40 Jahre später: FEHLFARBEN - Monarchie und Alltag (LP, Welt-Rekord, 1980)

Foto

1979, während eines Auftritts von THE TEARDROP EXPLODES in London als Nachfolgeband von MITTAGSPAUSE gegründet, veröffentlichen FEHLFARBEN 1980 mit ihrem Debüt „Monarchie und Alltag“ ein wegweisendes Album. In einem Begleittext von Peter Glaser im Booklet zu einem Reissue heißt es, die Behauptung des Schrifttellers Rolf Dieter Brinkmann, auf Deutsch könne man nur denken, nicht singen, sei mit „Monarchie und Alltag“ widerlegt worden. Aber Peter Hein singt nicht. Dies war vermutlich gar nicht seine Absicht. In jedem Song beschreibt er schnörkellos präzise – mal lauthals skandierend oder seiner lakonischen Natur folgend – ganz unprätentiös die Befindlichkeiten seiner Generation, die Protagonisten des Ratinger Hofs im Düsseldorf der frühen Achtziger Jahre.

Eine neue Zeitrechnung begann mit diesem Album und seinen deutschsprachigen Songs aus dem Untergrund. Die Musik besaß mitunter einen Groove, den WIRE, GANG OF FOUR oder britischer Post-Punk und New Wave allgemein vorgelebt hatten: kantig, schroff, unterkühlt, mit einem zackigen Rhythmussegment. „Monarchie und Alltag“ liefert aber auch als treffsicheres Destillat eine dunkle und desaströse Bestandsaufnahme der Befindlichkeiten in Deutschland zu Beginn eines neuen Jahrzehnts, wobei der Song „Grauschleier“ noch ein Statement über die Siebziger Jahre ist. Oder man denke an den Text von „Militürk“, der das Szenario des Kalten Kriegs zwischen Ostblock und dem Westen thematisiert, noch geschrieben vom späteren DAF-Mastermind Gabi Delgado-López und bereits 1979 vom FEHLFARBEN-Vorläufer Mittagspause auf Platte veröffentlicht. Diese Beschreibung des Zeitempfindens hatte so gar nichts von pseudo-lustiger NDW-Leichtigkeit. Persönliches Scheitern, Zerrissenheit, Paranoia, diffuse Ängste und Zweifel werden in zeitlosen Perlen wie „Das war vor Jahren“, „All that heaven allows“ oder „Angst“ vertont.

Und niemals kann der längste Song des Albums, „Paul ist tot“, an Eindringlichkeit und emotionaler Kraft verlieren, in dem Peter Hein singt: „Was ich haben will, das krieg ich nicht, und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht.“ Ein Meisterwerk, oft als letztes Stück bei FEHLFARBEN-Konzerten gespielt, welches, ob nun absichtlich oder nicht, die (komplexen) emotionalen Befindlichkeiten der Adoleszenz unterfüttert hat. Bereits im Februar 1981, drei Tage vor Beginn einer FEHLFARBEN-Tour, verlässt Peter Hein FEHLFARBEN und gründet im gleichen Jahr mit Xao Seffcheque FAMILY *5. Nach einer ersten Wiederbelebung von FEHLFARBEN zusammen mit Hein Anfang der 1990er Jahre, nimmt die Band seit 2002 wieder in regelmäßigen Abständen Platten auf, zuletzt 2015 „Über...Menschen“, und tritt auch live auf.

Markus Kolodziej