APOKALYPTISCHEN REITER

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Frei von der Leber

Trotz wilder Stilbrüche in der Vergangenheit haben DIE APOKALYPTISCHEN REITER in den letzten Jahren ein Songwriting-Schema gefunden, das nur noch wenig zu überraschen vermag. Mit „The Divine Horsemen“ wendet sich nun das Blatt. Komplett improvisiert haben die fünf Herren an zwei Tagen ein neues Album eingetrümmert. Wir sprechen darüber mit Bassist Volkmar „Volkman“ Weber.

Mit „The Divine Horsemen“ widersprecht ihr allem, was aktuell en vogue ist. Auch wenn manche Lieder kurz sein mögen, sind diese nicht auf Streaming-Hörgewohnheiten optimiert, vieles ist ausufernd und alles in allem ist das Werk ein überlanges Doppelalbum geworden. Wie kommt’s?

Wir leben in einer sich ständig veränderten Musik- und Kulturwelt. Die Tendenz zum flüchtigen Konsumieren, zu knackigen, kurzen Inhalten haben wir natürlich mitbekommen. Aber uns hat dies in dem Fall gar nicht interessiert. Wir verfahren nicht nach Plan A oder B, wenn wir so eine Idee ausspinnen. Wir wollten für uns und unsere Fans etwas ganz Besonderes machen. Ursprünglich war ein Jubiläumskonzert zum 25. Jahrestag geplant. Streaming oder ein Wohnzimmer ohne Leute fühlte sich aber nicht richtig an. Großartig Bonus- und Live-Material oder B-Seiten, was die Plattenfirma da ins Spiel gebracht hat, haben wir gleich kategorisch abgelehnt. Wir haben nie etwas auf Halde produziert und eine Art Best-Of mit Live-Performance hätte sich für uns auch nicht gut angefühlt. Es kam also der alte Gedanke hoch, der bestimmt schon zehn Jahre alt ist, dass wir mal an zwei Tagen ein Album schreiben wollten. Hätte es nicht funktioniert, hätten wir eben mal zwei Tage umsonst investiert, das wäre auch nicht weiter schlimm gewesen.

Macht ihr solche Sessions denn öfter, wenn das Aufnahmegerät mal nicht läuft?
Ja, die gibt es sogar ziemlich häufig. Wir haben uns angewöhnt, bevor wir richtig fest ins Songwriting reingehen, ein kleines Band-Camp abzuhalten. Meistens mieten wir uns dann ein Ferienhaus in einer abgelegenen Gegend, um richtig Krach machen zu können. Um uns da ein bisschen einzugrooven, versuchen wir am ersten Tag oder speziell in der ersten Nacht als Menschen einen Draht zueinander zu finden. Wir packen nicht sofort die Riffs aus, die jeder mitgebracht hat. Wir improvisieren dann frei, jammen. Es kommt Monotonie auf, eine Trance-Stimmung wird erzeugt. Oft habe ich früher hinterher gedacht, dass man das hätte mitschneiden sollen. Wir wussten also grundsätzlich, dass wir das können.

Nach den Aufnahmen hattet ihr dann 500 Minuten Material, richtig?
Genau. Wir haben das Konzept vorher mit Alex von HEAVEN SHALL BURN besprochen. Er wusste zuerst nicht, was er davon halten soll, und meinte, dass er das mit seinen Jungs wahrscheinlich gar nicht machen könnte, weil sie ganz anders ticken, ganz anders arbeiten. Wir mussten dann technisch ein paar Sachen beachten, damit man wenigstens ein bisschen die Spuren voneinander separiert bekommt. Wenn man sich natürlich massiv verspielt, ist das auf allen Spuren drauf. Dann hätte man den Song auch abbrechen können. Er hatte da auf jeden Fall ein paar gute Ideen. Es sollte eine gänzlich andere Arbeitsweise werden als das, was wir uns nach vielen Jahren Musikkarriere als normales, akribisches Songwriting angeeignet haben.

Ihr habt sehr viele verschiedene Instrumente integriert. Wie viele liegen denn da bei euch im Proberaum herum, dass ihr diese so spontan einbinden konntet?
Wir hatten uns vorher eine kleine Spielwiese eingerichtet. Es gab noch ein zweites Drumkit, zusätzliche Percussion, ein Didgeridoo. Viele Sachen, die man jetzt aber am Schluss hört, kommen aber aus Multi-Effekt-Boards, die von Gitarren oder Synthesizern abgefeuert wurden. Dank der technischen Entwicklung ist dies mittlerweile gar nicht mehr so schwer zu integrieren. Die ersten zwei Stunden am Tag waren oft sehr fokussiert und wir haben versucht an Songs zu arbeiten. Es ist aber mit der Zeit immer trippiger geworden. Ich als Bassist habe mich zum Beispiel in einer Pause mit unserem Schlagzeuger abgesprochen, dass wir mal ganz stumpf einen Rhythmus durchprügeln. So was schaukelt sich dann irgendwie hoch, es kommt Variation mit rein. Dann hast du natürlich auch noch Augenkontakt mit den anderen oder du schreist anderen tatsächlich auch mal einen Akkord entgegen, wenn klar ist, dass jetzt ein Break kommen muss. Das hat aber bei den 500 Minuten nicht immer funktioniert.

Wie ist es mit den 500 Minuten weitergegangen?
Ali hat uns das abgezogen und jeder von uns hat sich zwei Wochen allein mit dem Material beschäftigt. Wir haben es erstmal sacken lassen und die Stellen rausgeschrieben, die wir gut finden. Es hat sich dann verdichtet, dass wir und viele Leute ähnliche Sachen gut fanden. Das war gut, denn so konnten wir erstmal gnadenlos aussortieren. Wir konnten jetzt ja auch kein Vierfach-Album veröffentlichen. Der ursprüngliche Plan war eigentlich mal eine halbe Stunde. Schon davon war die Plattenfirma nicht mega begeistert. Die sorgen sich immer darum, dass die Fans das nicht verstehen und verwirrt sind. Wir haben ihnen aber dann zwei Lieder geschickt, die sie ganz cool fanden. Sie waren dann Feuer und Flamme und meinten, dass wir es durchziehen sollten. Unser Limit war danach die Länge einer Doppel-LP, darauf konnten wir hinarbeiten. Das war natürlich gut, denn einfache 45 Minuten oder eine Stunde Spielzeit hätten wahrscheinlich so nicht funktioniert. Wir wollen den Hörer auf eine Reise schicken. Dass er sich darauf einlässt und die ganzen Höhen und Tiefen mitnimmt. Für uns mal eine hervorragende Art, etwas ganz anderes zu machen.