25 jahre später: SNUFF

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Tweet Tweet My Lovely (CD/LP, Fat Wreck, 1998)

Bei der SNUFF-Diskografie komme ich immer etwas durcheinander, was nicht zuletzt an den Titeln liegt. „Flibbiddydibbiddydob“ oder „Demmamussabebonk“? Das Debüt der Band aus dem Nordwesten Londons heißt vollständig „Snuffsaidbutgorblimeyguvstonemeifhedidn’tthrowawobbler chachachachachachachachachachachayou’regoinghomeinacosmicambience“! Wahrscheinlich bin ich einfach nur zu blöd oder nicht Fan genug. Bei gar nicht mal so wenigen, kreuz und quer, teilweise mit Überschneidungen auf den Markt gebrachten Alben Singles, EPs und Wiederveröffentlichungen sollte man es mir nachsehen. Was feststeht, „Tweet Tweet My Lovely“ von 1998 ist mein bevorzugter Griff ins Plattenregal, wenn es um SNUFF geht. Besser als hier zündet die Mischung aus teils rauhem Punkrock, wehmütiger Melodie, Cockney-Charme, allerhand Albernheiten und den Einflüssen von Trojan, Motown, Stax oder Scepter nirgends. Vielleicht ist es ein Missverständnis, wenn man in der Tradition zu tief gräbt, um aus mehr oder weniger Obskurem etwas zu schaffen, bei dem sich alle eingeladen fühlen und mitmachen können. Vielleicht auch einfach nur Punk und Soul. Hier gibt es dann schnell auf die Fresse. Einmal von den Besserwissern die in Sachen Soul unterwegs sind – geschenkt. Und was Punkrock angeht, ja, Fat Mike ist bei einigen nicht nur dafür unbeliebt, dass er mit seinem Label schwarze Zahlen schreibt, er war auch mindestens dafür verantwortlich, dass die ursprünglich 1986 gegründete Band nach ihrer Auflösung 1991 und Wiederbelebung 1996 noch SNUFF hieß. Wie gesagt: mindestens. Geld wird gelegentlich überzeugend eingesetzt. Auf „Tweet Tweet My Lovely“ kriegt man für sein Geld 14 Stücke, die beim ersten Hören genauso gut funktionieren wie beim fünfhundertsten. Zwanzigmal pro Jahr, mal fünfundzwanzig Jahre ist zwar an der oberen Grenze meine Kopfrechenkünste, aber in Anbetracht dessen, wie lange das Album seit dem Erwerb ununterbrochen auf meinem Plattenteller lag, noch knapp bemessen. Diese unfassbaren Harmonien, besonders in den Momenten, in denen die Orgel hinzukommt – es gibt wenig Besseres auf der Welt. Spätestens beim abschließenden „Take me home (Piss off)“, wenn Duncan Redmonds singt „Some big Hollywood ending, Bruce Willis shoots them all and gets the girl. No guns, no girl, somehow I’ve wound up in Neasden“, ist die Überlegung immer wieder die gleiche: Noch ein Bier aus dem Kühlschrank, noch mal auf die A-Seite drehen, die Nadel senken und wieder von vorne. Es gibt Dinge, die kann man nicht erklären, aber wozu auch? Nur schade, dass SNUFF live da nicht herankommen. Zigmal gesehen und jedes Mal unterhaltsam, aber leider nie so gut wie auf Platte.