen der gelben Straßenbahn an Berlin erinnert. Aber die Holländer hassen Amerikaner und Deutsche. Meine Mutter hat gesagt, ich solle ein deutsches Mädchen heiraten, wenn ich nach Deutschland wolle. Meine Frau ist aber Argentinierin. Das mochte man auch nicht so gerne. Also, ich habe weder eine Familie noch ein Land, das meine Heimat ist. Aber das ist nichts besonderes. Die Welt ist nicht perfekt. Und dann das ganze Gerede über mich und Barbara. Neulich erzählte mir jemand, ich würde nur mit Barbara zusammen sein, weil sie aussähe wie Johnny Ramone. Das heißt, eigentlich sei ich in Johnny Ramone verliebt. So einen Mist muß ich mir von Leuten anhören. Mir würde es nichts ausmachen, einfach von diesem Planeten zu verschwinden. [lacht ausgiebig].

Wie hast du Chris Spedding, den Produzenten deiner letzten beiden Alben "Hop Around" und "Latest & Greatest" kennengelernt?

Ich kenne Chris schon ewig, aber ich konnte nie mit ihm arbeiten. Er ist sicherlich der beste Produzent, mit dem man arbeiten kann. Wir waren beide sehr lange Junkies und es hat gedauert, bis wir wieder clean wurden. Wir haben uns früher gegenseitig misstraut, besonders er mir. Das Album haben wir ganz schnell aufgenommen. Ich hasse diesen ganzen Trubel um das Geld und teure Studios. Ich brauche nicht viel. Ich habe noch nicht mal ein Auto. Seit zehn Jahren schon nicht mehr. Und außerdem bekomme ich immer Probleme mit der Polizei. Wenn Polizisten mich im Auto sehen, müssen sie mir einfach irgendwas anhängen.

Anders als die anderen RAMONES hast du sehr viel verschiedene Dinge gemacht; in den letzten Jahren auch wieder gemalt.

Ja, meine Gemälde verkaufen sich sehr gut. Ich habe gerade eine Galerie in New York und in LA haben wir im Juni auch eine neue Show. Ich habe aber auch schon versucht andere Dinge als Musik zu machen, als ich noch bei den RAMONES war. Aber es waren keine Freundschaften möglich. Ich fühlte mich schon außen vor, als ich noch mit ihnen spielte. Hier war ich und dort waren sie. Und obwohl ich es heute mag mit Marky [langjähriger RAMONES-Trommler] und C.J. [ab 1989 RAMONES-Bassist, der für Dee Dee einstieg] zu spielen, ist es immer noch schwierig. Marky will immer der Boss sein. Er versucht mein Leben zu kontrollieren. Er ist sehr aggressiv und manchmal bedroht er mich. Deshalb hat sich auch unsere Band RAMAINZ, die wir mit meiner Frau Barbara zusammen hatten, aufgelöst. Auf der anderen Seite ist es sehr gut mit Marky als Musiker zusammenzuarbeiten. Er trinkt und randaliert nicht mehr. Er ist erwachsen geworden: He´s a man, but he´s also a punk.

Wie läuft die jetzige Tour?

Es ist schön zu sehen, dass es auch hier Leute gibt, die lieben, was ich tue. In der letzten Zeit sorge ich mich allerdings darum, wie lange ich das alles noch mitmachen kann.

Was genau macht dir Sorgen?

Nun, ich habe all diese Verantwortung. Zuerst will jemand Songs für die RAMONES, für den Film, am besten ein ganzes Album, dann will meine Plattenfirma ein neues Album, mein amerikanischer Agent will ein neues Buch, sobald ich wieder zurück bin, und ein europäischer Agent sagt mir, er will gleich noch eine Tour dranhängen, usw. Und dann die Kids und meine Frau und die anderen [geschiedenen] Frauen. Das Gute daran ist, dass ich nicht mehr gelangweilt bin. Mit den RAMONES war ich damals sehr gelangweilt. Ich wusste nicht wie ich mich selbst beschäftigen konnte. Ich habe nichts gemacht. Ich ging nie selbst zur Bank, nie zur Post. Ich wusste nicht wie. Ich habe nie meine Wäsche selbst gewaschen. Wenn du den ganzen Tag nichts machst, weil andere es für dich tun, dann fühlst du dich mit der Zeit nutzlos. Du bist abhängig von so vielen Leuten, wegen der winzigsten Kleinigkeiten. Das ist langweilig. Das einzige was du tun kannst, ist Drogen nehmen. Für mich ist das heute auch langweilig, ich hatte sicherlich genug davon.

Wer spielt in deiner neuen Tourband?

Es ist immer noch der alte Trommler Chase Manhattan, ein exzellenter Musiker. Chris, der neue Gitarrist, spielt seit ungefähr einem Jahr mit. Meine Frau Barbara spielt manchmal mit uns. Ich glaube aber, dass sie in Zukunft eher weniger spielen wird, und diesmal ist sie auch zu Hause geblieben. Körperlich und geistig ist das Touren zu hart für sie. Auf Tour gehen ist kein Princess-Life-Style. Dafür habe ich wieder angefangen live Bass zu spielen.

Spielst du live auch frühe Solosachen, wie die von Standing in the Spotlight?

Nein. Weißt du, diese Sachen klingen nicht so wie ich sie haben wollte. Sie sollten mehr Rap sein. "Poor Little Rich Girl" und "German Kid", das sollten reine Rapsongs werden. Jetzt ist alles so ein halbgares Zeugs. Ich mag das nicht. Songs wie "Baby Doll" sind mir einfach peinlich. Das sollte ursprünglich eher so wie "I need Love" von LL Cool J klingen. Und im Studio waren alle gegen mich, der Produzent, die Musiker, keiner wollte, dass ich Rap mache. Sie sagten, ich sei kein guter Rapper. Aber wenigstens habe ich so die besten Rapper der Welt kennengelernt. Ich mag auch DIE FANTASTISCHEN VIER, besonders den Song "Sie ist weg". Ich glaube, Rap klingt einfach besser auf Deutsch. Die Sprache passt einfach perfekt zu dieser Musik, macht sie funky. Es gibt viele sehr gute deutsche Rapbands. RAMMSTEIN dagegen mag ich überhaupt nicht. Tut mir leid. Aber Deutsch sollte einfach sexy sein. Verdient hätte es die Sprache. Ja ja, ich bin romantisch.

Hast du deshalb den Song "Why Is Everybody Always Against Germany?" geschrieben?

Nein, das war eher ein Fußball-Ding. Das hing mit meiner Zeit in Holland zusammen. Ich wurde als Amerikaner, der auch noch Deutsch spricht, extrem diskriminiert. Lächerlich. Ich wollte nicht in Holland einfallen, ich wollte einfach nur dort leben. Wir konnten für meine Frau kein Visum für Deutschland oder die USA kriegen, also gingen wir nach Holland. Und dann behandeln die uns wie... okay, wir haben es überstanden. Ich bin nicht mehr sauer.

Neulich habt ihr ein METALLICA-Cover aufgenommen.

Ja, "Jump In The Fire". Ich mußte es etwas neu arrangieren, aber es lief prima, wirklich gut. Die Band will es aber nicht live spielen.

Du tauchst ja auch in dem 1999er Film über Nina Hagen "Punk and Glory" auf. Habt Ihr noch was miteinander zu tun?

Ich habe mit Nina gearbeitet. Ich mochte sie sehr. Aber wir hatten auch sehr... [überlegt lange] unangenehme Situationen. Sie wollte mich heiraten. Dummerweise war ich gerade erst verheiratet. Anyway, she´s a character. Sie redet heute bestimmt schlecht über mich. Nina ist gefährlich, ehrlich. Sie ist eine starke Frau. Sie hat mir diese Photos von sich mit Schlagringen geschickt und drunter geschrieben, dass sie mich zusammenschlagen will. Ich wusste nicht, ob das ernst gemeint war. Aber dann hat sie ihren damaligen Ehemann in LA zusammengeschlagen, so dass die Polizei einschreiten musste. Ich dachte mir, better watch out! Die musikalischen Sachen mit Nina liefen am Anfang gut; auch die Zusammenarbeit in Connys Studio in Neuenkirchen. Aber dann fängt sie immer zu streiten an. Harhar, ich glaube, sie geht nur auf Männer los, die sie mag. Und dann will sie keinen Punkrock mehr machen. Ich habe ihr den Song "Sternenmädchen" geschrieben und sie hat ihn ruiniert. Jetzt heißt der Song "Freedom Fighter", ich will gar nicht wissen, wie er jetzt klingt.

Wie kam es zu deinem Gastauftritt in GG Allins Band "Murder Junkies"?

Ich kann mich nicht an die genauen Details erinnern, aber ich kannte GG ja schon sehr lange. Abgesehen vom Image und dem ganzen Wahnsinn war der frühe GG eine gute Version der RAMONES. Aber ich mag seinen Bruder Merle nicht. Ich denke, er ist verantwortlich für GGs Tod. Ich habe versucht GG am Leben zu halten. Das hat gar nichts mit Musik zu tun. Es war wie ein Bruder für einen Bruder. Unsere gemeinsamen Erfahrungen, die ganzen Knastgeschichten und so. Wir wussten wovon wir sprachen. Als GG ins Jackson Prison nach Michigan eingeliefert wurde, machte ich mir wirklich Sorgen um ihn. Er war nie so hart wie sein Image. Er war eher eine missbrauchte Person auf der Suche. Ich kannte ihn schon, als er in den 70ern noch in einer Popband spielte. Er sah aus wie David Cassidy und machte auch solche Platten. Eines Tages kam er zu einer Show von uns nach Providence und er hatte auf einmal diese selbstgemachten Tätowierungen und all das. Er wurde schlecht behandelt und falsch verstanden. Sie machten einen Junkie aus ihm und brachten ihn um. Sie haben seine Beerdigung sogar gefilmt und machen Geld mit seinem Tod.

Wie fühlst du dich in Anbetracht der Tatsache, dass Bands wie GREEN DAY oder OFFSPRING heute große Rockstars sind, sie aber ohne die RAMONES nie existieren würden? Macht es dich manchmal neidisch?

Nein, überhaupt nicht. Ich war neidisch und wütend als dieser ganze New Wave-Kram aufkam. Elvis Costello und dieser Mist. Zu der Zeit war ich sehr wütend. Einen RAMONES-Song konnte man nie im Radio hören, dafür aber diesen ganzen New Wave-Mist von Leuten, die auf unseren Zug aufgesprungen waren. I mochte Billy Idol zuerst, aber dann machte er Zeugs wie "White Wedding". Sie haben Punkrock und die ganze Situation als ein Zugpferd benutzt, um ihren Kram zu verkaufen. Genauso THE POLICE. Also so um 1980 oder 81 herum, da war ich wütend. Aber die neuen Punkbands von heute, nein, die mag ich sehr. GREEN DAY haben "Outsider" gecovert. Das finde ich großartig. Da gibt es diese Band... BLINK 77? (sic!; wir überlassen die Entscheidung dem geneigten Leser, ob Herr Ramone hier die BLANKS 77 oder eher BLINK 182 meinte...), sie sind lustig, aber sie sind Punkrock-Snobs. Das ist lächerlich. Genauso diese ELASTICA-Geschichte vor einigen Jahren. Das hat mich geärgert. Sie haben jeglichen Einfluss von den RAMONES verneint, haben schlecht über sie gesprochen und dann machen sie ein Plattencover, das genauso aussieht wie ein RAMONES-Cover von 76 oder 77. Albern. Das ist wahrscheinlich die britische Art. Das heißt nicht, dass ich keine britischen Bands mag. X-RAY SPEX waren immer schon eine meiner Lieblingsbands; genauso THE CLASH und auch die Pistols, wenngleich die eher von den NEW YORK DOLLS beeinflußt waren.

Hast Du noch Kontakt zu alten New Yorkern?

Gelegentlich. Irgendwann haben wir mal mit Joey und Marky im Coney Island High, einem Club in New York gespielt. Joan Jett spielte auch da. Die hat dann aber versucht mir meine Frau auszuspannen. Das war zu viel. Seitdem habe ich nicht mehr mit ihr geredet [lacht]. Am gleichen Abend spielte da auch Sonny Vincent, und Wayne Kramer und Scott Ashton kamen zum jammen. Aber mir reichte es. Ich spielte mit Joey und Marky und dann war ich weg. Es gab dann noch Streit mit Wayne. Jetzt haben wir uns wieder angefreundet. Damals mochte ich ihn nicht. Ich habe sein Bier vor Wut umgeschmissen, weil ich sein Gequassel nicht ertragen konnte. Später hat er mir noch meine Lederjacke geklaut. Er erzählte was von Kokain und wie er locker junge Mädchen abschleppt und all das. Und Kramer sieht noch viel schlimmer aus als ich [lacht]. Er tat mir richtig leid. Ich dachte nur, was ist hier eigentlich los. Und die ganzen Mädels sind auch hinter mir her. Wenn ich in den Spiegel gucke, dann ist mir klar, dass keine normale Frau jemals mit mir ausgehen würde. Aber neulich in Schweden, da kamen all diese wunderschönen 17jährigen Mädchen und fingen an mich zu umgarnen. Das schockiert mich. Selbst wenn ich nicht verheiratet wäre, würde ich sagen, hey, ich bin ein alter Mann, lasst mich in Ruhe. Es tut mir leid, ich fühle mich geschmeichelt, aber ich versteh einfach nicht was sie in mir sehen. Ich verstehe es einfach nicht. Und dann geht das alles los, Dee Dee, wir lieben dich, bla bla bla. Verrückt. Und Kramer, der durchschaut das nicht. Er glaubt, er sei wirklich attraktiv. Seitdem ich Barbara kenne bin ich sowieso ruhiger geworden. Wir sind seit sieben Jahren zusammen, und ich brauche niemand anderen mehr. Das hat mich auch vor vielen anderen Gefahren gerettet. Ich muß bereits so viele Ex-Frauen und die ganzen Kinder bezahlen. Und die Prozesse. Stattdessen sitze ich lieber in meinem Zimmer, schreibe an einem Buch oder male. Ich bin zufrieden.

Und der Mann, der Mitte der 80er Jahre bei den RAMONES einfach nur gelangweilt und unbeteiligt auf der Bühne herumstand und den Eindruck erweckte, als ob er nur möglichst schnell von dieser wieder runter will, dieser Mann hüpft im Jahre 2001 mit 48 Jahren plötzlich herum, fast so als ob es gerade 1977 wäre. Er sieht zwar immer noch 10 Jahre älter aus, als er ist, aber im Konzert wirkte er 20 Jahre jünger. So war es dann auch: Erfrischend, energiegeladen und kurz!