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Foto© by Timo Ehlert

Reaction-Videos zur Breakdown-Analyse

Bevor es im Herbst auf Tour geht, legt die deutsche Metalcore-Band mit „Abyss Pt. I“ eine neue EP vor. Gitarrist, Clean-Vokalist und Produzent Christoph Wieczorek erklärt, wieso es diesmal kein Album wurde, warum Härte und Melodie essentiell sind und was er an Reaction-Videos auf YouTube schätzt.

Eine EP statt einem Album zu machen – eine Reaktion auf die immer kürzer werdende Auf­merk­samkeitsspanne von Menschen? Geht es darum, allen Songs die verdiente Aufmerk­samkeit geben?

Also ich bin ganz ehrlich, wir wollten unbedingt vor der Tour was rausbringen und wir wollten eigentlich ein Album machen. Und die Songs haben einfach länger gebraucht. Wir hätten dieses Album nur mit Biegen und Brechen pünktlich abgeben können. So hatten wir mehr Zeit, uns auf die einzelnen Tracks zu konzentrieren, und konnten mehr Detailarbeit machen. Außerdem ist die Relevanz von Einzelsongs durch Spotify und Streaming gestiegen, die Single hat viel mehr Kraft als ein Album-Release.

Es gibt diesen Satz, der ist eigentlich ein Meme: die neuen Songs, die härtesten und melodischsten bisher – das steht dann leider meist für Radio-Rock. Auf die EP trifft das aber, etwa bei „Human“ oder „Calamity“, tatsächlich zu. Kannst du dem zustimmen?
Ja, wahrscheinlich schon. Es macht eben am meisten Spaß, diese Kontraste zu haben. Wenn du jetzt einen klassischen Rock-Song rausbringst als eine Band wie wir, der geht unter. Das weckt die Leute nicht auf, da gibt es keine Reaction-Videos. Kontraste überraschen und machen das Ganze interessant, deshalb arbeiten wir damit. Mit Rudi, der jetzt endlich richtig in der Band angekommen ist, merken wir wieder, wie geil die harten Parts sind, dass wir das gerne wieder mehr machen wollen.

ELECTRIC CALLBOY sind zum Beispiel auch dank Reaction-Videos so durch die Decke gegangen. Ist das etwas, worauf ihr beim Songwriting spekuliert?
Nein, man kann da meiner Meinung nach nicht drauf spekulieren. Man muss sich beim Schreiben immer noch denken, das muss ein geiler Song werden. Man muss das, was man fühlt, in die Musik einbringen, damit es auch authentisch ist. Von Producer-Seite kann man aber schon sagen, dass man das im Hinterkopf behält, wenn man den Song hat und überlegt, wo man Überraschungen einbaut. Es mach echt Spaß, sich diese Reaction-Videos anzugucken, das ist wie so ein Analyse-Tool, um zu sehen, das was man sich da ausgedacht hat – checken das die Leute, feiern die das? Bei „Human“ der Breakdown im Breakdown, den wir da gebaut haben, der hat eigentlich die meisten, im positiven Sinne, ganz gut geschockt. Und dann gibt es Leute, die gucken sich das an, die checken genau, was wir sagen wollen. Einer hat zum Beispiel auf „Throne of the sunset“ reactet, der hat das so geil auf den Punkt gebracht. Der Kanal heißt „Audio Autopsy“, der hat das echt cool analysiert. Diese Momente machen Spaß und motivieren, aber so spezifisch dafür zu schreiben, funktioniert, glaube ich, nicht, das wird dann Firlefanz.