DER DSCHUNGEL

Kristina Gehrmann

Die Bezeichnung „Muckraker“ (Mistkratzer) prägte Theodore Roosevelt 1906 für die erste Generation investigativer US-Journalisten. Neben Ida Tarbell, Lincoln Steffens und Ray Baker gehörte auch Upton Sinclair, Verfasser der Romanvorlage für Gehrmanns „Der Dschungel“ zu diesem aufrührerischen Kreis.

Er hatte sich 1904 im Auftrag der sozialistischen US-Zeitschrift „Appeal to Reason“ für mehrere Wochen unter die Arbeiter der Chicagoer Union Stock Yards, der damals weltweit größten Fleischfabrik, gemischt und veröffentlichte seine schockierenden Recherche-Ergebnisse zunächst als Fortsetzungsgeschichte.

Ganz im Geiste der Progressive Era wollte er unzumutbare Arbeitsbedingungen und hygienische Zustände anprangern, Korruption und Abzocke bekämpfen, seinen Zeitgenossen aber auch eine vegetarische Ernährungsweise nahelegen.

Letzteres gelang zwar nicht, er konnte aber einen öffentlichen Aufschrei hinsichtlich der Hygiene während der Fleischproduktion bewirken, der unter anderem zum Erlass des Meat Inspection Act führte.

Während Sinclair ausführlich auf den Umgang mit verdorbenem Fleisch eingeht, deutet Gehrmann dies in ihrer nach der Debüt-Trilogie zweiten auf historischen Quellen basierenden Graphic Novel nur noch an.

Erklärende Kästen gibt es kaum, man muss Bilder und Gesprochenes schon genau lesen, um sich das erschließen zu können. Ihr ist der soziale Aspekt wichtiger, der Raubtierkapitalismus, der Naivität, Verzweiflung und Machtlosigkeit der Ungebildeten ohne Rücksicht auf menschliches Leben zum eigenen Vorteil ausnutzt.

Passend mit schlichtem Strich in dezenten Graustufen gehalten, jeder Kapitelauftakt mit einem Rand aus historisch authentischen Werbeanzeigen versehen. Gelungen.